Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Abgeordnetenhaus. 7 
gange nicht erreicht, so erfolgt eine engere 
ahl 
In gleicher Weise erfolgt die Wahl der 
Abgeordneten durch die Wahlmänner, wo- 
bei zu bemerken ist, daß nach dem Wahlregle- 
ment vom 14. MAlärz 1903 zur Vereinfachung 
der Wahlen, insbesondere in den volksreicheren 
Wahlbezirken, bei der Wahl mehrerer Ab- 
geordneter sogleich die Namen für alle zu 
wählenden Abgeordneten zu nennen sind. „Auch 
hat, was ebenso für die Wahlmännerwahlen 
gilt, eine weitere wesentliche Vereinfachung 
dadurch stattgefunden, daß bei engeren Wahlen 
grundsätzlich, mit Ausnahme des im Regl. § 17 
Abs. 3 gedachten Falles, nur zwei Wahlgänge 
stattfinden sollen. Aach dem neuerdings vor- 
gelegten Gesetzentwurf (s. zu l) sollen weitere 
ereinfachungen insbesondere dadurch herbei- 
geführt werden, daß in Gemeinden mit min- 
destens 50000 Seelen (Zivilbevölkerung) bei 
der Wahl der Wahlmänner an Stelle der Ab- 
stimmung in gemeinschaftlicher Versammlung 
der Urwähler (Terminswahl) die Abstimmung 
in einer nach Anfangs= und Endtermin fort- 
zusetzenden Abstimmungsfrist (Fristwahl) statt- 
findet, und daß ferner der Md J. in Wahl- 
bezirken, in denen die Zahl der Wahlmänner 
mehr als 600 beträgt, für die Wahl der Ab- 
geordneten Abstimmungsgruppen bilden oder 
die Fristwahl anordnen kann. 
Die Bildung der Urwahlbezirke, die Auf- 
stellung der Wahllisten (Urwählerliste und 
Abteilungsliste), die Feststellung der Abteilungs- 
liste, die Ernennung der Wahlvorsteher und 
ihrer Stellvertreter, die Bestimmung des Wahl- 
lokales und des Lokales zur Auslegung der 
Wahllisten Cehrt in den Gemeinden mit 1750 
und mehr Seelen der Gemeindeverwaltungs- 
behörde, im übrigen — mit Ausschluß jedoch der 
Aufstellung der Urwählerlisten und Abteilungs- 
listen in den einen eigenen Urwahlbezirk bil- 
denden Gemeinden und Gutsbezirken, welche 
den Gemeinde= und Gutsvorständen obliegt — 
dem Landrate, in Hohenzollern dem Oberamt- 
mann zu. Uber Einsprüche gegen die vorschrifts- 
mäßig anzulegenden Wahllisten hat in den 
Städten der Gemeindevorstand, auf dem Lande 
der Landrat (Oberamtmann) zu entscheiden. Für 
die Abgeordnetenwahlen wird von dem 
Regierungspräsidenten (in Berlin von dem 
Oberpräsidenten) für jeden Wahlbezirk ein 
Wahlkommissar ernannt, unter dessen Leitung 
die Wahlen auf Grund eines von ihm auf- 
zustellenden Wahlmännerverzeichnisses statt- 
finden. Der Wahlkommissar hat die Wahl- 
männerwahlen einer Prüfung zu unterziehen. 
Ergeben sich hierbei Bedenken, so hat der 
Wahlko0mmissar dieselben vor der Wahl der 
Wahlmännerversammlung vorzutragen, welche 
über die Gültigkeit der Wahlen beschließt. 
Wahlmänner, deren Wahlen für ungültig er- 
achtet worden sind, werden von dem Wahl- 
akte ausgeschlossen (V. vom 30. Mai 1849 
5—7, 14—27; Regl. vom 14. März 1903 
§§ 1, 3—30). 
Der Termin für die allgemeinen 
Wahlmännerwahlen und die Abgeord- 
netenwahlen wird von dem Minister des #88 
Innern bestimmt (V. vom 30. Mai 1849 88 17 
  
u. 28), für Ersatzwahlen während der Legis- 
laturperiode von dem Pegierungeprästdenten 
bzw. dem Oberpräsidenten von Berlin, wobei 
für den Fall, daß seit der letzten Abgeord- 
netenwahl bereits ein Jahr verstrichen ist, den 
Wahlmännerersatzwahlen neue Wahllisten zu- 
runde zu legen sind (Regl. vom. 14. März 1903 
95 20, 21). 
IV. Das aktive Wahlrecht als Ur- 
wähler und bzw. Wahlmann (s. unter IID 
steht nach § 8 der V. vom 30. Mai 1849, welche 
von dem nicht in Kraft getretenen Art. 70 Vl. 
vom 31. Jan. 1850 nicht unwesentlich abweicht, 
jedem Preußen, welcher das 24. Lebenssahr 
vollendet und nicht den Vollbesitz der bürger- 
lichen Rechte infolge rechtskräftigen Erkennt- 
nisses verloren hat, in der Gemeinde zu, worin 
er seit sechs Monaten seinen Wohnsitz oder 
Aufenthalt hat, sofern er nicht aus öffentlichen 
Mitteln Armenunterstützung erhält. Das Wahl- 
recht ruht gemäß RWMilGS. vom 2. Mai 1874 
§ 49 (Röl. 45) für die zum aktiven Heere 
gehörigen Militärpersonen mit Ausnahme der 
U-ilitärbeamten. Die Ausübung eines mehr- 
fachen Wahlrechts bei doppeltem Wohnsitz ist 
unzulässig (ogl. VU. Art. 70 Abs. 2). In bezug 
auf die auch in dem oktroyierten Wahlgesetz 
vom 6. Dez. 1848 (s. unter Verfassung l) 
behandelte Selbständigkeit hat die St MBek. 
vom 19. Dez. 1848 (MhBl. 361) sich dahin 
ausgesprochen, daß, solange der Begriff der 
Selbständigkeit nicht gesetzlich festgestellt ist, 
niemand von der Teilnahme an den Wahlen 
ausgeschlossen werden darf, der die sonstigen 
Bedingungen des aktiven Wahlrechts erfüllt 
und von dem nicht feststeht, daß er sich zur 
Zeit der Wahl nicht in der Lage befindet, 
über seine Person und sein Eigentum zu ver- 
fügen. 
Das passive Wahlrecht als Abgeord- 
neter ist in der V. vom 30. Mai 1849 8 29 
(Vl. Art. 74 ist nicht in Kraft getreten) dahin 
bestimmt, daß jeder Preuße wählbar ist, der 
das dreißigste Lebensjahr vollendet, den Voll- 
besitz der bürgerlichen Rechte infolge rechts- 
kräftigen, richterlichen Erkenntnisses nicht ver- 
loren und bereits ein Jahr dem prenuß. 
Staatsverbande angehört hat, wobei das Er- 
fordernis eines Jahres nach Inkrafttreten 
A. Art. 3 nur für solche Personen gilt, die 
eine außerdeutsche Staatsangehörigkeit be- 
sessen haben. Der Präsident und die Mit- 
glieder der Oberrechnungskammer dürfen nach 
dem G. vom 27. AMärz 1872 (GS. 277) weder 
dem A. noch dem Herrenhause angehören. 
Auch kann niemand Miitglied beider Häuser 
sein (VUI. Art. 78). Der Verlust des Abge- 
ordnetenmandates tritt während des Laufes 
der Legislaturperiode außer durch freiwilligen 
Verzicht (Mandatsniederlegung) durch den Ver- 
lust der gesetzlichen Voraussetzungen für die 
Wählbarkeit — Verlust der preuß. Staats- 
angehörigkeit, des Vollbesitzes der bürgerlichen 
Rechte durch rechtskräftiges richterliches Er- 
kenntnis, auch Verurteilung wegen Hochver- 
rat, Landesverrat und Mojestätsbeleidigung 
mit Entziehung der politischen Rechte (St GS. 
81, 83, 87—90, 95) — auch dann ein, wenn ein 
Abgeordneter ein besoldetes Staatsamt an-
	        
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