Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

194 
stücksfläche, welcher nach der Bauordnung mit 
Baulichkeiten besetzt werden darf, ist zumeist 
sehr erheblich — in den Vororten von Berlin 
auf drei Zehntel der Gesamtgrundstüchsfläche — 
eingeschränkt (bezüglich der Rechtsgültigkeit 
ogl. Pr VBl. 10, 510). Die Landhäuser selbst 
dürfen gewöhnlich — abgesehen von einer in 
beschränktem Umfange zugelassenen Ausnutzung 
des Dach= und Kellergeschosses zu Wohn- 
zwechen — nur zwei volle zum dauernden 
Aufenthalt von Menschen bestimmte Geschosse 
erhalten. In einzelnen Bauordnungen ist der 
Grundsatz, für die Landhausbaugebiete den 
Bauwich obligatorisch zu machen, durchbrochen 
und die Errichtung von sog. Doppelhäusern 
und Gebäudegruppen an Straßenecken, d. h. 
der unmittelbare Anbau zweier Nachbarhäuser 
bzw. der unmittelbare Anbau je eines Hauses 
an ein Eckhaus (an jeder Straße) bei Ein- 
schränkung der Gesamtlänge der zusammen- 
gebauten Häuser gestattet worden. Die Doppel- 
häuser und Gebäudegruppen haben gegen die 
Nachbargrundstücke den sonst vorgeschriebenen 
Bauwich zu halten. — Die BRechtsgültigkeit 
von Baupolizeiverordnungen, welche einzelne 
Bezirke für die landhausmäßige Bebauung 
bestimmen, ist in O. 26, 327 anerkannt. — 
Eine Polizeiverordnung, welche vorschreibt, 
daß in einem bestimmten Bezirk nur „Wohn- 
häuser“ errichtet werden dürfen, ist ungültig 
(OV. 37, 401). — Polizeiverordnungen, nach 
welchen in bestimmten Bezirken Reine „ge- 
werblichen“ Anlagen hergestellt und betrieben 
werden dürfen, verstoßen gegen das Prinzip 
der Gewerbefreiheit (HewO. § 1) und sind 
deshalb rechtsungültig (KG J. 23 C 13; O# . 
41, 322; 42, 362). — Rechtsgültigkeit einer 
Polizeiverwaltung, welche den Bauwich obli- 
gatorisch macht s. OV. 23, 851. — Das Ver- 
bot, im Gebiete der landhausmäßigen Be- 
bauung Hinterhäuser zu errichten, verfolgt den 
Zweck, Licht= und Luftzuführung sicherzustellen, 
und ist rechtsgültig (OB. 41, 360). 
Bauwich s. Bauweise I. 
Bauzustand. I. Unterhaltung und Wie- 
derherstellung vorhandener Bauten. 
Aach ALR. I1, 8 § 37 ist der Eigentümer ver- 
pflichtet, seine Gebäude, soweit es zur Erhal- 
tung der Substanz und zur Verhütung alles 
Schadens und Nachteils für das Publikum 
notwendig ist, in baulichem Zustande zu unter- 
halten. Für die Berechtigung des hiernach zu- 
lässigen polizeilichen Einschreitens ist es gleich- 
gültig, durch wen der den polizeilichen Inter- 
essen zuwiderlaufende bauliche Zustand herbei- 
geführt ist, ob durch den Eigentümer, einen 
ritten oder den Zufall (O. 7, 351; 8, 330; 
10, 180; 13, 326; 16, 393; 18, 414; 30, 213; 
36, 400; Pr BBl. 8, 113; 10, 80; 16, 186). Die 
polizeilliche Verfügung ist zwechmäßig in 
erster Linie gegen den Eigentümer zu richten 
(Pr Wl. 20, 322), kann indessen auch gegen 
den Urheber des polizeiwidrigen Zustandes, 
9 B. auch gegen den Mietek, erlassen werden 
OVE. 3, 340; 11, 234; Pr VBl. 13, 351). Ein 
polizeiliches Einschreiten gegen den unbeteilig 
ten Nachbar ist nur beim Vorhandensein eines 
Aotltandes zulässig (OV. 12, 306; 21, 416; 
  
Bauwich — Beamte (allgemein). 
II. Der Hauseigentümer, vor dessen Grund- 
stück die Straße aufgehöht wird, kann von 
der Polizeibehörde angehalten werden, die aus 
Anlaß der Erhöhung des Straßenplanums an 
seinem Hause notwendigen baulichen Abände- 
rungen, z. B. die Erhöhung der Wände der 
Kellerschächte, selbst vorzunehmen. Ob und in- 
wieweit ihm ein Anspruch auf Erstattung der 
ihm durch die baulichen Maßnahmen entstan- 
denen Kosten zusteht, entscheiden die ordent- 
lichen Gerichte. 
III. Droht der Einsturz eines Gebäudes, so 
eben (mangels besonderer Vorschriften in den 
Baupolizeiverordnungen) die Vorschriften im 
AR. 1I, 8 9§ 38, 39 die Grundlage für ein (nöti- 
genfalls durch die Anwendung der Zwangs- 
mittel unterstütztes) polizeiliches Einschreiten. 
Beamte (allgemein). I. Die Vll. vom 
31. Jan. 1850 hat in den Art. 87, 88, 90 die 
wesentlichen Grundzüge des Rechtsverhältnisses 
der richterlichen B. aufgestellt und im Art. 98 
bestimmt, daß die besonderen Rechtsverhält- 
nisse der nicht zum Richterstande gehörigen 
Staatsbeamten durch ein Gesetz geregelt wer- 
den sollte, welches, ohne die Regierung in der 
Wahl der ausführenden Organe zwechwidrig 
zu beschränken, den Staatsbeamten gegen will- 
kürliche Entziehung von Amt und Einkommen 
angemessenen Schutz gewährt. Das hier in Aus- 
sicht gestellte „Staatsdienergesetz“ ist bisher in 
Preußen noch nicht ergangen. Die Gesetzgebung 
hat sich vielmehr auf die Regelung einzelner 
Punkte des Beamtenrechts beschränkt, so ins- 
besondere auf den Erlaß von Gesetzen über 
die Disziplinarverhältnisse, das Pensionswesen, 
die Witwen= und Waisenversorgung usw. In- 
folgedessen bildet auch heute noch der 10. Titel 
des II. Teils des ALR. die wesentliche Grund- 
lage der preuß. Beamtengesetzgebung. Aber 
weder die dort gegebenen Vorschriften noch die 
später erlassenen einschlägigen Gesetze enthalten 
eine Definition des Begriffs Beamter. Sie setzen 
diesen Begriff vielmehr als bekannt voraus 
und geben meistens nur die Merkmale an, 
die bei jsemandem vorhanden sein müssen, um 
ihn zu einem B. in ihrem Sinne zu machen 
und als solchen ihren Bestimmungen zu un- 
terwerfen (ogl. z. B. G., betreffend die Kautio- 
nen der Bundesbeamten, vom 2. Juni 1869 — 
BGBl. 161 — § 1; RB. vom 31. März 1873 
— -Rs—l. 61 — § 1; StöB. 8 359). Um 
den allgemeinen Begriff des B. festzustellen, 
muß man deshalb auf die Lehren der Staats- 
rechtswissenschaft, auf die Rechtsprechung sowie 
auf die Reichs= bzw. Bundesstaatsdiener-Prag- 
matik zurückhgehen. Danach kann im allge- 
meinen derjenige als B. bezeichnet werden, 
dem mittels Anstellung von seiten des Staats- 
oberhauptes oder dessen verfassungsmäßig hier- 
zu berufenen Organen unter Begründung eines 
die besondere Pflicht zur Treue und zum Ge- 
horsam gegen die Staatsgewalt und deren 
Organe einschließenden Dienstverhältnisses die 
Ausübung staatlicher Funktionen übertragen 
worden ist. Die Wahrnehmung staatlicher 
Funktionen, d. h. solcher Funktionen, die zur 
Erfüllung staatlicher Aufgaben dienen oder in 
unmittelbarer Beziehung zu den Aufgaben des 
Staates stehen, die Anstellung und das durch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.