Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

116 
(BA#. 2, 113) ist nicht zulässig. Die Berufung 
kann vor der Behändigung (BAb#. 4, 107), 
aber nicht vor Erlaß des Urteils (BA. 12, 
139) angemeldet werden. Die Entscheidung 
darüber, ob die Berufung rechtzeitig ange- 
meldet worden ist, steht nicht dem Bez., 
sondern nur dem Bundesamt zu (B. 32, 
157). Die an sich zulässige Erweiterung des 
Klageantrags durch den Berufungstkläger 
kann nicht auf eine in erster Instanz nicht 
verlangte Ubernahme des Hilfsbedürftigen ge- 
richtet sein (BAp. 27, 165). Die eingegan- 
genen Abschriften der Berufung und ihre 
Rechtfertigung werden von dem BezA. der 
Gegenpartei zur schriftlichen Gegenerklärung, 
die innerhalb vier Wochen nach der Be- 
händigung zu erfolgen hat, zugefertigt. Aach 
Ablauf dieser Frist übersendet der BezA. 
die Berhandlungen dem Bundesamt (UWG. 
§8 47, 48). Erachtet dieses vor Fällung des 
Urteils eine Beweisaufnahme oder sonstige 
Aufklärung für nötig, so erfolgt diese unter 
Vermittelung des BezA. (§ 49). Andernfalls 
werden die Parteien oder ihre Vertreter 
zur mündlichen Verhandlung vor das Bun- 
desamt geladen. Nachdem diese stattgefunden 
hat, ergeht das Urteil, das den Parteien 
durch Vermittlung des Bez. zugestellt wird. 
Ein weiteres Rechtsmittel ist gegen das Urteil 
des S nicht zulässig (UWG. 88§ 50 
bis . 
V. Die Vollstreckung des Urteils er— 
folgt auf Antrag durch den BezA. Auch 
aus einem Anerkenntnisse des in Anspruch 
genommenen Armenverbandes, durch wel- 
ches die Ausweisung eines Hilfsbedürftigen 
gegen Gewährung einer bestimmten Unter- 
stützung durch den zur Ubernahme (s. d.) ver- 
pflichteten Armenverband ausgeschlossen worden 
ist, findet die Zwangsvollstrechung statt 
(AW#. 8 53). Solange ein Verfahren schwebt, 
das den Versuch einer solchen Einigung oder 
den Erlaß einer Anordnung betrifft, wonach 
die Ausweisung zu unterbleiben hat, bleibt 
die Vollstrechbarkeit der Entscheidung der 
ersten Instanz ausgesetzt (UW G. 8§ 57). Im 
übrigen ist die Entscheidung erster Instanz 
sofort vollstreckbar. ird sie durch die einer 
höheren Instanz endgültig aufgehoben, so hat 
die zur Entscheidung in erster Instanz zu- 
ständige Behörde des Armenverbands, der die 
Vollstrechung erwirkt hatte, diese und ihre 
Folgen rüchgängig zu machen (UW. 8 54). 
Die bei der Ausweisung entstehenden Trans- 
portkosten gelten als Teil der Unterstützuns- 
Rkosten (AW#. § 58). Ist ein Armenverband 
laut Bescheinigung der ihm vorgesetzten Be- 
hörde zahlungsunfähig, so hat ihm der Land- 
Brenrervand (. or die zur Erfüllung seiner 
ung erforderliche Beihilfe zu ge- 
währen (UWG. 8 59). hilfe zung 
VI. Zur Vermeidung des Streitverfahrens 
vor dem BezA. kann eine Erledigung der 
Streitigkeiten zwischen preußischen Armen- 
verbänden in einem schiedsrichterlichen 
oder sühneamtlichen Vermittelungs- 
verfahren vor dem KroSt) A. erfolgen. Der 
gütliche Sühneversuch erfolgt auf Antrag 
eines Teils, solange noch keine Klage im 
  
Armenunterstützung. 
Verwaltungsstreitverfahren erhoben worden 
ist, das schiedsrichterliche Verfahren nur auf 
Antrag beider streitenden Teile. Das Ver- 
fahren ist im wesentlichen das gleiche, wie 
in Verwaltungsstreitsachen. Die Entscheidung 
des Kr A. ist endgültig und vollstreckbar (ZG. 
§& 43 Nr. 1; AG. z. UW. vom 8. März 1871 
§§ 60—62). 
VII. Während die Gemeinden in Armen- 
angelegenheiten nach § 8 Mr. 2 des GRG. vom 
25. Juni 1895 (GS. 203) von der Zahlung 
der Gerichtsgebühren befreit sind, steht 
ihnen eine gleiche Befreiung. für das Ver- 
waltungsstreitverfahren in A. nach § 107 
Ar. 5 des LV. in Preußen nicht zu. Da- 
gegen ist nach § 107 Ar. 3 desselben G. ein 
ostenpauschguantum in dem schiedsrichter- 
lichen oder fühneamtlichen Vermittlungsver- 
fahren bei dem Kr A. nicht zu erheben. Ebenso 
erfolgen die Entscheidungen des Bundesamts 
nach § 50 des UWbS. gebührenfrei. Auch 
den Landarmenverbänden steht aus § 107 
Ar. 5 des L. ein Anspruch auf Kosten- 
freiheit im preuß. Verwaltungsstreitverfahren 
nicht zu. 
Trmenunterstützung. I. (Hilfsbedürftig- 
keit.) Jeder Deutsche, der dem Geltungsbereich 
des UW. vom 6. Juni 1870 angehört, ist in 
bezug auf die Art und das Maß der im Falle 
der Hilfsbedürftigkeit zu gewährenden öffent- 
lichen Unterstützung als Inländer zu behan- 
deln. Seine Ausweisung wegen Hilfsbedürf- 
tigkeit nach seinem Heimatstaat gemäß 8 7 
Freizüg G. und gemäß des Gothaer Vertrages 
(l. d.) ist ihm gegenüber unzulässig (§&1 des UW.) 
und nur den Staatsangehörigen Bayerns und 
Elsaß-Lothringens gegenüber noch statthaft. 
In welcher Art und in welchem Maße Unter- 
stützung zu gewähren ist, bestimmt die Gesetz- 
gebung jedes einzelnen Staates (§ 8 des UW.), 
in Preußen das A-G. vom 8. März 1871 
(GS. 130), zu welchem eine MInstr. vom 
10. April 1871 (MBl. 132) erlassen ist. Hier- 
nach ist jedem hilfsbedürftigen Deutschen Ob- 
dach, der unentbehrliche Lebensunterhalt, 
die erforderliche Pflege in Krankheitsfäl- 
len und im Falle seines Ablebens ein ange- 
messenes Begräbnis zu gewähren. Die Unter- 
stützung Rkann geeignetenfalls, solange sie in 
Anspruch genommen wird, mittels Unterbrin- 
gung in einem Armen= oder Krankenhause, 
sowie mittels Anweisung der den Kräften des 
Hilfsbedürftigen entsprechenden Arbeiten außer- 
halb oder innerhalb eines solchen Hauses ge“ 
schehen. Gebühren für geistliche Amtshand- 
lungen sind im Wege der Armenpflege nicht 
zu entrichten (§ 1 des A.). Hilfsbedürftig- 
keit liegt nach der Rechtsprechung des BAH .“ 
der in nachstehendem gefolgt ist, dann vor, 
wenn die betreffende Person weder verfüg- 
bare Geldmittel zur Beschaffung der bezeich- 
neten Bedürfnisse besitzt noch imstande ist, 
sie sich durch Arbeit zu erwerben, noch sie 
von anderer Seite erhält (BAb#. 33, 20). Der 
Besitz von Vermögen schließt die Hilfs- 
bedürftigkheit nicht aus, wenn und solange es 
nicht sofort verwertbar ist, wie z. B. der Besitz 
eines Rleinen hoch verschuldeten Grundstüches, 
von ausstehenden Forderungen, die erst ge-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.