Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Begleitzettel — Begnadigung. 
Begleitung abgelassenen Waren außer Zoll- 
anspruch gelassen werden (VZG. 8§ 47; Be- 
gleitscheinregul. §§ 37, 38). Bei derartig ab- 
gefertigten Waren kann der Zoll überhaupt 
unerhoben bleiben, falls sie am Bestimmungs- 
orte in verdorbenem oder zerbrochenem Zu- 
stande ankommen (VZ36. 8 48 Abs. 2). Be- 
gleitscheingüter, die auf dem Transporte 
erweislich zugrunde gegangen sind, z. B. aus- 
gelaufene Flüssigkeiten, bleiben zollfrei, auch 
wenn sie ohne Verschluß oder Begleitung ab- 
gelassen sind (V G. 8§ 48 Abs. 1). Ergeben 
sich beim Empfangsamt leine Beanstandungen, 
so stellt dieses über den erledigten B. einen 
Erledigungsschein aus und sendet ihn an 
das Ausfertigungsamt (Begleitscheinregul. 8 53). 
Mit dem Eingang des Erledigungescheine er- 
löschen die Verpflichtungen des Begleitschein- 
nehmers (VZ3G. § 46). Das Ausfertigungs- 
amt kontrolliert den richtigen Eingang der 
Erledigungsscheine und damit den Verbleib 
des Begleitscheingutes an der Hand des Be- 
gleitscheinausfertigungsregisters. Werden die 
Waren dem Empfangsamte nicht gestellt, oder 
ergeben sich bei den gestellten Waren Bean- 
standungen hinsichtlich der Gestellungsfrist, des 
Verschlusses oder der Gattung und Menge, so 
sind Erhebungen anzustellen, welche die Frage 
der Einleitung des Strafverfahrens und die 
Regelung der Zollerhebung zum Gegenstande 
haben (Begleitscheinregul. §§ 41—46). B. II 
werden nur erteilt, wenn der Zoll für die zu- 
gehörigen Waren mindestens 15 Ml beträgt 
(V3G. 8 51). Die Abfertigung auf B. I setzt 
die Vornahme der speziellen Revision (s. Zoll 
VI. 3) voraus (Begleitscheinregul. 8 21). Eine 
Vorführung der Ware beim Empfangsamt ist 
nur erforderlich, wenn sie im B. ausdrücklich 
vorgeschrieben ist (Begleitscheinregul. § 48, 
Abs. 2); da die Abfertigung auf B. II eine 
Hinausschiebung der Zollzahlung zur Folge 
hat, soll durch das Verlangen der Vorführung 
des Begleitscheingutes beim Empfangsamte 
verhütet werden, daß der B. I ohne Versen- 
dung der Ware erteilt wird. Das Muster 
eines B. II ist als Anlage B zum Begleitschein- 
regulativ abgedrucht. Im übrigen finden die 
Vorschriften für B. I sinngemäße Anwendung. 
Steuerbegleitscheine. Im Steuer- 
Srkehr kommen B. I vor für Branntwein, 
alz, Schaumwein, Spielkarten und Zucher, 
sowie unter dem Namen Versendungsscheine 
auch für Tabak, B. U für Branntwein, Salz 
und ucker, sowie unter dem Namen Versen—- 
Fungsscheine II auch für Tabak. Auf diese B. 
lind die Regeln für Zollbegleitscheine sinnge- 
mäß anzuwenden, soweit nicht bei den einzelnen 
teuerzweigen etwas anderes bemertkt fst. 
egleitzettel, ein im Eisenbahnzollverkehr 
chliches Zollabfertigungspapier, s. Zoll 
k! 10. 
u Begnadigung ist die gänzliche oder teilweise 
Uufhebung der rechtlichen Folgen einer straf- 
aren Handlung durch einen außerordentlichen 
illensaht des Trägers der Staatsgewalt. Sie 
bann in dem Erlaß oder der Milderung einer 
orreits erkannten Strafe (aggratiatio plena, 
in nus plena, mitigatio ex capite gratiae), bzw. 
der Beseitigung der auf dem Gebiete 
  
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der staatsbürgerlichen Rechtssphäre liegenden 
Aebenwirkungen einer solchen (Rehabili- 
tation f. d.), oder darin bestehen, daß von 
der Verfolgung einer strafbaren Handlung ab- 
gesehen wird (abolitio). Erstreckt sich die B. 
nicht auf einen bestimmten Fall, sondern all- 
gemein auf gewisse Kategorien strafbarer 
Handlungen oder straffälliger Personen, so 
wird dieselbe als Amnestie bezeichnet. Das 
Begnadigungsrecht umfaßt nicht nur die der 
uständigkeit der Gerichte unterliegenden 
trafsachen, sondern auch die Entscheidungen 
der Disziplinargerichte und die Strafverfü- 
gungen der Verwaltungsbehörden. Es ist 
ein Ausfluß der Souveränität (As.6 
§§ 590 ff.; ALR. II, 13, §§ 9—11), der mit der 
Rechtspflege nichts gemein hat und sich im 
Gegensatz zu dieser als eine Verfügung der 
höchsten Staatsgewalt zur Ausgleichung und 
Milderung von Härten und Unbilligkeiten bei 
der Rechtsanwendung darstellt. Verschieden 
von der B. ist die in §§ 23—25 StG#B. vor- 
gesehene Ermächtigung zur vorläufigen Straf- 
entlassung; dieselbe liegt auf dem Gebiete der 
Justizverwaltung. Ebensowenig ist der ErlaH 
von Exekutivstrafen unter den Begriff der B. 
zu bringen (Erl. vom 6. Alärz 1875 — Mhd. 
104), wie auch diesenigen Maßnahmen, welche 
auf Grund richterlichen Erkenntnisses im Wege 
der Verwaltung zu bewirken sind, insbeson- 
dere die Unterbringung in eine Eczichunge- 
oder Besserungsanstalt gemäß § 56 StB., 
nicht Gegenstand der B. bilden. Art. 49 
Vl. stellt das Recht des Königs zur B. und 
Strafmilderung fest und schränkt dasselbe — 
abgesehen von dem nicht in Betracht kommen- 
den Fall der B. eines wegen seiner Amts- 
handlungen verurteilten Ministers (s. Mini- 
sterverantwortlichkeit) — lediglich dahin 
ein, daß der König bereits eingeleitete Unter- 
suchungen nur auf Grund eines besonderen 
Gesetzes niederschlagen kann. Das Begnadi- 
gungsrecht ist für bestimmte Strafurteile ge- 
ringerer Bedeutung auf die Minister delegiert, 
so auf den M(L. in allen Forstkonterventions= 
fällen einschließlich der Forstdiebstähle bei 
Geldstrafen von 30 M. und weniger . 
vom15.Dez.1880—JMBl.1881,31),auf 
denJAI.beiStrafenwegenQuerulierenund 
eringeren Geldstrafen in den neuen Provinzen 
AE. vom 19. Dez. 1866 u. 16. Febr. 1867 — 
JMl Bl. 1867 S. 6 u. 67), auf den FMl. bei Zu- 
widerhandlungen gegen die Zoll= und indirek- 
ten Steuergesetze (s. Verwaltungsstraf- 
verfahren V, 3), auf den Generalpostmeister, 
jetzt den Staatssekretär des Reichspostamtes, 
in Postkontraventions= und Postdefraudations- 
fällen bis zu 30 M. (KabO. vom 3. Dez. 1828 
und 2. Jan. 1879). Die BReichsverfassung ent- 
hält keine Bestimmungen über ein Begnadi- 
ungsrecht des Kaisers. Doch sind solche in 
pezialgesetzen enthalten, insbesondere in 
§ 484 St PO., nach welchem in Sachen, in denen 
das Reichsgericht in erster Instanz erkannt 
hat, dem Kaiser das Begnadigungerecht zusteht, 
und im § 18 RB. vom 31. März 1873 (Rol. 
61) bezüglich der Disziplinarentscheidungen 
(außerdem steht dem Kaiser das Begnadigungs- 
recht in Elsaß-Lothringen, den Schutzgebieten
	        
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