Austritt aus der jüdischen Religionsgemeinschaft — Auswanderungswesen.
einer Kirche, d. h. einer der Hrivilegierten christ-
lichen Kirchen und den mit Korporationsrechten
versehenen Religionsgesellschaften, und verlangt
eine Erklärung des Austretenden in Person
vor dem Richter seines Wohnorts (§ 1). Der
Austretende muß das zur Selbstbestimmung in
kirchlichen Sachen erforderliche Alter erreicht
haben. Dasselbe ist im Gebiete des ALV#il.
das vollendete 14. Lebensjahr (ALR. II, 11
§ 40; U, 2 § 83; RG. vom 26. Okt. 1903 —
RGJ. 27, 19), ebenso in Hannover (V. vom
31. Juli 1826 — Hann . I, 174), Nassau
(V. vom 22./26. März 1808 — v. Bremen, Preuß.
Volsksschule, 1905, S. 595), das Konfirmations-
alter in Schleswig-Holstein (Konsistorial Bek.
vom 15. April 1874 — Kirchl. Anl. 21), Frank-
furt a. M. (V. vom 5. Sept. 1811 — v. Bremen
a. a. O.), das 18. Lebensjahr in Kurhessen (G.
vom 23. Okt. 1848 § 4 — KurhesseEb S. 133); das
21. Lebensjahr in den ehemals bayr. Gebiets-
teilen (Edikt vom 21. Mai 1818 8 5). Nach den
Motiven zur Regierungsvorlage soll der A.
des Baters aus der Kirche auch für die-
senigen Kinder wirksam sein, die zu dieser Zeit
noch „Rirchlich unselbständig waren“ (so auch
die zitierte Hann V. § 4 und die Kurhess V.
vom 13. April 1853 § 4 — Kurhessch S. 33).
Der A. der Mutter nach dem Tode des Vaters
hat nicht diese Wirkung (s. 8G. vom 1. Juli
1901 — f I. 22, 225; a. A.: Appellgericht
Kiel — Kirchl. ABl. 1874, 19; 1878, 13). Rüch-
sichtlich des Ubertritts von einer Kirche zur
andern bleibt es bei dem bestehenden Recht
1 Abs. 2 des G.); im Gebiet des ALR. U, 11
98 41, 42 geschieht er durch ausdrückliche Er-
klärung oder durch Teilnahme an den beson-
deren Religionshandlungen der andern Partei.
Das zitierte Kurhess G. ⅛ 4 verlangt „Anzeige
bei dem Pfarrer". Im schlesw.holst. Recht
sind bestimmte Formalitäten nicht vorgeschrie-
ben (Konsistorialschreiben vom 17. Okt. 1879 —
Chalybäus Samml. 1902 S. 201). Zur Be-
freiung von den Lasten des bisherigen Ver-
bandes ist aber die gesetzliche Form notwendig
(§ 1 Abs. 3 des G.). Der Aufnahme der Aus-
trittserklärung muß ein Antrag vorangehen,
der von dem Richter dem Vorstande der
Kirchengemeinde mitzuteilen ist. Die Aufnahme
der Austrittserklärung findet frühestens vier
Wochen, spätestens sechs Wochen nach Ein-
gang des Antrages statt (65 2 des G.). Der
Austretende wird von den auf der perfön-
lichen Kirchengemeindeangehörigkeit beruhen-
den Lasten mit dem Schluß des auf die Aus-
trittserklärung folgenden Kalenderjahres befreit
E 3 des G.). Zu den Kosten eines außer-
ordentlichen Baues, dessen Notwendigkeit vor
Ablauf des Erklärungsjahres festgestellt ist,
trägt er noch bis zum Ablaufe des zweiten
Kalenderjahres bei (§ 3 Abs. 2 des G.). Zur
Ausführung des Gesetzes ist die JMInstr. vom
13. Juni 1873 (JM Vl. 183) ergangen.
Austritt aus der jüdischen Religionsge-
meinschaft s. Synagogengemeinden.
Ausverkäufe. Die Abhaltung von A. ist
gesetzlich bisher nicht geregelt. Auf Grund
des G. zur Behämpfung des unlauteren Wett-
gewerbs vom 27. Mai 1896 (Rl. 145) — . Un-
auterer Wettbewerb — kann gegen A-.
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung.
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strafrechtlich vorgegangen werden, wenn über
den Anlaß oder den Zweck des A. unrichtige
Angaben tatsächlicher Art gemacht werden. Ein
solcher Fall liegt vor, wenn Waren, die der Ver-
fügung des Konkursverwalters nicht mehr unter-
stehen, als Konkurswaren ausverkauft werden
(RS. vom 10. Wärz 1902 — Goltdammers Arch.
49, 135) oder wenn ein Ausverkauf von Waren-
beständen, die bei einem Brandunglück durch
Feuer oder Wasser beschädigt worden oder un-
beschädigt geblieben sind, zu enorm billigen
Preisen angekündigt wird und tatsächlich zu-
gleich und vermengt mit diesen Waren Waren
aus einem andern Lager zu gewöhnlichen oder
gar erhöhten Preisen verkauft werden (RSt.
34, 163). Bei einem A. ist der Nachschub ein-
zelner Waren in geringem Umfange zulässig,
wenn der Verkäufer an der Acbsicht festhält,
durch den Verkauf die Beendigung seines Ge-
schäfts herbeizuführen (R#t. 30, 256). Da-
gegen ist mit der Ankündigung eines Total-
ausverkaufs, wodurch ein vorhandenes Waren-
lager in tunlichst kurzer Zeit geräumt werden
soll, der Aachschub großer Warenmengen nicht
vereinbar (Rt. 37, 359).
Auswandererschiffe sind nach § 37 des
Auswanderungsgesetzes vom 9. Juni 1897
(R#l. 463) alle nach außereuropäischen Häfen
bestimmte Seeschiffe, mit welchen, abgesehen
von den Kajütspassagieren, mindestens 25 Bei-
sende befördert werden sollen. Im Interesse
einer sicheren Beförderung der Auswanderer
hat das genannte Gesetz den Auswanderungs-
unternehmern in bezug auf die A. bestimmte Ver-
pflichtungen auferlegt, welche der Bundesrat
durch die AusfBek. vom 14. März 1898 (Rol.
57) nebst Abänderungen vom 29. Febr. 1904
(Rö#l. 136) und 20. Dez. 1905 (Röl. 779)
geregelt hat. In diesen Vorschriften werden
sehr eingehende Anordnungen getroffen über
die Beschaffenheit, Einrichtung und Ausrüstung
der Schiffe, über die Beköstigung, Bedienung
und Krankenbehandlung der Auswanderer,
über die Sicherheits= und Rettungsvorschriften,
über die ärztliche Untersuchung der Reisenden
und der Schiffsbesatzung, über die Besichtigung
der Schiffe und die Einschiffung der Auswan-
derer, sowie endlich über die Behandlung und
Versorgung der Auswanderer während der
ahrt.
F Auswanderungswesen. I. Die Staatsraison
des 17. Jahrh. ging in Deutschland nach den
Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges
dahin, das Anwachsen der Bevölkerungszahl
nach Möglichkeit zu fördern. Diese Bevölhke=
rungspolitik äußerte sich in der Weise, daß die
Einwanderung aus dem Auslande und die
Ansetzung ausländischer Kolonisten und Ge-
werbetreibender möglichst erleichtert und unter-
stützt, der einheimischen Bevölkerung dagegen
die Auswanderung nach Möglichkeit erschwert
wurde. Leibeigene und Hörige durften ihr
Gut, also auch das Land, nur mit Erlaubnis
der Herrschaft verlassen, aber auch in bezug
auf die Personen freien Standes wurde „ge-
meinschädlichen“ Auswanderungen durch Ver-
bote entgegengetreten. Bei erlaubten Auswan-
derungen mußte der Auswanderer besondere
Abgaben — Abzugs-, Abfahrtsgeld (s. d.) — ent-
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