Armenpflegetarife — Armenrecht in der Rechtspflege.
nisse, Bedürftigkeit und ihren Familienstand
(auf Abhörbogen) festzustellen und auf sie
erziehlich einzuwirken hat, um sie von Müßig-
gang, Unordnung, Unwirtschaftlichkeit usw.
abzuhalten, nötigenfalls auch ein polizeiliches
Einschreiten herbeiführen soll. Je 14 Quar-
tiere sind zu einem Bezirk vereinigt, dem
ein Bezirksvorsteher vorgesetzt ist. Dieser
versammelt alle 14 Tage die Armenpfleger
seines Bezirks zu gemeinschaftlichen Sitzungen,
in denen von den Armenpflegern unter Vor-
legung der Abhörbogen Bericht erstattet und
über die zu gewährenden Unterstützungen (Geld
oder Naturalien), jedoch nur für einen Rurzen
Zeitraum (in der Regel 14 Tage), Beschluß ge-
faßt wird. Bei dringender Not darf der
Armenpfleger sofort selbständig Unterstützung
gewähren, möglichst nach Befragung des Be-
zirksvorstehers. Die Bewilligung unterliegt
der nachträglichen Genehmigung der Bezirks-
versammlung. Die aus dem Bürgermeister
oder seinem Beauftragten, vier Stadtverord-
neten und vier Bürgern bestehende Haupt-
verwaltung des Armenwesens unterzieht die
Beschlüsse der Bezirksversammlungen einer
Aachprüfung, stellt die Grundsätze für die A.
fest, entwirft den Haushaltsplan hierfür, legt
die Bechnung, erstattet den Verwaltungsbericht
und hat die Oberleitung des gesamten Armen-
wesens der Stadt.
III. (Kirchliche und private A.) Die
Rirchliche A. wird durch die Geistlichen und
ihre Helfer mittels der ihnen zur Verfügung
stehenden Fonds (Stiftungen u. dgl.) verwaltet.
Unentgeltliche Krankenpflege wird Mittellosen
in der hath. Kirche vielfach durch die diesem
wecke gewidmeten Orden, besonders den
barmherzigen Schwestern, zuteil. In der
ev. Kirche wird eine Pflegetätigkeit, nament-
lich durch die innere Mission (Brüder, Dia-
kone, Stadtmissionare) und durch die zur
Krankenpflege ausgebildeten Diakonissen
(I. Diakonissen wesen) ausgeübt.
Die private A. umfaßt, soweit sie organi-
siert ist, Werke der Mildtätigkeit, durch die
sowohl der Verarmung vorgebeugt als auch
diese beseitigt werden soll. Sie beruht teils
auf Stiftungen, für deren Verwaltung die
2 tiftungsurkunden maßgebend sind, teils auf
der Tätigkeit von Vereinen. Unter diesen ist
P#r vaterländische Frauenverein (Il. d.)
hervorzuheben. Hilfeleistung an mittellose und
arbeitslose Wanderer bezwechen die Ver-
pflegungsstationen (s. d.) und die Ar-
beiterkolonien (l. d.).
. Eineplanmäßige Verbindung der öffent-
ichen und privaten A. erfolgt vielfach mittels
Vegenseitiger Auskunftserteilung über bedürf-
I9e Personen und Wohltätigkeitseinrichtungen
Lamis mittels eines geregelten Meinungsaus-
usches zwischen den Organen der A.
4 #menpflegetarife s. Erstattungsan-=
pruche der Armenverbände I.
heit menpolizei. Unter A. wird die Tätig-
der der Staatsverwaltung verstanden, welche
Hilfebe#r#armung vorzubeugen oder dort, wo#-
edürftigkeit hervortritt, die zur Hilfe-
ng Verpflichteten hierzu anzuhalten und
erhalten der Unterstützten zu überwachen
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bestimmt ist. Eine vorbeugende polizeiliche
Tätigkeit kann auf Grund des § 361 Nr. 5
St CB. ausgeübt werden, wonach strafbar ist,
wer sich dem Spiel, Trunk oder Müßiggang
dergestalt hingibt, daß er in einen Zustand
gerät, in welchem zu seinem Unterhalt oder
zum Unterhalte derjenigen, zu deren Ernährung
er verpflichtet ist, durch Vermittelung der Be-
hörde fremde Hilfe in Anspruch genommen
werden muß. Eine polizeiliche Tätigkeit der-
selben Art ist ferner in § 361 Nr. 7 StEB.
vorausgesetzt, wonach strafbar ist, wer sich
nach Empfang einer Armenunterstützung aus
Arbeitsscheu weigert, die ihm von der Be-
hörde angewiesene, seinen Kräften angemessene
Arbeit zu verrichten, und im § 361 Nr. 8 St-
GB., wonach bestraft wird, wer nach Verlust
seines bisherigen Unterkommens binnen der
ihm von der zuständigen Behörde bestimmten
Frist sich kein anderweitiges Unterkommen
verschafft und auch nicht nachweisen kann, daß
er solches der von ihm angewandten Be-
mühungen ungeachtet nicht vermocht habe.
Eine Einwirkung der Polizei ist endlich in
§ 361 Ar. 10 StcB. zum Ausgang dieser
Strafbestimmung gemacht worden, wonach
strafbar ist, wer sich der Unterhaltspflicht, ob-
wohl er in der Lage ist, sie erfüllen zu können,
trotz der Aufforderung der zuständigen Be-
hörde derart entzieht, daß durch ihre Ver-
mittelung fremde Hilfe in Anspruch genommen
werden muß. Der Erziehung zur Arbeit und
Wirtschaftlichkeit dient die nach 8 362 StGB.
zulässige nterbringung von Personen, die
wegen Landstreichens, Bettelns usw. bestraft
sind, in ein Arbeitshaus. Diese Maßregel
liegt der Landespolizeibehörde (Regierungs-
präsident) ob, während die eigentliche A. in
Preußen von den Ortspolizeibehörden ver-
waltet wird.
Die Befugnis der Polizei, den zur Hilfe-
leistung verpflichteten Armenverband hierzu
anzuhalten, beschränkt sich auf dringende
Fälle. Sie ist bereits im ALR. I 19 8 15
und auch in dem Erl. vom 1. Febr. 1872
(MBl. 46) anerkannt (OV. 7, 135). Das
polizeiliche Einschreiten erfolgt mittels Erlasses
einer polizeilichen Verfügung an den Armen-
verband des Aufenthalts des Hilfsbedürftigen,
in welcher ihm die Hilfeleistung unter An-
drohung der Ausführung auf seine Kosten
binnen einer bestimmten kurzen Frist aufzu-
geben ist (OVS. 41, 189).
Armenrecht in der Rechtspflege. I. Der
Staat gewährt seinen Rechtsschutz nicht unent-
eltlich, und auch sonst entstehen den Beteiligten
osten aus der von ihnen in Anspruch ge-
nommenen Rechtspflege (z. B. Gebühren eines
Rechtsanwalts). Um einem armen Beteiligten
wegen seines Unvermögens den Bechtsschutz
nicht zu verschließen, besteht die Einrichtung
des A.
II. Hauptanwendungsgebiet des A. ist der
Zivilprozeß. In diesem hat jeder, der außer-
stande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn
und seine Familie notwendigen Unterhalts
die Kosten des Prozesses zu bestreiten, auf
Bewilligung des A. Anspruch, wenn die be-
absichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsver-
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung. "