Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Auswanderungswesen. 
der Erlaubnis des Reichskanzlers unter Zu— 
stimmung des Bundesrats (Z8 1, 2). Dieselbe 
wird in der Regel nur an Reichsangehörige, 
an ausländische Personen oder Gesellschaften 
aber nur unter besonderen Bedingungen erteilt, 
welche die ordnungsmäßige Geschäftsführung 
garantieren sollen (§§ 3, 4). Die Unternehmer 
haben eine Sicherheit von mindestens 50000 M. 
zu bestellen und im Falle beabsichtigter über- 
seeischer Beförderung den Aachweis zu führen, 
daß sie Reeder sind (6§ 5). Die Konzessions- 
erteilung ist in das Ermessen der Behörden 
gestellt, einen Anspruch darauf haben weder 
Reichsangehörige noch Ausländer. Gegen- 
wärtig sind elf Unternehmer konzessioniert, 
und zwar sechs deutsche und fünf auswärtige. 
Die hauptsächlichsten deutschen Unternehmer 
sind der Norddeutsche Lloyd zu Bremen, die 
Hamburg-Amerika-Linie zu Hamburg und die 
Firma F. Mißler zu Bremen. Die Erlaubnis 
ist mur für bestimmte Länder, Teile von solchen 
oder bestimmte Orte und im Falle überseeischer 
Beförderung nur für bestimmte Einschiffungs- 
häfen zu erteilen (§ 6). Von den elf kon- 
zessionierten Unternehmern dürfen die deutschen 
Unternehmer nach dem Inhalte der Konzessions- 
urkunden übereinstimmend — mit nur geringen 
Abweichungen — Auswanderer befördern nach 
Nordamerika, bestimmten Teilen von Süd- 
amerika, Afrika, Australien und nach Groß= 
britannien, während die ausländischen Unter- 
nehmer nur nach den Vereinigten Staaten von 
Nordamerika befördern dürfen. Die Erlaub- 
nis berechtigt den Unternehmer zum Geschäfts- 
betriebe im ganzen Reichsgebiet, jedoch muß er 
sich dabei außerhalb des Gemeindebezirkes 
seiner gewerblichen Aiederlassung der Vermitt- 
lung seiner Agenten (§ 11) bedienen (§ 8). Die 
dem Unternehmer erteilte Erlaubnis kann 
unter Zustimmung des Bundesrats vom Reichs- 
kanzler jederzeit beschränkt oder widerrufen 
werden (§ 10). 
b) Wer bei der Beförderung von Auswan- 
derern durch Vorbereitung, Vermittlung oder 
Abschluß des Beförderungsvertrags mitwirken 
will (Agent), bedarf hierzu einer von der 
dböheren Verwaltungsbehörde (in Preußen Re- 
Verungspräsidenten bzw. Polizeipräsident in 
Derlin) zu erteilenden Erlaubnis (88 11, 12). 
ie Erlaubnts darf nur an Reichsangehörige 
reteilt werden, welche in dem Bezirke der 
onzessionierenden Behörde ihre gewerbliche 
eitederlassung oder Wohnsitz haben und von 
maeem konzessionierten Unternehmer bevoll- 
urchtigt sind. Die Erlaubnis darf nicht er- 
sünn werden bei Unzuverlässigkeit des Mach- 
guchenden und wenn das Bedürfnis an Agenten 
dden betreffenden Verwaltungsbezirke schon 
Rrdecht ist 6 13). Der Agent hat eine Sicher- 
Er r mindestens 1500 M. zu stellen (§ 14). 
kon arf in der Regel nur in dem Bezirke der 
u zessionterenden Behörde Geschäfte betreiben 
urhunsschließlich für den in der Erlaubnis- 
7 nde benannten Unternehmer (§8 15, 10). 
widerlaubnis kann jederzeit beschränkt oder 
rmieesi werden (8 18). 
Agente## Sicherheiten der Unternehmer und 
beir! ern haften für alle durch den Geschäfts- 
den Behörden und den Auswanderern 
  
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gegenüber begründeten Verbindlichkeiten, so- 
wie für Geldstrafen und KRosten (§ 20). Die 
dem Bundesrat vorbehaltenen näheren Be- 
stimmungen über den Geschäftsbetrieb der 
Unternehmer und Agenten und deren 
Beaussichtigung namentlich hinsichtlich der 
Bücher und Listenführung, sowie hinsichtlich 
der Sicherheitsbestellung (§ 21) sind in der 
Bek. vom 14. Müärz 1898 (Rl. 39 ff.) er- 
lassen worden. Die Genehmigungen zum 
Gewerbebetriebe der Auswanderungsunter- 
nehmer und agenten unterliegen einer Stem- 
pelsteuer von 100 M., bei Beschränkung auf 
die Dauer eines Jahres 25 M. (LStG. TöSt. 22j). 
d) Der Unternehmer darf Auswanderer nur 
befördern auf Grund eines vorher abgeschlossenen 
schriftlichen Vertrages. Den Auswan- 
derern darf nicht die Verpflichtung auferlegt 
werden, den Beförderungspreis oder einen Teil 
desselben oder ihnen geleistete Vorschüsse nach 
ihrer Ankunft am Bestimmungsorte zu zahlen 
oder zurückzuerstatten oder durch Arbeit ab- 
uverdienen; ebensowenig dürfen sie in der 
ahl ihres Aufenthaltsortes oder ihrer Be- 
schäftigung im Bestimmungslande beschränkt 
werden (§ 22). Verboten ist die Beförderung 
sowie der Abschluß von Verträgen über die 
Beförderung: a. von Wehrpflichtigen im Alter 
vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 
25. Lebensjahre, bevor sie eine Entlassungs- 
urkunde oder ein Zeugnis der Ersatzkommission 
darüber beigebracht haben, daß ihrer Aus- 
wanderung aus dem Grunde der Wehrpflicht 
kein Hindernis entgegensteht; J. von Personen, 
deren Verhaftung oder Festnahme von einer 
Gerichts= oder Polizeibehörde angeordnet ist; 
7. von Reichsangehörigen, für welche von 
fremden Regierungen oder von Rolonisations-= 
gesellschaften oder ähnlichen Unternehmungen 
der Beförderungspreis ganz oder teilweise be- 
ahlt wird, oder Vorschüsse geleistet werden. 
usnahmen hönnen vom Reichskanzler zu- 
gelassen werden (§ 23). Verbotswidrige Aus- 
wanderungen hönnen polizeilich verhindert 
werden (§ 24). 
e) Für die überseeische Beförderung, 
während welcher die Auswanderer ihre Person 
und ihre Habe für längere Zeit einem See- 
schiffe anvertrauen müssen und in ihrem Wohl- 
ergehen vollständig von der Einrichtung und 
Führung des Schiffes abhängig sind, sind be- 
londere Schutzvorschriften erlassen, welche den 
uswanderern einerseits eine pünktliche Be- 
förderung nach dem Bestimmungsorte, anderer- 
seits eine angemessene Unterkunft und Ver- 
pflegung während der Reise sichern. Hierhin 
gehören die Bestimmungen über die Verpflich- 
tung der Unternehmer, überseeische Auswan- 
derer bis zur Landung in dem Bestimmungs- 
hafen zu befördern (§ 25), ferner das Verbot 
des Verkaufes von Fahrscheinen über den Be- 
stimmungsort hinaus (§ 20), sowie die Ver- 
pflichtung des Unternehmers, die Auswanderer 
wegen Verzögerung der Beförderung oder bei 
gerechtfertigtem Richtantritt der Reise schadlos 
zu halten (§8 27—30). Vereinbarungen, welche 
diesen Bestimmungen zuwiderlaufen, sind rechts- 
ungültig (8 31). Der Unternehmer kann zu 
einer Sicherstellung der genannten Ansprüche 
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