Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Ausländische Arbeiter — Auslegung. 
den. Auf dem Gebiete der Invalidenver— 
sicherung sind die A., sofern es sich nicht um 
vorübergehende Dienstleistungen (s. d.) handelt, 
den Inländern gleichfalls gleichgestellt, doch 
unterliegen polnische Arbeiter russischer und 
österreichischer Staatsangehörigkeit, denen der 
Aufenthalt im Inlande nur für eine bestimmte 
Dauer behördlich gestattet ist, und die nach 
Ablauf dieser Zeit in das Ausland zurückkehren 
müssen, der Versicherungspflicht nicht, wenn 
sie in land= und forstwirtschaftlichen Betrieben 
oder in deren A-ebenbetrieben beschäftigt wer- 
den (R#ek. vom 7. März 1901 — 3Bl. 78). 
Die Arbeitgeber dieser A. haben nach Maßgabe 
der Bek. des RVA. vom 31. Alärz 1902 
(A. 18, 380) denjenigen Betrag an die Ver- 
sicherungsanstalt zu zahlen, den sie für die 
Versicherung der A. aus eigenen Mitteln 
würden entrichten müssen, wenn die Ver- 
sicherungspflicht bestände (Inv VG. § 4). A. 
können, wenn sie ihren Wohnsitz im Deut- 
schen Reiche aufgeben, mit dem dreifachen Be- 
trage der Jahresrente abgefunden werden 
(Inv VG. § 26). Bei ausländischen Binnen- 
schiffen gilt als Beschäftigungsort des Perso- 
nals der Sitz der Versicherungsanstalt, in deren 
Bezirk das Schiff bei Uberfahren der Grenze 
zuerst eintritt (Inv BG. § 65 Abf. 4). 
VII. Wegen Ausstellung von Attesten an 
A. s. Atteste. 
Ausländische Arbeiter. Der Mangel an 
einheimischen Arbeitskräften, welcher sich in den 
letzten Jahrzehnten in Preußen wie in ganz 
Deutschland, namentlich in den landwirtschaft- 
lichen Betrieben, immer mehr fühlbar macht, 
hat in immer gesteigertem Maße die Heran- 
ziehung ausländischer Arbeitskräfte zur Folge 
ehabt. Die Leutenot ist besonders groß im 
sten der Monarchie, weil die dort einheimische 
Arbeiterbevölkerung, angelockt. durch die besse- 
ren Löhne der westlichen Provinzen, in immer 
größerem Umfange alljährlich vom Frühjahr 
bis zum Herbst nach dem Westen auf Arbeit 
geht (sog. Sachsengängerei). Den Ersatz dieses 
einheimischen Arbeiterdefizits stellt die slavische, 
insbesondere die polnische Bevölkerung der 
östlichen Nachbarn in Rußland und Galizien, 
welche bei den weniger günstigen Erwerbsver- 
hältnissen im eigenen Lande darauf angewiesen 
ist, ihren Uberschuß auf Verdienst ins Ausland 
zu schichen. Gründe nationaler Art haben es 
erforderlich gemacht, den Zuzug der ausländi- 
schen, im Inlande Arbeit suchenden polnischen 
Arbeiter unter besondere Kontrollvorschriften 
zu stellen, während die übrigen alljährlich 
nach Preußen kommenden ausländischen Sai- 
sonarbeiter (IJtaliener, Flämen, Ruthenen, 
Ungarn usw.) nur der allgemeinen Ausländer- 
kontrolle und den sonstigen allgemeinen poli- 
zeilichen Vorschriften, insbesondere auf dem 
Gebiete der Sanitäts= und Wohnungspolizei, 
unterliegen. Die besonderen, für die pol- 
nischen Arbeiter russischer und österreichischer 
Staatsangehörigkeit erlassenen Kontrollvor- 
schriften verfolgen den Zweck, den Zuzug auf 
das durch die wirtschaftlichen Verhältnisse ge- 
botene Maß zu beschränken und ihn so zu ge- 
stalten, daß eine Seßhaftmachung der Zuziehen- 
den vermieden wird. Unter diesen Gesichts- 
  
155 
punkten sind eine Reihe fremdenpolizeilicher 
Vorschriften erlassen worden, welche im wesent- 
lichen folgendes besagen: 
1. Die ausländischen polnischen Saisonarbei- 
ter dürfen nur in der Zeit vom 1. Febr. 
bis 20. Dez. jeden Jahres beschäftigt werden 
und müssen nach Beendigung der Arbeitszeit 
das Inland wieder verlassen (für die ober- 
schlesische Montanindustrie ist diese sechs wöchent- 
liche Karenzzeit auf das Frühjahr verleg.). 
2. Sie dürfen in den 4 östlichen Grenz- 
provinzen (Ostpreußen, Westpreußen, Posen 
und Schlesien) in der Landwirtschaft und 
deren A-ebenbetrieben, sowie in Hütten- 
werken, Bergwerken und anderen in- 
dustriellen Großbetrieben, in den übrigen 
Landesteilen nur in landwirtschaftlichen Be- 
trieben und deren Nebenbetrieben beschäftigt 
werden. Die Beschäftigung im Gesindedienste 
und im Handwerke ist unzulässig. Familien 
sollen nur ausnahmsweise und nur insoweit 
zugelassen werden, als ihnen Reine schulpflich- 
tigen Kinder angehören. 
3. Wegen der Legitimation der Saison- 
arbeiter besagt der neue deutsch-russische Han- 
delsvertrag vom 28./15. Juli 1904, daß russische 
Arbeiter, welche nach Deutschland kommen, um 
daselbst in landwirtschaftlichen Betrieben oder 
Mebenbetrieben zu arbeiten, kostenfrei mit Le- 
gitimationspapieren gültig vom 1. Febr. bis 
20. Dez. neuen Stils versehen werden sollen, 
welche in russischer und deutscher Sprache ab- 
zufassen sind. Uber die Legitimation der österr. 
Arbeiter sind keine besonderen Bestimmungen 
erlassen. 
4. Arbeitgeber, welche ausländische pol- 
nische Saisonarbeiter beschäftigen, haben diese 
von den übrigen Arbeitern abgesondert unter- 
zubringen und für ihre ärztliche Untersuchung, 
erforderlichenfalls auch für ihre Impfung Sorge 
zu tragen. Wegen der Arbeiterversiche- 
rung s. Ausländer VI. 
Ausländische Behörden s. Behörden- 
korrespondenz. 
Auslandspässe s. Paßwesen und Paß- 
pflicht, sowie Paßstempel. 
Auslegung. I. Eine A. der Staatssteuer- 
listen und -rollen über die Veranlagung der 
Steuerpflichtigen mit Einkommen von mehr als 
900 M. zur Einkommensteuer und über die 
Veranlagung zur Ergänzungssteuer findet 
nicht statt; die Benachrichtigung dieser Steuer- 
pflichtigen über ihre Veranlagung erfolgt durch 
verschlossene Zuschrift (Eink St G. 839; ErgSt G. 
§ 32; AusfAnw. zu diesen Gesetzen Art. 60 ). 
Dagegen wird die Steuerliste über die Ver- 
anlagung der Steuerpflichtigen mit Einkommen 
von nicht mehr als 900 M. zu fingierten Steuer- 
sätzen 14 Tage öffentlich ausgelegt und der 
Beginn der A. in ortsüblicher Weise bekannt- 
gemacht; eine besondere Benachrichtigung über 
diese Beranlagung erhalten die Steuerpflichtigen 
nicht (Eink St G. 8 74, 75 Abs. 3; KG. 8 38; 
AusfAnw. zum EinkStG. u. ErgStG. Art. 60 ID). 
Bei der Gewerbesteuer erfolgt sowohl be— 
sondere Benachrichtigung der Steuerpflichtigen 
als auch A. der Gewerbesteuerrollen, letztere 
während einer Woche im Alonat April; 
und Zeit der A. sind eine Woche vor ihrem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.