Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Kunstschulen. 
schule ist mehr allgemeiner oder theoretischer 
Art und erstrecht sich vorzugsweise auf die 
Lehrzweige, welche allen Runstgewerblichen 
Beschäftigungen Förderung gewähren, wie 
Ornament= und Architekturzeichnen, Figuren- 
zeichnen, Ornament= und Figurenmodellieren, 
Projektionslehre, Pflanzenstudien, Anatomie 
und Stilgeschichte. Die Abendschule hat da- 
her einen doppelten Zweck zu erfüllen: sie 
dient einerseits den Fachschülern zur Vervoll- 
ständigung ihrer Bildung, andererseits aber 
solchen, die den Fachunterricht nicht besuchen, 
zur Vorbereitung darauf. Eine gewisse Vor- 
bildung wird nichtsdestoweniger immer ver- 
langt. Der Unterricht der Abendklassen ist 
da, wo bestimmte Abschnitte überhaupt inne- 
gebalten werden können, auf einen einjährigen 
ursus berechnet. Zu den meisten Klassen so- 
wohl der Tages= wie der Abendschule werden 
auch Schülerinnen zugelassen. In einzelnen 
Fällen werden sie in besonderen Klassen ver- 
einigt. Aeue Schüler werden nur auf Grund 
einer Aufnahmeprüfung zugelassen. Zu Aus- 
stellungen haben die Schüler ihre Arbeiten 
der Anstalt so oft und so lange zu überlassen, 
als es erfordert wird. Zeugnisse über Schul- 
besuch, Fleiß usw. werden auf Verlangen 
jedem Schüler ausgestellt. Abgangszeugnisse 
erhalten nur Fachschüler, die ihre Ausbildung 
vollendet haben. Was die einzelnen Fachklassen 
der Tagesschule betrifft, so ist (nach Inhalt 
der amtlichen Programme) 1. die Fachklasse 
für architektonisches Zeichnen dazu be- 
stimmt, Zeichner für die architektonischen et 
des Kunstgewerbes, also für die Holz-, Metall-, 
Stein-, Ton= und Glasindustrie auszubilden. 
Da solche Zeichner mit der Technik des Faches, 
für das sie arbeiten wollen, bis zu einem ge- 
wissen Grade bekannt sein müssen, eigene Werk- 
stätten für Tischlerei, Schmiedearbeit, Töpferei 
usw. aber mit dem Museum nicht verbunden sind 
und nicht verbunden werden Bhönnen, so ist es 
wünschenswert, daß die Schüler sich schon, be- 
vor sie in die Klasse eintreten, mit dem Hand- 
werk praktisch beschäftigt haben. Schüler, 
denen die praktische Erfahrung abgeht, müssen 
bemüht sein, sich davon soviel als erreichbar 
ist während der Ferienmonate Juli, August 
und September anzueignen. Die Anstalt ist 
ihnen nötigenfalls behilflich, angemessene Be- 
schäftigung in Werkstätten oder Fabriken zu 
finden. 2. Die Fachklasse für ornamentales 
Modellieren hat den Zweck, Modelleure für 
die verschiedenen Zweige des Kunstgewerbes, 
namentlich die Stein-, Stuckh-, Metall= und 
Glasindustrie, die Töpferei und Holzschnitzerei 
auszubilden. Die Ausführung der Arbeiten 
in Stein, Metall, Holz usw. fällt dagegen 
nicht in ihren Bereich. 3. Die Fachklasse für 
figürliches Modellieren berüchsichtigt alle 
zum Bereich der dekorativen Plastik gehörigen 
Darstellungen der menschlichen Figur, also 
ebensowohl die, welche zum Schmuch der Archi- 
tektur dienen, als auch die, welche in den 
Kreis der Kleinkünste fallen. Die Arbeiten 
werden in der Klasse selbst jedoch nur in Ton 
oder Wachs ausgeführt; ihre Ubertragung in 
Stein, Holz, Metall usw. muß an anderer 
Stelle erfolgen. 4. Die Fachklasse für Zise- 
Architektur, also die 
  
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lieren ist zur Ausbildung von Gold= und 
Silberarbeitern, Ziseleuren, Graveuren, Stem- 
pelschneidern und Gürtlern bestimmt und hat 
die Einrichtung einer Lehrwerkstatt. Dabei wird 
die Künstlerische Seite des Handwerks haupt- 
sächlich berüchsichtigt; mit der technischen Seite 
desselben sollen die Schüler, ehe sie eintreten, 
schon bis zu einem gewissen Grade vertraut 
sein. 5. Die Fachklasse für Holzschnitzerei 
hat wie die vorhergenannte den Charakter 
einer Lehrwerkstatt. 6. Die Fachklasse für 
ornamentale Moalerei. Darunter wird hier 
in erster Linie die farbige Ausschmüchkung der 
echen-, Wand= und 
Fassadenmalerei verstanden, soweit sie ohne 
wesentliche Zuhilfenahme figürlicher Darstel- 
lungen erfolgt. Die Klasse schließt sich der 
Praxis unmittelbar an und hat den Zwechk, 
die Schüler zunächst zum Ausführen farbiger 
Dekorationen nach Stizzen des Lehrers, 
später zum selbständigen Entwerfen solcher 
Arbeiten anzuleiten. Daß die Schüler mit 
der Leimfarbentechnik vertraut sind, muß des- 
halb als Voraussetzung gelten. 7. Die Fach- 
klasse für figürliche Malerei. Der Unterricht 
berüchsichtigt figürliche Darstellungen nur, so- 
weit sie in den Bereich der dekorativen Rünste 
fallen. Voran stehen dabei die Zwecke der 
Wandmalerei, doch kommen sie nicht aus- 
schließlich in Betracht; es hönnen vielmehr 
auch Schüler, die nicht eigentlich Maler sind, 
in die Klasse eintreten, vorausgesetzt, daß sie 
hinreichende Befähigung besitzen und den 
anderweitigen Rhünstlerischen Anforderungen 
ihres besonderen Fachs genügen. 8. ie 
Fachklasse für Schmelzmalerei hat vornehm- 
lich den Zwechk, die Schmelzmalerei in der Art 
der Limousiner Arbeiten des 16. Jahrh. zu 
pflegen; die Herstellung von Gruben= und 
Zellenschmelz, sowie das Emaillieren von 
Goldschmiedearbeiten gehört nicht zu ihren 
Aufgaben. Dagegen kann mit der Schmelz- 
malerei im engeren Sinne auch Porzellan- 
und Majolikamalerei verbunden werden. Die 
Einrichtungen der Klasse sind die einer Lehr- 
werkstatt. Beim Eintritt in dieselbe jedoch 
bedürfen die Schüler einer technischen Vor- 
bildung nicht. 9. Die Fachklasse für Muster- 
zeichnen umfaßt ein weites Gebiet, dessen 
Grenzen sich nicht vollkommen scharf ziehen 
lassen. Alle, die sich zu Zeichnern für die 
nicht architektonischen Zweige des Kunst- 
ewerbes ausbilden oder eine andere Art der 
alerei als die eigentliche Wandmalerei be- 
treiben wollen, gehören in ihren Bereich. Sie 
zerfällt daher in mehrere voneinander unab- 
hängige Abteilungen. 10. Die Fachklasse für 
Kupferstich und Radierung. Die Aufgaben 
der Klasse richten sich auf die Reproduktion 
von Werken der Architektur und des Kunst- 
gewerbes. Als vornehmstes Reproduktions- 
mittel gilt dabei der RKupferstich und die 
Badierung, und die technischen Ubungen hier- 
für werden ganz besonders gepflegt. Doch er- 
strecht sich der Unterricht Kkeineswegs auf die 
Technik allein; die Grundlage desselben bildet 
vielmehr das Zeichnen mit der Feder, so daß 
also auch Graveure, Holzschneider, Litho- 
graphen und Zeichner für den Lichtdruch und
	        
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