Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Belastung der Gemeindeangehörigen — Beleidigung. 
schleunigtes Strafverfahren durch Ausnahme- 
gerichte (Kriegsgerichte) und einen raschen, 
energischen Gtrafvollzug.(— 6 ff.). Mißbräuch- 
liche Anwendung des Rechtes soll durch die 
im Gesetz G 17) vorgeschriebene Rechenschafts- 
legung beim Landtag verhindert werden. Auch 
ohne Erklärung des B. können im Falle des 
Krieges oder Aufruhrs bei dringender Gefahr 
für die öffentliche Sicherheit die obener- 
wähnten Artikel der Verfassungsurkunde ent- 
weder ganz oder zum Teil vom StA. zeit- 
und distriktsweise außer Kraft gesetzt werden 
(§ 16). Die seit Geltung des Gesetzes zu- 
stande gekommene Reichsverfassung und die 
auf ihrer Grundlage erlassenen Reichsgesetze 
bewirken nur, daß das Recht des Kaisers, 
gemäß Art. 68 RNV. den Kriegszustand zu 
erklären, dem Recht der preuß. Landesregie- 
rung zur Erklärung des B. vorgeht, daß 
bei der im § 5 des G. vom 4. Juni 1851 
vorgesehenen Aufhebung der Verfassungsar- 
tikel die Art. 5, 6 Bll. (Unverletzlichkeit der 
persönlichen Freiheit; BVerbot des Eindringens 
in fremde Wohnungen) mit Rüchsicht auf die 
Vorschriften der St PO. ausscheiden, und daß 
an Stelle der im Gesetz enthaltenen materiellen 
und formellen Strafbestimmung für Militär- 
personen gleichartige Vorschriften des MSt GB. 
vom 20. Juni 1872 (Röl. 174) und der 
MSt SO. vom 1. Dez. 1898 (Rol. 1189) 
treten. Die — bestrittene — Zulässigkeit der 
Aufhebung des Art. 7 Vl. (Bildung von 
Ausnahmegerichten) ergibt sich aus § 16 GV. 
und damit auch die andernfalls ausgeschlos- 
sene Fortgeltung der §§ 10—15 des G. vom 
4. Juni 1851. Für die Preßfreiheit gewähr- 
leistenden Art. 27, 28 Vll. folgt das gleiche aus 
30 des Preßgesetzes vom 7. Mai 1874 (RGBl. 
65). Die strafgesetzlichen Vorschriften der §8 8, 
des G. vom 4. Juni 1851 gelten als Landes- 
strafrecht gemäß § 2 ES. z. StEB. fort 
(ogl. Rönne, Deutsches Staatsrecht 1, 87; 
eyer, Deutsches Verwaltungsrecht 1, 184; 
anderer Ansicht: Laband, Staatsrecht und 
deutsches Recht, 2. Aufl., 2, 542 und Sendel 
und Stenzels Wörterbuch 1, 182). S. auch 
Aufruhr. 
Belastung der Gemeindeangehörigen. 
1 einer neuen B. der Gemeindeangehörigen 
ane gesetzliche Verpflichtung bedarf es in den 
160 gemeinden. der ö. Pr. (LGO. vom 3. Juli 
8 114 und in Schleswig-Holstein (LGO. vom 
4. Juli 1892 § 114) der Genehmigung des Kr., 
inden hohenzoll. Gemeinden aber des Amtsaus- 
usses, sofern es sich um Landgemeinden, des 
ezA., sofern es sich um Städte handelt (GemO. 
dom 2. Juli 1900 § 84). Eine solche B. kann her- 
eigeführt werden durch Ausgaben für Zwecke, 
lie zwar innerhalb der Gemeindeaufgaben 
legen, die also die Gemeinde leisten darf, zu 
eren Ubernahme sie aber nicht gesetzlich ver- 
Hflichtet ist G. B. für Wasserversorgung, Ver- 
önerungsanlagen, Ubernahme von Lasten 
m Schulsozietäten usw.). Den Gegensatz zu 
lesen Leistungen bilden solche, zu denen die 
miemeinde gesetzlich verpflichtet ist (z. B. Armen- 
o: ege, Wegebesserung usw.). — Uber die Mehr- 
er Minderbelastung einzelner Teile eines 
ommunalverbandes (Gemeinde, Kreis, Pro- 
  
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vinz) s. RKEommunalabgabengesetz, Kreis- 
abgaben und Provinzialabgaben. 
elege s. Rechnungen. 
Beleidigung. 1. Jeder Mensch hat An- 
spruch auf Achtung seiner menschlichen Perfsön= 
lichkeit, strafrechtlich jedoch nur dahin, daß 
jede Kundgebung der Aichtachtung unterlassen 
werden muß, nicht auch dahin, daß er positive 
Achtungsbeweise fordern dürfe. Die B., welche 
das StGB. nicht definiert, ist hiernach die 
vorsätzliche und rechtswidrige Rundgebung der 
Aichtachtung eines andern. Sie ist gegen 
jeden Menschen möglich, auch gegen Kinder 
und GEeisteskranke und gegen Menschen, die 
esellschaftlich keine Achtung genießen. Das 
tG#B. kennt aber außer der B. phyfsischer 
Personen noch eine solche gegenüber befreun- 
deten Staaten (§§ 102 ff.) und gegen Behörden 
(§ 196), politische Körperschaften (§ 197) und 
in der Form der sog. Kreditgefährdung (§ 187) 
auch gegen andere juristische Personen. Mit 
dem Ende der physischen Persönlichkeit endet 
auch ihr Anspruch auf Achtung, und die Mög- 
lichkeit einer B. fällt damit weg. Beschimpfun- 
gen des Andenkens Verstorbener werden je- 
doch unter dem Gesichtspunkt eines Schutzes 
des Pietätsgefühls ihrer überlebenden Ange- 
hörigen bestraft (§§ 189—191). 
II. Es werden drei Arten von B. unter- 
schieden: 1. die einfache B.; 2. die verleumde- 
rische B.; 3. die üble Nachrede. Zur ersteren 
(& 185) ist eine Kundgebung erforderlich, die 
in dem Zur-Kenntnis-eines-andern-Bringen 
besteht, aber schon dann vorhanden ist, wenn 
die Aichtachtung zur Kunde irgend jemandes, 
sei es des zu Beleidigenden selbst oder eines 
Dritten, gebracht ist. Die Kundgebung Rann 
durch Worte, Zeichen, Gebärden usw. oder 
durch Tätlichkeiten geschehen; danach unter- 
scheidet man: Verbal--, symbolische und Real- 
Injurien. Der zu Beleidigende muß deutlich 
erkennbar gemacht sein. Dies ist indessen 
auch noch dann der Fall, wenn durch eine 
gemeinschaftliche Bezeichnung (z. B. die Mit- 
glieder einer Behörde) eine Anzahl von Per- 
sonen so zusammengefaßt wird, daß die ein- 
zelnen zu erkennen sind, sog. Kollektiobeleidi- 
gung. Verschieden hiervon ist die B. durch 
einen Ausdruchk, welcher gleichzeitig die Ehre 
mehrerer Personen trifft (z. B. Bastard). Die 
Handlung muß rechtswidrig sein. Die Rechts- 
widrigkeit fehlt namentlich auch bei Einwilli- 
gung des Beleidigten (volenti non fit injuria), 
ferner bei tadelnden Urteilen über wissenschaft- 
liche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, 
ingleichen Außerungen, welche zur Ausführung 
oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahr- 
nehmung berechtigter Interessen gemacht wer- 
den, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vor- 
esetzten gegen ihre Untergebenen, dienstlichen 
emzeigen oder Urteilen von seiten eines Be- 
amten und ähnlichen Fällen, sofern nicht das 
Vorhandensein einer B. aus der Form der 
Außerung oder aus den Umständen, unter 
welchen sie geschah, hervorgeht (§ 193). Außer- 
dem ist Vorsatz notwendig. aber andrerseits 
auch genügend, d. h. das Wissen der vorstehend 
bezeichneten Tatbestandsmerkmale und das 
Wollen der Handlung trotz dieses Wissens.
	        
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