Berufung.
schiedsgerichtliche Entscheidung nach den sozial-
politischen Versicherungsgesetzen. Im gewöhn-
lichen Sinne ist die B. (Appellation) die Be-
zeichnung für dasjenige Rechtsmittel, welches
regelmäßig gegen Urteile erster Instanz statt-
findet und die höhere Instanz grundsätzlich
mit der ganzen Sache sowohl nach ihrer tat-
sächlichen wie nach ihrer rechtlichen Seite hin
befaßt. Daß sie nur gegen Urteile, nicht gegen
prozeßleitende oder sonstige das Urteil vor-
bereitende Verfügungen und Beschlüsse, ge-
geben ist, unterscheidet sie von der Beschwerde
(s. d.), mit der sie die Allgemeinheit der ein-
tretenden Nachprüfung der Vorentscheidung
teilt, diese Allgemeinheit aber wieder von den
sonstigen Rechtsmitteln, namentlich von der
Revision (s. d.). Die Allgemeinheit der Aach-
prüfung braucht übrigens nicht unbegrenzt
Mlallig zu sein, so hat besonders die österr.
3PO. vom 1. Aug. 1895 die Nachprüfung des
Berufungsrichters wesentlich eingeschränkt.
II. Uber die B. im Zivilprozesse ver-
halten sich die §§ 511—544 838PO. Danach
findet sie gegen die in erster Instanz von
den Amts= und den Landgerichten erlassenen
Endurteile, mit Ausnahme regelmäßig der
Versäumnisurteile, und gegen gewisse Zwischen-
urteile statt und führt zu einer Erneuerung
der Verhandlung der ersten Instanz innerhalb
der durch die Berufungsanträge gezogenen
Grenzen, wobei neue Angriffs= und Ver-
teidigungsmittel, insbesondere neue Tatsachen
und Beweismittel, vorgebracht, ferner in erster
Instanz unterbliebene oder verweigerte Er-
klärungen nachgeholt werden können. Aeue
Ansprüche und die Aufrechnung einer Gegen-
forderung dürfen jedoch nur innerhalb gewisser
Grenzen geltend gemacht werden, auch ist eine
Anderung der Klage nur mit Einwilligung
des Gegners statthaft. Das Berufungsgericht
hat regelmäßig selbst zu entscheiden, in ein-
zelnen Fällen muß es, in anderen kann es
die Sache an das Gericht erster Instanz zurückh-
verweisen; das Urteil erster Instanz darf stets
nur insoweit abgeändert werden, als eine Ab-
änderung beantragt ist.
f. Die Strafprozeßordnung bestimmt
über die B. in den §§ 354—373. Diese findet
nur gegen die Urteile der Amts= und Schöffen-
gerichte, nicht auch der Landgerichte, statt,
und kann auf bestimmte Beschwerdepunkte
beschränkt werden; es gilt aber, wenn dies
nicht geschehen oder eine Rechtfertigung über-
haupt nicht erfolgt ist, der ganze Inhent des
rteils als angefochten. Der Prüfung des
rufungsgerichts unterliegt das Urteil nur,
soweit es angefochten ist. Ist die B. zulässig
und kommt es deshalb zu einer Verhandlung
in der Sache selbst, so ist alsdann das Ver-
*5•½d ein neues, auf welches im wesentlichen
he Vorschriften für die erste Instanz zur An-
wendung kommen. Auch hier hat das Be-
rufungsgericht, insoweit die B. für begründet
efunden wird, in der Sache regelmäßig selbst
d erkennen; ausnahmsweise Kann oder muß
de jedoch die Sache an die erste Instanz zurück-
getweisen. War das Urteil nur von dem An-
1 agten oder zugunsten desselben von der
naatsanwaltschaft, seinem gesetzlichen Ver-
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treter oder dem Ehemanne der angeklagten
Frau angefochten worden, so darf es nicht
zum Nachteile des Angehklagten abgeändert
werden.
IV. Im preuß. Berwaltungsstreitver-
fahren ist die B. in den §8§ 82—92 L.
geordnet. Sie steht Veen die Endurteile und
die nach §§ 64, 67 LVW. erlassenen Bescheide
der Kreisausschüsse und gegen die in erster In-
stanz ergangenen Endurteile und Bescheide
der Bezirksausschüsse, soweit diese nicht gemäß
besonderer gesetzlicher Vorschrift (z. B. Feld-
und Forstpolizeigesetz vom 1. April 1880 —
GS. 230 — 88 76, 84) endgültig oder die
gegen sie stattfindenden Rechtsmittel in ab-
weichender Weise (z. B. ZG. §§ 70 Abs. 2, 78)
geregelt sind, den Parteien einschließlich der
als solche beteiligten öffentlichen Behörden
und aus Gründen des öffentlichen Interesses
dem Vorsitzenden des Kreisausschusses bzw.
des Bezirksausschusses zu, und zwar auch hier
nur gegen den dispositiven Teil der Ent-
scheidung, nicht gegen deren Begründung. Die
B. geht vom Kreisausschuß an den Bezirks-
ausschuß, vom Bezirksausschuß an das Ober-
verwaltungsgericht. Der Vorsitzende hat, wenn
er die B. einlegen will, dies sofort zu er-
klären. Die Verkündung der Entscheidung
bleibt dann einstweilen, jedoch längstens drei
Tage, ausgesetzt und erfolgt mit der Eröffnung,
daß im öffentlichen Interesse die B. eingelegt
worden sei, widrigenfalls die B. im öffent-
lichen Interesse nicht mehr stattfindet. Sonst
beträgt die Frist zur Einlegung der B. zwei
Wochen von der Zustellung der angefochtenen
Entscheidung ab; innerhalb dieser Frist ist die
B. bei Verlust des Rechtsmittels bei dem
Gericht der ersten Instanz schriftlich nicht bloß
anzumelden, sondern auch zu rechtfertigen.
Anmeldung und Bechtfertigung dürfen aber
auch schon vor der Zustellung des ange-
griffenen Urteils erfolgen. Zur Bechtfertigung,
die in ihrem Inhalte wenigstens Gegenstand
und Ziel der Beschwerde erkennen lassen muß,
kann in nicht schleunigen Sachen eine an-
emessene, der Regel nach nicht über zwei
ochen zu erstrechende Nachfrist gewährt
werden. Das Gericht erster Instanz prüft, ob
die Anmeldung — nicht auch die Bechtferti-
gung — rechtzeitig erfolgt ist, und fertigt,
wenn dies der Fall ist, die Berufungsschrift
mit den Anlagen, bei der B. im öffentlichen
Interesse deren Gründe, der Gegenpartei zur
schriftlichen Gegenerklärung innerhalb einer
bestimmten, von einer bis zu vier Wochen zu
bemessenden Frist zu; in nicht schleunigen
Sachen khann auch hier eine angemessene, der
Regel nach nicht über zwei Wochen zu er-
strechende Aachfrist gewährt werden. Aach
Ablauf der Frist sind die Verhandlungen dem
Berufungsgericht einzureichen und die Par-
teien hiervon unter abschriftlicher Mitteilung
der eingegangenen Gegenerklärungen zu be-
nachrichtigen. Ist dagegen die Frist zur An-
meldung versäumt, so ist die B. vom Gericht
erster Instanz oder namens desselben von dem
Vorsitzenden im Einverständnisse mit den er-
nannten Mlitgliedern durch einen mit Gründen
versehenen Bescheid zurückzuweisen, gegen
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