Einstimmige Ministervota. Frühere Wirkung. 63
unter ihnen bestanden hatten, und der alte Herr gab nach,
wenn er keine Stimmen für sich gewinnen konnte. Ich erinnere
mich nur einer Ausnahme. Nachdem der Frankfurter Friedens-
vertrag am 18. Mai 1871 von der französischen National-
versammlung genehmigt war, konnten unsere Truppen bis auf
einen zur Besetzung der pfandweise occupirten Departements
ausreichenden Theil zurückgerufen werden. Die Minister waren
darüber einig, dies sofort zu thun, alle Mannschaften, die nicht
bei der Fahne zu bleiben hatten, zu entlassen und den Einzug
der in Berlin garnisonirenden Regimenter auf den nächsten
möglichen Termin, jedenfalls noch im Mai, anzuberaumen.
Damit stießen wir aber bei Sr. Majestät auf einen hartnäckigen
Widerstand. Die Kaiserin Augusta wollte, wie ich erfahren
hatte, dem Einzuge beiwohnen, aber vorher ihre Kur in Baden-
Baden abmachen; der Kaiser wollte den Wunsch seiner Ge-
mahlin erfüllen, aber auch die Regimenter in voller Kriegsstärke
einziehen sehen. Vergebens machten wir in mehrtägigen Be-
rathungen, welche im Erdgeschoß des Palais abgehalten wurden,
den Kostenaufwand geltend, die Rücksicht auf die so lange von
ihren Familien und Geschäften getrennten Leute, das dringende
Bedürfniß, der Landwirthschaft so viele Arme zurück zu geben.
Der Kaiser, der den eigentlichen Grund seines Widerstandes
dem Ministerrathe nicht eingestehen mochte, hatte es schwer, gegen
unsere Argumente anzukämpfen, blieb aber fest dabei, der Einzug
solle in der Mitte des Juni und in voller Kriegsstärke vor sich
gehen. Während der Berathungen kam es vor, daß in den
Räumen über dem Berathungszimmer jemand mit so starken
Schritten hin und her ging, daß der Kronleuchter in eine klirrende
Bewegung gerieth. Nach der letzten resultatlosen Berathung
suchte Lauer, der Leibarzt des Kaisers, mich auf, um mir zu
sagen, daß er die gefährlichsten Folgen für die Gesundheit Sr.
Majestät, vielleicht einen Schlagfluß befürchten müsse, wenn
nicht der Hausfriede hergestellt werde. Auf diese Mittheilung