Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Armenunterstützung. 
kündigt und eingezogen werden müssen, von 
geringfügigem, unentbehrlichem Mobiliar oder 
von Vermögensstücken an einem entfernten 
Ort, über die nicht sofort verfügt werden kann 
(BA#. 32, 44), oder von Ansprüchen gegen dritte 
Personen (BA##. 29, 54) oder Kassen, die nicht 
ohne Zinsverlust geltend gemacht werden kön- 
nen oder deren Erfüllung verweigert und nicht 
sogleich erzwungen werden kann (BAb. 25, 66; 
29,148; 31,31). Durch Arbeitsfähigkeit wird 
die Hilfsbedürftigkeit nicht ausgeschlossen, wenn 
jene nur eine beschränkte ist (BAH. 24, 91) und 
zum Erwerb des vollen notdürftigen Unter- 
halts für den Arbeitenden (BAH. 33, 36) und 
seine erwerbsunfähigen, von ihm zu unterhal- 
tenden Familienangehörigen nicht ausreicht, 
oder wenn es an Gelegenheit zu einer den 
Kräften des Betreffenden entsprechenden Tätig- 
keit fehlt (BAp. 15, 50; 29 S. 52, 76; 30, 38), 
oder wenn das Unterstützungsbedürfnis ein 
dringliches ist und die Erzielung von Arbeits- 
verdienst nicht abgewartet werden kann (BAb. 
5, 41; 22, 70). Dagegen schließt die Möglich- 
keit des Erwerbes des Unterhalts die Hilfs- 
bedürftigkeit auch dann aus, wenn die Erwerbs- 
tätigheit ihrer Art nach Beine standesgemäße 
ist. Eine armenrechtliche Hilfsbedürftigkeit ist 
nicht vorhanden, wenn der notdürftige Unter- 
halt im Wege privater oder kRirchlicher Wohl- 
tätigkeit (B#AH. 30, 60) oder durch die Fürsorge 
öffentlicher Behörden (insbesondere Gefangenen 
gegenüber) gewährt wird (BAb#. 25, 104). Sie 
ist aber nicht als beseitigt anzusehen, wenn die 
Wohltätigkeit in der Absicht gewährt wurde, 
dem Hilfsbedürftigen über das Maß des Mot- 
dürftigen hinaus Erleichterungen zu verschaffen 
(Be. 20, 60). Ebensowenig wird sie dadurch 
beseitigt, daß der Hilfsbedürftige sich durch 
Betteln erhält oder geringe Gaben von un- 
vermögenden Verwandten empfängt oder in 
Verpflegungsstationen, Asylen für Obddachlose 
usfw. vorübergehend Hilfe findet, während sein 
hilfsbedürftiger Zustand an sich fortbesteht 
(Ba. 16, 118; 22 S. 136, 138; 23, 139). Die 
Tatsache der Hilfsbedürftig keit genügt 
zur Begründung der Unterstützungspflicht, ohne 
daß es auf ihre Urfache, insbesondere dar- 
auf ankommt, ob sie durch eigenes Verschulden 
es büfsbedürftigen herbeigeführt ist (BAp# 
19, 74; 24, 75). inder sind auch dann ar- 
nenrechtlich hilfsbedürftig, wenn sie auf Grund 
ner Anordnung des Vormundschaftsgerichts 
d GB. § 1666) von ihren Eltern getrennt wer- 
Har müssen und von diesen außerhalb ihres 
bausstandes nicht unterhalten werden können, 
uch kein eigenes Vermögen besitzen und nicht 
r Fürsorgeerziehung (s. d.) genommen 
wirden (BAb. 24, 73; 32, 148). Die armen- 
chtliche Hilfsbedürftigkeit kann dadurch be- 
dergt werden, daß dritte, zur Gewährung 
—— verpflichtete Personen (Eltern, 
geb er, Ehegatten, Dienstherrschaften, Arbeit- 
hhr er, Krankenhassen usw.) veranlaßt werden, 
ßm Verpflichtung zu erfüllen (BA. 20, 69; 
den ies kann gegenüber dem Ehemanne, 
hörn liern und Kindern nach ihrer An- 
ges ung Gemag AG. 8§ 65) durch den KriSt). 
recheden (36. 8 43 Nr. 2). BReine armen- 
che Hilfsbedürftigkeit liegt vor, wenn 
  
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eine andere Behörde mit Rüchsicht auf die 
ihr obliegenden Aufgaben die Fürsorge für den 
Hilfsbedürftigen zu übernehmen hat und diese 
Verpflichtung entweder selbst erfüllt oder die 
Armenverwaltung hiermit beauftragt (BA#.- 
30, 46; 37, 28). Hierbei Kkommen namentlich 
die Polizei und die zur Strafverfolgung oder 
Strafvollstreckung berufenen Behörden in Be- 
tracht. Zweifel darüber, ob Armenpflege ge- 
leistet oder eine polizeiliche Tätigkeit aus- 
geübt worden ist, treten häufig dann auf, wenn 
derselbe Beamte (Bürgermeister) die Polizei- 
verwaltung und die Armenverwaltung leitet. 
Als polizeiliche Handlung und nicht als Armen- 
pflege gilt die Gewährung von Oddach an 
Obdachlose, die nicht mittellos sind, aber sich 
ein Unterkommen selbst nicht zu verschaffen 
vermögen (BA#. 20, 86), oder aus sicherheits- 
polizeilichen Rüchsichten aus ihrer Wohnung 
entfernt werden (BAH. 5, 106); ferner die Auf- 
nahme von Personen in polizeilichen Gewahr- 
sam aus polizeilichen Gründen (BA. 4, 32), 
die Zwangsheilung von Personen, die mit an- 
stechkenden Krankheiten behaftet sind, durch die 
Polizei zur Verhütung der Weiterverbreitung 
der Krankheit (BAH. 20, 103; 28, 77), die poli- 
zeiliche Berwahrung gemeingefährlicher Geistes- 
kranker oder ihre Unterbringung in eine Irren- 
anstalt nicht in ihrem eigenen, sondern lediglich 
im sicherheitspolizeilichen Interesse (BAp.28,70). 
Die Fürforge für einen wegen Krankheit aus 
der Haft entlassenen Gefangenen gilt dann 
nicht als eine armenrechtliche, wenn der Armen- 
verband ihn auf Ersuchen der Staatsanwalt- 
schaft oder des Gerichtes in seine Krankenan-- 
stalt aufgenommen und dort weiter als Ge- 
fangenen behandelt, eine Entlassung aus der 
aft also tatsächlich nicht stattgefunden hat. 
ies wird namentlich auch dann angenommen, 
wenn die Justizbehörde einen erkrankten Ge- 
fangenen dem Armenverbande mit dem Er- 
suchen überwiesen hat, ihn nach seiner Genesung 
wieder in das Gefängnis einzuliefern oder vor 
seiner Entlassung aus dem Krankenhause der 
Justizbehörde rechtzeitig Mitteilung zu machen, 
damit diese ihn wieder in das Gefängnis zu- 
rüchholen könne (B#H. 30, 46). Das gleiche 
gilt bei der Uberweisung eines Geisteskranken 
an eine Irrenanstalt des Armenverbandes durch 
die Justiz= oder Polizeibehörde behufs Fest- 
stellung seiner Zurechnungsfähigkeit. Anderer- 
seits Kann aber auch eine polizelliche Hand- 
lung sich als eine Maßregel der Armenpflege 
darstellen, wenn die Polizeibehörde als Armen- 
polizei (s. d.) auftritt. Aur eine gegenwär- 
tige oder unmittelbar bevorstehende 
Hilfsbedürftigkeit erfordert armenrechtliche 
Hilfe (BAH. 16, 30). Zu den Aufgaben der 
Armenpflege gehören daher nicht die Bezah- 
lung von Schulden des Hilfsbedürftigen, rück- 
ständiger Miete, rückstän diger Pflegegelder, rüch- 
ständiger Kurkosten, die nachträgliche Zahlung 
für den Unterhalt der Vergangenheit, ferner 
nicht Erstattungen an dritte Personen für ihre 
ohne Auftrag und ohne vorgängige Genehmi- 
gung der Armenverwaltung erfolgten Leistun- 
gen an einen Hilfsbedürftigen (BA##. 23, 117 ff. 
23, 94; 33, 99). Armenpflege liegt hier aber 
dann vor, wenn die dritten Personen (nament-
	        
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