Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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20000 M. auf ein Leben prämienfrei. Der 
Sitz der Direktion befindet sich in Hannover. 
Beanstandungenbeikommunalbeschlüs- 
sen. I. Begriff. Die innerhalb des Staates 
bestehenden Kommunalverbände sind als selb- 
ständige Träger der ihnen in dieser Eigenschaft 
gesetzlich zugewiesenen Rechte und Pflichten 
in sich abgeschlossene Rechtspersönlichkeiten, 
deren Individualität auch von dem Staate 
zu achten ist. Sie sind aber gleichzeitig Glie- 
der des einheitlichen Staatsorganismus, ihre 
Angehörigen stehen an erster Stelle inner- 
halb der Staatsgemeinschaft. Dem Staate 
liegt daher nicht nur die Aufgabe ob, ihre Ent- 
wickhlung zu fördern und zu unterstützen, er 
muß auch dafür Sorge tragen, daß ihre Ver- 
waltung im Einklange mit den bestehenden 
Gesetzen geführt und fortdauernd in geord- 
netem Gange erhalten wird. Die Summe der 
sich hieraus für den Staat nach Maßgabe der 
Gesetze ergebenden Befugnisse stellt das staat- 
liche Aufsichtsrecht dar (s. Aufsicht). Zu die- 
sen Befugnissen zählt das Vetorecht gegenüber 
solchen Beschlüssen der kommunalen Behörden 
und Käörperschaften, welche sich nicht innerhalb 
des diesen durch die Gesetzgebung überwiesenen 
Wirkungskreises halten, mithin ihre Befug- 
nisse überschreiten, oder zwar innerhalb 
der Grenzen der sachlichen Zuständigkeit liegen, 
aber inhaltlich mit den Gesetzen nicht im Ein- 
klange stehen und daher die Gesetze ver- 
letzen. Das den Organen der Staatsgewalt 
für die Lösung dieser negativen Aufgabe zu 
Gebote stehende Mittel ist die B. 
In dem Maße, in dem der Begriff der Selbst- 
verwaltung in das Staatsleben Eingang und 
in der kommunalen Gesetzgebung Ausdruck 
gefunden hat, hat auch das Recht der B. eine 
größere Einschränkung und festere Begrenzung 
erfahren. Allgemein gehaltene und auf sub- 
jektiver Auffassung beruhende Voraussetzungen, 
wie Verletzung des Staatswohles oder des 
Gemeininteresses, berechtigen die Aufsichtsbe- 
Hörde nicht mehr zu der Herbeiführung einer 
, dieselbe ist nur noch gegeben gegenüber 
Beschlüssen, welche die Befugnisse der Beschlie- 
benden überschreiten oder die Gesetze verletzen, 
und die überall zugelassene Kontrolle der Be- 
anstandungsverfügungen durch den Verwal- 
tungsrichter sichert die Kommune gegen Uber- 
griffe der Verwaltungsbehörden auf diesem 
Gebiete. 
II. Zur Voraussetzung der B. gehört es, 
daß der zu beanstandende Beschluß im Falle 
seines Bestehenbleibens rechtliche Wirkung hat. 
Er muß deshalb alsbald ausführbar sein, und 
dieses Erfordernis fehlt, wenn er für seine 
Gültigkeit vorgängig einer Genehmigung be- 
darf, bevor diese erteilt oder wenn sie versagt 
ist OG. 6, 68; 24, 21). Der Beschluß muß 
auch einen positiven, zur Ausführung geeig- 
neten Inhalt haben, es scheiden daher die- 
jenigen Beschlüsse aus, welche sich nur als 
Meinungsäußerungen, Ansichten, Eutachten 
und rein negative Aussprüche, Ablehnungen 
von Anträgen u. dgl. darstellen, bei denen 
von einer Ausführbarkeit nicht gesprochen 
werden kann (O##. in Pr VWBl. 17 S. 222, 
258; 19, 518). Daß mit der Ausführung bereits 
  
Beanstandungen bei Kommunalbeschlüssen. 
begonnen ist, steht der B. nicht im Wege 
(OV6. 6, 52). icht angängig ist dieselbe da- 
gegen, wenn die Rechtswirkung des auf eine 
einmalige Handlung gerichteten Beschlusses 
durch seine Ausführung völlig erschöpft ist, 
vorausgesetzt, daß er nicht dennoch Rechtswir- 
kungen erzeugt, insbesondere für die beschlie- 
ßende Körperschaft eine in künftigen Fällen 
zu beachtende Regel aufstellt (OV. 27, 87). 
Dem einzelnen steht ein klagbarer Anspruch 
auf B. eines seine Rechte verletzenden Be- 
schlusses nicht zu (OVG. 27, 87). 
Für die B. genügt eine rechtsirrige Gesetzes- 
auslegung, unter diesen Begriff fällt auch ein 
nicht gesetzmäßiges Zustandekommen des zu 
beanstandenden Beschlusses (OV. 41, 40). 
III. Den Zweck der B. bildet die Beseiti- 
gung einer Gesetzwidrigkeit, sie besitzt daher 
aufschiebende Wirkung. Wird der KRlage gegen 
die B. stattgegeben, so gilt der Beschluß als 
von Anfang an zu Recht bestehend. Der Nach- 
weis eines öffentlichen Interesses ist nicht er- 
forderlich (OV.G. 37, 3). Die Vorschrift, daß 
die B. unter Angabe der Gründe erfolgen soll, 
hat nur einen instruhtionellen Charakter, die 
Verfügung braucht auch den Ausdruck der B. 
nicht zu enthalten, es genügt, daß sie die Ab- 
sicht einer solchen klar ersehen läßt. Der Ver- 
waltungsrichter hat nur über die B. zu ent- 
scheiden, er darf den beanstandeten Beschluß 
nicht verändern oder ergänzen (OV. 39, 47). 
IV. Zuständig für die B. von Beschlüssen: 
1. des Provinziallandtages, des Provinzial- 
ausschusses und der Provinzialkommissionen ist 
der Oberpräsident, entstehenden Falles auf An- 
weisung des Md J. (§ 118 Prov O. vom 22. März 
1881 GS. 233 sowie der übrigen 
Prov O.; für Posen AusfV. vom 5. Nov. 1889 
— GS. 177 — § 40; für Hohenzollern Amts- 
u. Landesordnung vom 2. Juli 1900 § 83; 
die Klage geht überall an den Bez A.; 2. des 
Kreistages, der Kreiskommissionen sowie der in 
Kommunalangelegenheiten des Kreises gefaßten 
Beschlüsse des Kr A. ist der Landrat, entstehenden 
Falles auf Anweisung des Regierungspräsiden- 
ten (Kr O. f. d. ö. Pr. vom 19. März 1881 — GS. 
180 — § 178; Westfkr O. vom 31. Juli 1886 — 
GS. 217 — 8 94 u. RheinKrO. vom 30. Mai 1887 
— GS. 209 — § 94; SchlHolstär O. vom 26. Mai 
1888 — GS. 139 — §142; Hann##. vom 6. Mai 
1884— GS., 181— 89106; Hess AhlrO. vom 7. Juni 
1885— GS. 193 — §107). Die Rlage geht überall 
an den BezA. 3. Im Bereiche der KrO. f. d. 
5ö. Pr. vom 19. März 1881 6 54 a) und in Schles- 
wig-Holstein steht dem Amtsvorsteher das Be- 
anstandungsrecht gegenüber den Beschlüssen des 
Amtsausschusses zu. Gegen seine Verfügung 
ist die Klage an den ZrA. gegeben. 4. Die 
auf die B. bezüglichen Vorschriften der Städte- 
ordnungen, welche bereits vor dem Inkraft- 
treten des ZG. in Geltung waren, sind durch 
§ 15 3e. ersetzt, welcher vorschreibt, daß Be- 
schlüsse der Gemeindevertretung oder des kol- 
legialischen Gemeindevorstandes, welche deren 
Befugnisse überschreiten oder die Gesetze ver- 
letzen, von dem Gemeindevorstande, bzw. dem 
Bürgermeister, entstehenden Falles auf Anwei- 
sung der Aufsichtsbehörde zu beanstanden sind. 
Die in den Gemeindeverfassungsgesetzen begrün-
	        
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