Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Armenverbände. 
anderenfalls durch den Kr A. Beschwerden 
gegen Landarmenverbände sind bei der Auf- 
sichtsbehörde des betreffenden Kommunalver= 
bandes anzubringen, sofern sie nicht gegen 
einen nur aus einem Kreise bestehenden Land- 
armenverband gerichtet sind. Im diesem Falle 
unterliegen sie der Entscheidung des BezA. 
Die auf die Beschwerden ergehenden Be- 
schlüsse des Kr A. oder BezA. sind endgültig 
(ZG. § 41). Sie können mithin weder von 
dem Hilfsbedürftigen noch von dem Armen- 
verband angefochten werden. Jedoch kann 
jederzeit ihre Anderung beantragt werden, 
wenn eine Veränderung in den Verhältnissen 
des Hilfsbedürftigen eingetreten ist. 
IV. (Rechtliche Folgen der Unter- 
stützung.) Der Bezug von öffentlicher A. hat 
den Verlust gewisser politischer Rechte 
zur Folge. Das Wahlrecht und die Wählbar- 
keit für den Reichstag steht Personen nicht zu, 
die eine A. aus öffentlichen oder Gemeinde- 
mitteln beziehen oder im letzten der Wahl vor- 
hergegangenen Jahre bezogen haben (Wahlgesetz 
vom 31. Mai 1869 — BEnl. 145 — 8S8 3, 4). 
Ebenso entbehrt des Wahlrechtes für die Wah- 
len zum Abgeordnetenhause, wer aus öffent- 
lichen Mitteln A. erhält (V. vom 30. Mai 1849, 
— G. 205 — § 8). Auch das Bürgerrecht in den 
Städten und das Gemeinderecht in den Land- 
gemeinden wird nach Maßgabe der Städte- 
oder Landgemeindeordnungen von Personen, 
die A. aus öffentlichen Mitteln erhalten, nicht 
erworben und geht verloren, sobald eine solche 
Unterstützung erfolgt (wie z. B. nach §8 5 u. 7 
der StO. vom 30. Mai 1853) oder ruht wäh- 
rend und auch noch eine bestimmte Zeit nach 
Empfang der Unterstützung (wie z. B. nach 
55 41 u. 44 LGO. vom 3. Juli 1891). S. Ge- 
meinderecht. — Personen, die im Wege der 
offentlichen Armenpflege fortlaufende Unter- 
tützung erhalten, müssen von der Gemeinde- 
MWommensteuer freigelassen werden (KA. 
ud (Pflicht der Armenverbände zur 
tenterstützung.) Die Pflicht der Armenver- 
ande zur armenrechtlichen Fürsorge ist ent- 
weder eine nur vorläufige oder eine end- 
ültige. Erstere hängt von der tatsächlichen 
enwesenheit des Hilfsbedürftigen, letztere von 
inem Unterstützungswohnsitz (s. d.)ab. Borläu- 
ig muß jeder Hilfsbedürftige von demjenigen 
rtsarmenverband unterstützt werden, in dessen 
diezirk er sich bei dem Eintritte der Hilfsbe- 
norktiabeit befindet (6 28 des G.), gleichviel 
* urch seine Anwesenheit dort begründet ist 
De . er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 
sobald erpflichtung zur Unterstützung entsteht, 
de die Hilfsbedürftigkeit für die Organe 
trete. ar-menverbandes erkennbar hervorge- 
der n ist. Sie dauert fort bis zur Beendigung 
dem Hilfsbedürftigkeit oder Entfernung aus 
Orga ezirt des Ortsarmenverbandes. Als 
gesege des Ortsarmenverbandes gelten seine 
feine chen Vertreter (Gemeindevorsteher usw.), 
und #n t der Armenpflege betrauten Beamten 
eauftragte (insbesondere auch die Armen-= 
ä 
zrdt Zu ihnen gehören die Polizeibeamten 
pflich emeinden in der Regel nicht. Die Ver- 
tung hat nur die Gewährung der not- 
  
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wendigen Unterstützung (s. o. I u. I) zum 
Gegenstande. Daher muß eine sorgfältige Prü- 
fung der Hilfsbedürftigkeit vorausgehen. Als 
notwendig wird aber eine tatsächlich entbehr- 
liche Unterstützung auch dann angesehen, wenn 
der Armenverband sich hierüber in einem ent- 
schuldbaren Irrtum befunden hat, z. B. wenn 
der angeblich Hilfsbedürftige den Besitz von 
verfügbarem Vermögen (Sparkassenbuch) wahr- 
heitswidrig abgeleugnet hatte und bei der 
Dringlichkeit des Falles Aachforschungen nicht 
möglich gewesen waren (BAb. 17, 74; 26, 90). 
Notwendig ist eine Unterstützung dann nicht, 
wenn und soweit die Hilfsbedürftigkeit durch 
Heranziehung der unterhaltspflichtigen Perso- 
nen (. o. I) zur Gewährung des Unterhaltes 
abgewendet werden kann. Hierzu kann die 
Stellung eines Antrages auf Erlaß eines Be- 
schlusses bei der zuständigen Behörde (Kr., 
St A., ZG. 8§ 43 Ar. 2), eine Aufforderung 
an die Verpflichteten, ihre Vernehmung über 
die Gründe der Unterlassung der Unterhalts- 
gewährung und ihre Verweisung auf die 
Strafvorschrift des St GB. § 361 Mr. 10 (s. Ar- 
menpolizei) dienlich sein (BAH. 17, 131; 
24, 79; 26, 81). 
VI. (Unterstützung von Ausländern.) 
Zur Unterstützung hilfsbedürftiger Ausländer 
ist vorläufig derjenige Ortsarmenverband ver- 
pflichtet, in dessen Bezirk sie sich bei dem Ein- 
tritt der Hilfsbedürftigkeit befinden. Zur Er- 
stattung der Kosten und zur Ubernahme (s. d.) 
ist derjenige Staat des Deutschen Reiches ver- 
pflichtet, welchem jener Ortsarmenverband an- 
gehört. Jeder Staat kann jedoch diese Ber- 
pflichtung auf seine Armenverbände übertragen 
(UW. 8 60). In Preußen wird jeder Aus- 
länder, solange ihm der Aufenthalt im In- 
lande gestattet wird, sowohl in bezug auf die 
Art und das Mlaß der im Falle der Hilfsbe- 
dürftigkeit zu gewährenden Unterstützung als 
auch in bezug auf den Erwerb und Verlust 
des Unterstützungswohnsitzes einem Deutschen 
gleich behandelt (AG. § 64). Als Ausländer gilt 
im Geltungsgebiete des UWG. jeder, der nicht 
die Staatsangehörigkeit in einem zu diesem Gel- 
tungsgebiete gehörigen Staate besitzt, also auch 
bayerische Untertanen und Elsaß-Lothringer 
sowie ehemalige Deutsche (BApH. 11, 131; 12, 
145; 18, 169). Hat ein solcher Ausländer in 
Preußen -einen Unterstützungs wohnsitz erwor- 
ben, so ist er als Landarmer (s. d.) zu behan- 
deln (BAH. 27, 98). Uber die vertrags- 
mäßige Regelung der Unterstützungs= und 
Ubernahmepflicht anderen Staaten gegenüber 
s. Armengesetzgebung. Uber die Erstattung 
gewährter Unterstützungen s. Erstattungsan- 
sprüche der Armenverbände. 
Armenverbände sind die Organe der öffent- 
lichen Armenpflege, denen die Unterstützun 
Hilfsbedürftiger (('. Armenunterstützung " 
nach dem G. (s. Armengesetzgebung) 
obliegt. Gegenüber Ausländern ist nach § 60 
dieses G. der Bundesstaat, in dessen Gebiet 
die Hilfsbedürftigkeit eingetreten ist, Träger 
der endgültigen Unterstützungspflicht, kann 
diese aber im Wege der Landesgesetzgebung 
auf seine A. übertragen, was in Preu 
auch geschehen ist (s. Drmenunterstützung V).
	        
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