Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

204 
des Geburtsorts des Gewerbetreibenden Mit- 
teilung zu machen (AusfAnw. z. GewO. vom 
1. Mai 1904 — HM.z#l. 123 — Nr. 59—62. 
Beerdigung. I. B. ist an und für sich ein 
weltlicher Akt, unterliegt aber im Interesse 
der Toten und der Uberlebenden der kirch- 
lichen Fürsorge. Die Begräbnisfeier besteht 
nach kath. Kirchenrecht in besonderen Ge- 
beten für den Verstorbenen (Totenvigilien), 
verbunden mit der missa defunctorum, feier- 
lichem Grabgeleite, Leichenrede und Trauer- 
feier (exequiae) in bestimmter Zeit nach dem 
Tode und am Jahrestage (s. Friedberg, Lehr- 
buch des Rirchenrechts, 1884 S. 188). Die ev. 
Kirche kennt kKeine Fürsorge für die Toten, 
spricht aber den Segen über die Geschiedenen 
und predigt den Uberlebenden die Hoffnung 
auf ein Jenseits. Die Feier besteht daher in 
der Leichenpredigt, feierlichen Begleitung und 
Einsegnung der Leiche (s. die preuß. Agende 1I, 
53—85). Wegen der B. von Mitgliedern der 
Kriegervereine (. d. 
II. Ein Begräbnis ohne Feierlichkeiten ist ein 
stilles Begräbnis. „Geistliche Begleitung und 
kirchliche Ehren können bei der Beerdigung sol- 
cher Kinder, welche durch Schuld der Eltern un- 
getauft geblieben sind, von den Angehörigen nicht 
beansprucht werden“ (Altländisches ev. Kirchen- 
gesetz, betr. die Verletzung kirchlicher Pflichten, 
vom 30. Juli 1880 — flGBBl. 116 — F 14 
Abs. 2). Versagt wird die kRirchliche Begleitung 
zurechnungsfähigen Selbstmördern (s. Erl. des 
Ev. Oberkirchenrats vom 18. Juli 1884 — 
K#sl. 15; Miilitärkirchl. Dienstordnung vom 
17. Okt. 1902 § 110; ABl. des Konsistoriums in 
Kassel 1893, 42), auch offenkundigen Verächtern 
der Kirche und des Abendmahls. Die Rirchliche 
Feier ist eine gottesdienstliche Verrichtung und 
daher gegen Störung durch § 167 StGB. ge- 
schützt. Das Halten von Laienreden am Grabe 
ist vielfach im Interesse der öffentlichen Ord- 
nung durch polizeiliche Vorschriften oder durch 
Friedhofsordnungen untersagt oder an gewisse 
Bedingungen geknüpft. Zu den Laien im 
Sinne dieser Vorschriften Hehören aber nicht 
die Geistlichen der mit Korporationsrechten 
versehenen Religionsgesellschaften (Baptisten: 
## 3, 306; 5, 302; Anl. des Konsistoriums 
in Kassel 1899, 73; Altlutheraner: K### 5, 370). 
Reden in obigem Sinne sind auch Rurze An- 
sprachen, z. B. „Im ANamen der Sozial- 
demokratie widmen wir diesen Kranz“ (K##l. 
12, 239). Auf kirchlichen Friedhöfen kann die 
Kirchengemeinde Laienreden untersagen. Uber- 
haupt kann der Geistliche die kirchliche Be— 
gleitung davon abhängig machen, daß zeine 
alenreden. gehalten werden. Ungewöhnliche 
Leichenbegängnisse, bei denen öffentliche poli- 
tische oder dissidentische Kundgebungen statt- 
finden oder Laienreden gehalten werden sollen, 
während das sonst nicht üblich ist, unterliegen 
der ortspolizeilichen Genehmigung nach 9s# 9 
und 10 des Vereinsgesetzes vom 11. März 1850 
— GS. 277 (KGJ. 3, 306; 10, 253;, 12, 238; 
13, 370; O. 16, 386; 31, 318). Als Rirch- 
liche Handlung unterliegt die Beerdigungs- 
feier dem allgemeinen Pfarrzwange (I. d.). 
Stirbt semand an einem anderen Orte, so 
haben die Hinterbliebenen die Wahl. Wollen 
  
Beerdigung. 
sie im übrigen die B. in einer andern Paro- 
chie, so dürfen dem zuständigen Pfarrer die 
Gebühren nicht entzogen werden (s. ALR. 
II, 11 §§ 453 ff.). Die Stolgebühren (s. d.) 
richten sich zum Teil noch nach dem WMaße der 
dargebotenen Feierlichkeiten (Rede im Hause, 
am Grabe, Glockengeläute uff.), und sind im 
allgemeinen nicht gering. 
III. Im sanitätspolizeilichen Interesse 
sind die B. gewissen Beschränkungen unter- 
worfen. Die B. ist verboten vor Ablauf von 
72 Stunden nach dem Tode (Erl. vom 2. März 
1827 — v. Kamptz 11, 168). Ausnahmen sind 
jedoch bei Epidemien zuzulassen und können auch 
in besonderen Fällen gestattet werden, sofern 
ein approbierter Arzt den Tod bescheinigt, oder 
sofern an Orten, wo Rein Arzt ist, der Bürger- 
meister oder Dorfschulze nebst zwei Zeugen den 
Tod feststellt und die vorzeitige B. gestattet. 
Nach § 10 des G. vom 30. Juni 1900, betr. 
Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten 
(Röl. 306 ff.), kann beim Ausbruch von 
Aussatz, Cholera, Flechsieber (Flechentyphus), 
Gelbfieber (Pest), Pocken für die damit be- 
fallene Ortschaft oder Bezirk die amtliche Be- 
sichtigung jeder Leiche angeordnet, auch Können 
für die Aufbewahrung, Einsargung, Beförde- 
rung und Bestattung der Leichen besondere 
Vorsichtsmaßregeln vorgeschrieben werden (621 
das.). Letzteres ist nach dem G., betr. Be- 
kämpfung übertragbarer Krankheiten, vom 
28. Aug. 1905 (GS. 373) auch zulässig bei 
Todesfällen an Diphtherie, Ruhr, Scharlach, 
(Unterleibs-)Typhus, Milzbrand, Rotz und 
Tollwut. Für Pest-, Cholera-, Pocken-, Flechen- 
typhus-, Aussatzleichen ist durch die Ausf. 
zum Rö. vom 30. Juni 1900 möglichst beschleu- 
nigte B. vorgeschrieben; auch sind daselbst über 
die Behandlung solcher Leichen eingehende 
Vorschriften getroffen (s. Auss V. vom 3. Juli 
1902 — MMlBl. 1903, 24 —, betr. Pest, § 18; 
dazu Erl. vom 26. Aov. 1902 — MM. Bl. 54 — 
und betreffs der vier anderen gemeingefähr- 
lichen Krankheiten Ausf V. vom 21. Febr. 1904 
— Bl. 306 — und dazu Erl. vom 12. Sept. 
1804 — MMBl. 353). Wegen der zuständigen 
Behörden s. PrG. vom 28. Aug. 1905 5K 12. 
Durch § 367 Ziff. 1, 2 StGB. wird mit Strafe 
bedroht, wer ohne Vorwissen der Behörde einen 
Leichnam beerdigt (s. auch IV), und wer den 
polizeilichen Anordnungen über vorzeitige B. 
entgegenhandelt. Die polizeilichen Anord- 
nungen sind im einzelnen durch Regierungs- 
polizeiverordnungen festgestellt. Das öffent- 
liche Ausstellen der Leichen und die Offnung 
der Särge bei der Begräbnisfeierlichkeit ist 
untersagt (Erl. vom 16. März 1802 — Babe, 
Gesetze 7, 80). Uber den Transport der Leichen 
nach anderen Orten s. Leichen pässe. 
IV. Zur Sicherung des Personenstandes 
ist vorgeschrieben, daß ohne Genehmigung der 
Ortspolizeibehörde keine B. vor Eintragung 
des Sterbefalls in das Sterberegister statt- 
finden darf (PSt ES. vom 6. Febr. 1875 — 
R##l 23 — § 60). Ist die B. dieser Vor- 
schrift entgegen geschehen, so darf die Ein- 
tragung des Sterbefalles nur mit Genehmi- 
gung der Aussichtsbehörde nach Ermittlung 
des Sachverhalts erfolgen. Zum Nachweise 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.