· Kreisordnungen.
Ausgaben zu gemeinnützigen Einrichtungen
und Anlagen zu beschließen und die Kreis-
eingesessenen dadurch zu verpflichten.
II. Diese auf ständischer Grundlage beruhende
Einrichtung stand mit den in der im Jahre
1850 erlassenen Verfassung niedergelegten
Grundsätzen in Widerspruch. Die VBl. vom
31. Jan. 1850 faßte daher im Art. 105 eine
Reform der Provinzial-, Kreis= und Gemeinde-
verfassung ins Auge. Die demgemäß am 11. März
1850 erlassenen Gem O. und die Kreis-, Bezirks-
und Provinzialordnung von demselben Tage
(GS. 213 ff.) kamen jedoch nicht zur Durch-
führung, weil sie die tatsächlichen Verhältnisse,
namentlich die Unterschiede zwischen Stadt
und Land, zwischen Groß= und Kleingrund-
besitz und zwischen den einzelnen Provinzen
nicht in genügender Weise berüchsichtigten.
Sie wurden deshalb durch das G. vom 24. Mai
1853 (GS. 238), das den Erlaß besonderer
provinzieller Gesetze in Aussicht stellte, wieder
aufgehoben. Während demnächst für die öst-
lichen Provinzen unter dem 14. April 1856
das G., betr. die ländlichen Ortsobrigkeiten
(G##. 354), und das G., betr. die Landgemeinde-
verfassungen (GS. 359), ergingen, führten die
in den nächsten Jahren wiederholt unter-
nommenen Versuche einer Reform der Kreis-
verfassung zu keinem positiven Ergebnis. Auch
in den im Jahre 1866 neu erworbenen Pro-
vinzen wurden die Einrichtungen der Kreise
im wesentlichen nach den in den alten Pro-
oinzen bestehenden Gesetzen geregelt.
4Erst zu Beginn der siebziger Jahre des
vorigen Jahrhunderts gelang es, die Kon-
sequenzen des Ediktes vom 9. Okt. 1807 zu
ziehen und die lang erstrebte Reform nach
schweren parlamentarischen Kämpfen zustande
zu bringen. Der erste Entwurf der KrO., der
im September 1869 dem Landtage vorgelegt
wurde, blieb infolge des Schlusses der Session
unerledigt. Er wurde mit einigen Abände-
rungen in der Session von 1871/72 wieder
vorgelegt, vom AbgH. zwar angenommen,
vom Herrenhause aber trotz mehrfacher Amen-
dierung schließlich abgelehnt. Erst der dritte,
in der Session 1872/73 eingebrachte Entwurf
wurde vom AbgH. mit 288 gegen 91, vom
Herrenhause mit 116 gegen 91 Stimmen an-
genommen und unter dem 13. Dezember
1872 als KrO. für die Prov. Preußen,
Brandenburg, Pommern, Schlesien,
Sachsen und Posen verkündet (GS. 661).
Die KrO. vom 13. Dez. 1872 ist in den ge-
nannten Provinzen, mit Ausnahme der Prov.
osen, am 1. Jan. 1874 in Kraft getreten.
ie hat die kreisständischen Befugnisse der
Rittergüter, die gutsherrliche Polizeigewalt,
das Aufsichtsrecht der Gutsherren über die
Landgemeinden, sowie die mit dem Besitze
gewisser Grundstücke verbundene Berechtigung
und Verpflichtung zur Verwaltung des Schul-
zenamts beseitigt. Die Landgemeinden erhiel-
ten durch sie das Recht, ihre Schulzen und
Schöffen vorbehaltlich der Bestätigung durch
den Landrat, zu wählen. Zur Verwaltung
der Ortspolizei auf dem platten Lande wurde
das Ehrenamt der Amtsvorsteher geschaffen
und damit das der Steinschen St O. vom
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung.
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19. Aov. 1808 zugrunde liegende Prinzip auf
das flache Land übertragen. Die Zusammen-
setzung der Kreisvertretung wurde zwar nach
wirtschaftlichen Gruppen (Großgrundbesitz,
Landgemeinden, Städte) geordnet, aber unter
Fortfall aller Virilstimmberechtigungen und
der dem ständischen System eigentümlichen
Sonderung in Teile (itio in partes). Die Kr.
hat ferner mit Rüchsicht darauf, daß die Kreise
ebenso wie die Gemeinden und Provinzen
einerseits zwar Verbände zur Errichtung selb-
ständiger wirtschaftlicher Zwecke, andererseits
aber auch Bezire der staatlichen Verwaltung
bilden, den Kreisverband durch entsprechende
Organisation seiner Verwaltung zugleich zum
Träger obrigkeitlicher Funktionen gestaltet.
Zu diesem Zwecke wurde in dem aus dem
andrate und sechs im Ehrenamte fungierenden.
Mitgliedern bestehenden Rreisausschusse (s. d.)
ein Organ geschaffen, das dazu bestimmt war,
die Vermögensangelegenheiten des Kreisver-
bandes zu verwalten und zugleich gewisse Ge-
schäfte der allgemeinen Landesverwaltung
wahrzunehmen. Dadurch wurde zugleich dem
Bedürfnis der Dezentralisation und der Ent-
lastung der Zentral= sowie der sonstigen höheren
Verwaltungsstellen von dem Detail der Ver-
waltung Rechnung getragen (s. auch Behör-
denorganisation der preußischen Ver-
waltung).
IV. Zu der KrO. vom 13. Dez. 1872 ist am
19. März 1881 eine Novelle ergangen, die
hauptsächlich den Zweck hatte, die in anderen
Gesetzen, namentlich in dem 36. vom 26. Juli
1876 und in der Prov O., über die Verfassung
der Kreise, Amtsbezirke und Gemeinden getrof-
fenen Anordnungen in die Kr O. aufzunehmen
(GS. 135). Unter demselben Datum hat der
Md J. gemäß Art. V der Novelle den Text der
KrO., wie er sich aus den durch die Movelle
festgestellten Anderungen ergibt, in der Gesetz-
sammlung betanntgemach (GS. 179). In wei-
terer Folge hat die KrO., von weniger ein-
greifenden Gesetzen abgesehen, Abänderungen
und Ergänzungen erfahren durch die LE. für
die sieben östlichen Provinzen vom 3. Juli 1891
(ogl. den § 146 das.), durch das RA#. und in
neuester Zeit durch das Kreis= und Provinzial-
abgabengesetz vom 23. April 1906 (s. Kreis=
abgaben).
Für die übrigen Provinzen, außer Posen,
sind auf der gleichen Grundlage besondere Kr O.
erlassen, und zwar für die Prov. Hannover
am 6. Wai 1884 (GS. 181), für die Prov.
Hessen-Aassau am 7. Juni 1885 (GS. 193), für
die Prov. Westfalen am 31. Juli 1886 (GS.
217), für die Rheinprovinz am 30. Mai 1887
(GS. 209), für die Prov. Schleswig-Holstein
am 26. AMai 1888 (GS. 139). Wesentliche Ab-
weichungen derselben sind in den betreffenden
Artikeln hervorgehoben worden.
VI. Wegen der Prov. Posen s. Kreisstände
(Posen). In dem Kreise Herzogtum Lauen-
burg kommen im wesentlichen die Vor-
schriften der KrO. f. d. ö. Pr. zur Anwen-
dung (ogl. § 145 KrO. für Schleswig-Hol-
stein und die Art. 1, II und V der V. vom
24. Aug. 1882, betr. die Vertretung des Lauen-
burgischen Landeskommunalverbandes — GS.
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