Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Armendeputationen — Armengesetzgebung. 
Stempelsteuer und nach 88 Ar.2 GKG. 
vom 25. Juni 1895 (GS. 203) von der Zahlung 
der Gerichtsgebühren befreit. — Armen- 
häuser sind von den auf den Grundbesitz ge- 
legten Gemeinde= und Kreisabgaben be- 
freit (RAG. 24; G. vom 14. Juli 1893 
— GS. 119 — § 4). 
Armendeputationen sind kReine besonderen 
Rechtssubjehte (OV. 45, 83), sondern dem 
Gemeindevorstande untergeordnete Einrichtun- 
gen der Gemeinden zur Verwaltung des 
Armenwesens, die auf . 
1871 (GS. 130) beruhen. In jeder Gemeinde 
kann hiernach auf Grund eines Gemeinde- 
beschlusses eine A. aus Mitgliedern des Ge- 
meindevorstandes und der Gemeindevertretung 
gebildet werden. Geeigneten Falles können 
auch andere Ortseinwohner in die A. aufge- 
nommen werden. Den Vorsitz führt, sofern 
nicht das Gemeindeverfassungsgesetz etwas 
anderes bestimmt, der Bürgermeister, in den 
westf. Landgemeinden der Amtmann, oder ein 
von ihnen abgeordnetes Mitglied des Ge- 
meindevorstandes, wo kein Bürgermeister oder 
Amtmann an der Spitze der Gemeindever- 
waltung steht, der Gemeindevorsteher. Im 
übrigen finden für die Zusammensetzung der 
Deputation und ihre Geschäftsführung die Be- 
stimmungen der Gemeindeverfassungsgesetze 
über Verwaltungsdeputationen (s. Deputa- 
tionen) Anwendung. Die Wahl der in sie 
p1 entsendenden Gemeindeverordneten und 
rtseinwohner erfolgt durch die Gemeinde- 
vertretung. Ortspfarrer und ihre Stellvertreter 
sind hierbei hinsichtlich des in einer auswärti- 
gen Gemeinde belegenen Teiles ihres Kirch- 
spiels den dortigen Ortseinwohnern gleich zu 
achten. Jedes zur Teilnahme an den Ge- 
meindewahlen berechtigte Gemeindeglied ist 
zur Annahme einer unbesoldeten Stelle in der 
Gemeindearmenverwaltung und zur Ver- 
waltung dieser Stelle während drei Jahre 
oder der sonst in den Gemeindegesetzen vorge- 
schriebenen längeren Zeit verpflichtet. Die 
Gründe, die von diese Verpflichtung befreien, 
und die Nachteile, die bei einer unbegrün- 
deten Weigerun verhängt werden Bönnen 
(6§ 3—5 a. a. O.), sind dieselben wie bei der 
Ablehnung sonstiger unbefoldeter Gemeinde- 
ämter (s. d.). 
Armendirektion wird in einzelnen größeren 
Städten die mit der Hauptverwaltung der 
Armenangelegenheiten betraute städtische Be- 
hörde genannt (s. Arm enpflege und Armen- 
deputation). 
Armen esetzgebung. Unter Armenrecht 
wird die Gesamtheit der Rechtssätze verstanden, 
urch welche die Verpflichtung der gesetzlich 
zur öffentlichen Armenpflege berufenen Ver- 
#nde gegenüber den hilfsbedürftigen Personen 
und ihr Becht auf Ersatz für die Leistungen 
an° diese Personen sowie auf Ubernahme der 
Veiteren Fürsorge für sie gegenüber anderen 
wierbänden geregelt ist. Träger der Verpflich- 
lans zur Armenpflege sind in Deutschland seit 
ger Zeit die Gemeinden und die Grund- 
Urrschaften gewesen. Ihre Verbindlichkeit zur 
s stützung bestimmter Personen gründete 
auf deren Zugehörigkeit zu ihrem Bezirk 
3 AG. vom 8. Märzb 
  
111 
durch Geburt, Wohnsitz während eines be- 
stimmten Zeitraumes, Aufnahme in den Ge- 
meindeverband oder Zahlung von Gemeinde- 
abgaben. Das hierdurch in einer Gemeinde 
erworbene Heimatsrecht dauerte bis zum 
Erwerb dieses Rechtes an einem andern Orte 
fort. Im eeensaße zu dem auch in Preußen 
nach dem AL. geltenden Heimatsrecht wurde 
hier schon durch G. vom 31. Dez. 1842 ein 
rmenrecht geschaffen, wonach die Unter- 
stützungspflicht der örtlichen Armenver- 
ände (Gemeinden und Gutsbezirke) einer 
hilfsbedürftigen Person gegenüber von der 
Tatsache eines Aufenthalts von bestimmter 
Dauer in diesem Verbande abhängig gemacht 
wurde und bei einer ununterbrochenen Ab- 
wesenheit von bestimmter Dauer ihr Ende er- 
reichte (Erwerb und Verlust des Unterstützungs- 
wohnsitzes) und wonach größere kommunale 
Verbände (Provinzen, Kreise, große Städte) 
als Landarmenverbände entweder zur Ent- 
lastung der Ortsarmenverbände gewisse Zweige 
der Armenpflege zu übernehmen, leistungs- 
schwachen Ortsarmenverbänden Beihilfen zu 
gewähren und für diesenigen Hilfsbedürftigen 
ein zutreten hatten, für welche eine Fürsorge- 
pflicht eines Ortsarmenverbands nicht bestand. 
Auf diesen Grundsätzen, wonach die Armenlast 
sich nach dem durch mehrjährigen Aufenthalt 
erworbenen und durch Abwesenheit nicht wieder 
verloren gegangenen Unterstützungswohn- 
sitz (s. d.) des Hilfsbedürftigen richtet und die 
erforderliche Unterstützung (s. d.) von Ar- 
menverbänden (.. d.) zu gewähren ist, be- 
ruht auch das jetzige UW G. vom 6. Juni 1870 
(BEl. 360). Dieses ist durch G. vom 12. März 
1894 (Röl. 259) teilweise abgeändert worden 
und hat im ganzen Deutschen Reiche mit Aus- 
nahme von Bayern und Elsaß-Lothringen 
Geltung. — 
In Bayern ist das auf dem Heimatsrecht 
beruhende Armenrecht hinsichtlich des Erwerbes 
und Verlustes der Heimat durch G. vom 
15. April 1868, ergänzt durch G. vom 23. Febr. 
1872, 21. April 1884, 17. März 1892 u. 17. Juni 
1896, und hinsichtlich der Aufgaben der Armen- 
pflege, der Hilfsbedürftigkeit, der Art und des 
Maßes der Armenpflege und der Verwaltung 
des Armenwesens durch G. vom 29. April 
1869 und 3. Febr. 1888 geregelt worden. 
In Elsaß-Lothringen beruht die örtliche 
Armenpflege nach dem franz. Recht auf Frei- 
willigkeit. Sie wird durch Armenräte, die 
über Einkünfte aus Stiftungen, Lustbarkeits- 
abgaben, Beihilfen der Gemeinden usw. ver- 
fügen, oder durch Aufnahme in Hospitälern 
ausgeübt. Wo Wohltätigkeitseinrichtungen 
nicht bestehen, gewähren die Gemeinden Armen- 
unterstützung. Erstattung der Kosten kann 
von anderen Gemeinden nicht verlangt werden. 
Auch die Bezirke üben dort Armenpflege teils 
freiwillig, teils auf Grund gesetzlicher Ver- 
pflichtung (für Geisteskranke, Waisen, ver- 
lassene Kinder) aus. Der Staat gewährt Bei- 
hilfen. — Bayern und Elsaß-Lothringen gelten 
den übrigen deutschen Staaten gegenüber auf 
dem Gebiete des Armenrechts als Ausland. — 
Die Verpflichtung zur Ubernahme auszuweisen- 
der Hilfsbedürftiger zwischen Bayern und El-
	        
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