Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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teidigung nicht mutwillig oder aussichtslos 
erscheint. Ausländer, zu denen vor preuß. 
Gerichten die Eingeborenen der Schutzgebiete 
nicht gehören (Wf. vom 6. çMärz 1902 — Jlll. 
61), haben auf das A. nur insoweit Anspruch, 
als die Gegenseitigkeit verbürgt ist (3P. 
8 114); es sind deswegen mit verschiedenen 
Staaten Abkommen getroffen (Art. 14—16 des 
Abkommens vom 14. NAov. 1896/22. Mai 1897 
— BREl. 1899, 285). Für das A. kommen 
nur physische Personen in Betracht. Durch 
seine Bewilligung, die für jede Instanz be- 
sonders, für die erste Instanz einschließlich 
der Zwangsvollstrechung erfolgt, erlangt die 
Partei 1. die einstweilige Befreiung von der 
Berichtigung der rüchständigen und Rünftig 
erwachsenden Gerichtskosten einschließlich der 
Gebühren der Beamten, der den Zeugen und 
Sachverständigen zu gewährenden Vergütung 
und der sonstigen baren Auslagen sowie der 
Stempelsteuer; 2. die Befreiung von der Sicher- 
heitsleistung für die Prozeßkosten; 3. das 
Recht, daß ihr zur vorläufig unentgeltlichen 
Bewirkung von Zustellungen und von Voll- 
streckungshandlungen ein Gerichtsvollzieher 
und, insoweit eine Vertretung durch Anwälte 
geboten ist, zur vorläufig unentgeltlichen 
Wahrnehmung ihrer Rechte ein Rechtsanwalt 
beigeordnet werde (ZPO. § 115). Einer Partei, 
welcher das A. bewilligt ist, kann auch, in- 
soweit eine Vertretung durch Rechtsanwälte 
nicht geboten ist, zur vorläufig unentgeltlichen 
Wahrnehmung ihrer Rechte von dem Prozeß- 
ericht ein Rechtsanwalt beigeordnet werden 
guesceansgleordn vom 1. Febr. 1878 
34 — BNGhl. 177). Ferner kann, um der 
armen Partei die Durchführung eines Prozesses 
in solchen Fällen zu ermöglichen, in denen, 
wie häufig bei Amtsgerichten, ein Anwalt 
dort nicht zugelassen oder der einzige Anwalt 
bereits Vertreter der Gegenpartei oder aus 
sonstigen Gründen verhindert ist, für die arme 
Partei tätig zu sein, insoweit nicht eine Ver- 
tretung durch Anwälte geboten oder ein An- 
walt gemäß der soeben mitgeteilten Vorschrift 
des § 34 der Rechtsanwaltsordnung beigeordnet 
ist, einer armen Partei, welche nicht im Be- 
zirte des Prozeßgerichts wohnt, zur unent- 
geltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte in der 
mündlichen Verhandlung ein Justizbeamter, 
der nicht als Richter angestellt ist, oder ein 
Rechtskundiger, der die vorgeschriebene erste 
Prüfung für den Justizdienst bestanden hat, 
auf Antrag beigeordnet werden. Die infolge- 
dessen erwachsenden baren Auslagen werden 
von der Staatskasse bestritten und als Ge- 
richtskosten in Ansatz gebracht (ZPO. 8 1160). 
III. Das A. ist bei dem Prozeßgerichte nach- 
zusuchen unter Darlegung des Streitverhält- 
nisses und Angabe der Beweismittel sowie 
unter Beifügung eines — kosten= und stempel- 
freien — Zeugnisses der obrigkeitlichen Be- 
hörde, in welchem das Unvermögen zur Be- 
streitung der Prozeßkosten ausdrüchklich bezeugt 
wird. Obrigkeitliche Behörde ist regelmäßig 
die Ortspolizeibehörde, in den Städten mit khal. 
Polizeiverwaltung die Gemeindebehörde. Für 
Personen, welche unter Vormundschaft oder 
Pflegschaft stehen, kann das Zeugnis auch von 
  
Armenstreitsachen. 
der vormundschaftlichen Behörde ausgestellt wer- 
den (3PO. 8 118; Vf. vom 26. Mai 1887, 4. Dez. 
1895, 11. Okt. 1895 — JMIBl. 1887, 187; 1896, 
4; 1895, 323; MBl. 1895, 223). Das A. kann 
jederzeit entzogen werden, wenn sich ergibt, 
daß eine Voraussetzung der Bewilligung nicht 
vorhanden war oder nicht mehr vorhanden 
ist (—SPO. 8§ 121). Die zum A. zugelassene 
Partei ist zur Nachzahlung der Beträge, von 
deren Berichtigung sie einstweilen befreit war, 
verpflichtet, sobald sie ohne Beeinträchtigung 
des für sie und ihre Familie notwendigen 
Auterhalte dazu imstande ist (ZPO. 8 125 
bs. 1). 
IV. Die Vorschriften der ZP. über das 
A. finden auf das Verfahren vor den Gewerbe- 
und den Kaufmannsgerichten sowie in dem in 
den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts- 
barkeit entsprechende Anwendung (Gewöc. 
8§ 26; Kfm § 16; F. 8 14; Pr FG. 
Art. 1). Dagegen ist im Strafprozesse bei 
dem grundsätzlichen Mangel einer Pflicht zum 
Kostenvorschuß und zur Sicherheitsleistung 
wegen der Prozeßkosten sowie des Anwalts- 
zwangee für das A. an sich kein Raum. 
ur für den Privatkläger hat es Bedeutung, 
da er für die der Staatskasse und dem Be- 
schuldigten voraussichtlich erwachsenden Kosten 
unter denselben Voraussetzungen Sicherheit zu 
leisten hat, unter welchen in bürgerlichen 
Bechtsstreitigkeiten der Kläger auf Verlangen 
des Beklagten Sicherheit wegen der Prozeß= 
kosten zu leisten hat (St PO. 8 419 Abs. 1). 
Uber die Bewilligung des A. an ihn gelten 
dieselben Bestimmungen wie in bürgerlichen 
Rechtsstreitigkeiten Sen. § 419 Abs. 3). 
Auch im Verwaltungsstreitverfahren gibt es 
kein A., sondern nur eine hiervon begrifflich 
verschiedene, erst nach beendetem Streite mög- 
liche Bewilligung Hänzlicher oder teilweiser 
Kostenfreiheit oder Kostenstundung wegen Un- 
vermögens (LVG. § 109). Wegen des A.- im 
Verfahren in Auseinandersetzungsangelegen- 
heiten s. §§ 10, 11 des G. vom 10. Okt. 1899 
(GS. 404). 
Wegen des A. gegenüber den Notaren s. 
diesen Artikel. · 
Armenstreitsachen. I. Streitigkeiten zwi- 
schen verschiedenen Armenverbänden ((s. 
d.; Landarmenverbände und Ortsarmen- 
verbände) über Ansprüche, die infolge einer 
öffentlichen Unterstützung Hilfsbedürftiger ent- 
stehen ((. Erstattungsansprüche), werden in 
allen deutschen Bundesstaaten im Wege des 
Verwaltungsstreitverfahrens entschieden. Dieses 
Verfahren unterliegt der freien Regelung 
durch die Landesgesetzgebung jedes Bundes- 
staates für die Fälle, in denen beide streitende 
Teile demselben Staate angehören. Gehören 
sie verschiedenen Bundesstaaten an, so sind 
gewisse Ao#rmativvorschriften für das Ver- 
fahren durch das UWe. vom 6. Juni 1870 
(BSB. § 360, REGBl. 1894, 255) 88 38 
bis 51 gegeben. In Preußen ist das Ver- 
fahren in beiden Fällen das gleiche, nämlich 
das Verwaltungsstreitverfahren (l. d.) 
nach dem LVE. (§ 157 Nr. 3), mit dem auch 
die §§ 39 u. 40 des UWe. vom 6. Juni 1870 im 
Einklang stehen. Zuständig ist in erster In-
	        
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