Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Bescholtenheit — Beschwerde. 
Die Beschlußbehörden fassen ihre Beschlüsse 
auf Grund der verhandelten Akten, sofern 
nicht das Gesetz, wie z. B. § 21 GewO., aus- 
drüchlich mündliche Berhandlung vorschreibt. 
Sie können jedoch stets behufs Aufklärung 
des Sachverhalts die Beteiligten oder deren 
Vertreter zur mündlichen Verhandlung vor- 
laden. Für die mündliche Verhandlung finden 
dann die im Verwaltungsstreitverfahren gelten- 
den Vorschriften sinngemäße Anwendung (8 119). 
Dasselbe gilt von den Vorschriften der §§ 76—79 
LV. für die Erhebung und Würdigung des 
Beweises mit einer Abweichung hinsichtlich der 
Zeugen und Sachverständigen, § 120 (s. die Ar- 
tikel Zeugen, Sachverständige und Un- 
geborsamostrafen) Das BRechtsmittel im B. 
ist die Beschwerde (s. d.). Die Bollstrechung im 
B. erfolgt im Verwaltungszwangsverfahren. 
Sie wird namens der Behörde, welche in 
erster Instanz beschlossen hatte, von dem Vor- 
sitzenden derselben verfügt. Uber Beschwerden 
gegen die Verfügungen des Vorsitzenden ent- 
scheidet die Behörde. Gegen die Entscheidung 
der letzteren findet innerhalb zwei Wochen die 
Beschwerde an die im Instanzenzuge zunächst 
höhere Behörde statt, deren Entscheidung end- 
gültig ist (6 60). Uber Beschwerden, welche 
die Leitung des Verfahrens und die Kosten 
betreffen, beschließt endgültig die in der Haupt- 
sache zunächst höhere Instanz (§ 125). Neben 
den allgemeinen Vorschriften des LV. über 
das B. bestehen für das Verfahren in gewissen 
Angelegenheiten, z. B. Enteignungssachen und 
Vorflutangelegenheiten, besondere Bestimmun- 
gen. Wegen der Kosten und Auslagen im B. 
s. Bestimmungen des FM. und Akd J. vom 
17. Jan. 1905 (MBll. 23) sowie Auslagen IH 
u. UI und Kosten IV. 
Bescholtenheit. Die früheren provinzial- 
ständischen Gesetze Preußens erforderten für 
die Wählbarkeit aller Stände die Unbescholten- 
heit des Rufes. In dieser Hinsicht kam das 
vom 8. Mai 1837 über die persönliche 
Fähigkeit zur Ausübung der Rechte der Stand- 
chaft usw. (GS. 99) und das G. über die Ent- 
ziehung oder Suspension ständischer Bechte 
wegen bescholtenen oder angefochtenen Rufes 
vom 23. Juli 1847 (GS. 279) zur Anwendung. 
Hurzeit haben diese Gesetze nur noch neben 
en allgemeinen strafrechtlichen Bestimmungen 
#8 31 ff., 81, 83, 88—90, 95 StEB.) für die Prov. 
olen, wo es bei der bisherigen, ständisch ge- 
bliederten Kreis= und Provinzialverfassung ver- 
de cben ist (.Provinzen) Bedeutung. Wegen 
ins erlustes des Rechtes auf Sitz und Stimme 
" Herrenhause im Falle der B. s. unter 
nekvenhaus IV. Wegen B. bei Gewerbe- 
enden und deren Folgen f. Stehender 
Ewerbebetrieb II, Untersagung von 
Veicbrbetrieden. « 
ränkt öffentliche ege s. We 
ersc krsr u. n Wege ge 
u ßanstalten s. Handfeuerwaffen. 
eschußprobe f. Handfeuerwaffen. 
hau eschwerde. I. Bei der B. ist, soweit sie über- 
upt bestimmte rechtstechnische Bedeutung hat, 
nia en der Aufsichtsbeschwerde und der sach- 
weiter in die Aufsichtsbeschwerde im engeren 
zu unterscheiden. Die erstere zerfällt sch 
  
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Sinne und in die Disziplinarbeschwerde und 
Hebt danach an die Aufsichtsbehörde oder die 
isziplinarbehörde. Sie ist ihrem Wesen nach 
nicht an Fristen und Formen gebunden, kann 
aber nur die formelle Seite einer Sache oder 
das persönliche Verhalten eines einzelnen Be- 
amten zum Gegenstande haben; insbesondere 
handelt es sich dabei um Geschäftsverzögerun- 
gen und Unregelmäßigkeiten im Geschäftsbe- 
triebe, Aachlässigkeit in der Geschäftsbesorgung, 
Libchtbeobachtung der äußeren Dienstordnung, 
z. B. der Geschäftsstunden, unangemessenes 
Benehmen u. dgl. Die sachliche B. dagegen 
hat die sachliche Richtigkeit einer Entscheidung 
zum Gegenstande und ist vielfach an Fristen 
und Formen gebunden. Sie ist, wenn sie 
nicht die Bedeutung einer bloßen Gegenvor- 
stellung hat, sondern eine wirkliche B., d. h. 
an eine übergeordnete Instanz gerichtet ist, 
ein Rechtsmittel (s. d.), dessen unterschei- 
dende Merkmale von den anderen Rechts- 
mitteln darin bestehen, daß sie begrifflich nicht 
gegen Urteile gegeben und daß das Verfahren 
bei ihr einfacher und formloser ist. Sie ist 
entweder eine erste oder eine weitere, d. i. gegen 
die Entscheidung der Beschwerdeinstanz ge- 
richtete, und entweder eine nicht befristete (ein- 
fache) oder eine befristete (sofortige); mitunter 
setzt ihre Zulässigkeit eine Beschwerdesumme 
voraus. 
II. Im Ziovilprozesse (Z3PO. 88 567—577) 
findet die B. statt 1. allgemein gegen solche 
Entscheidungen, die eine vorgängige mündliche 
Verhandlung nicht erfordern, sofern sie ein 
das Verfahren betreffendes Gesuch zurück- 
weisen; 2. in den vom Gesetze besonders be- 
zeichneten Fällen. Es gibt daher zahlreiche 
Entscheidungen, gegen welche die B. und, da 
auch Berufung und Revision nicht gegeben 
sind, ein Rechtsmittel überhaupt nicht zulässig 
ist. Außerdem ist eine B. gegen oberlandes- 
gerichtliche Entscheidungen, die sich auf die 
Prozeßkosten beziehen, für unzulässig erklärt 
(ZP#. 8§ 567 Abs. 2 in der Fassung des G. 
vom 5. Juni 1905 — Rl. 536) und die Zu- 
lässigkeit der weiteren B. insosern beschränkt, 
als in der Entscheidung des Beschwerdegerichts 
ein neuer selbständiger Beschwerdegrund ent- 
halten sein muß (§ 568 Abs. 2), Entscheidungen 
der Landgerichte in betreff der Prozeßkosten nur 
bei einer Beschwerdesumme von mehr als 50 M. 
einer weiteren B. unterliegen und gegen die 
Entscheidungen der Oberlandesgerichte eine 
weitere B. nicht stattfindet (§ 568 Abs. 3 u. 4 
in der Fassung des G. vom 5. Juni 1905). Vom 
Anwaltszwange, also von der NVotwendigkeit, 
soweit dieser Zwang reicht, von einem Bechts- 
anwalt unterschrieben zu sein, ist die Beschwerde- 
schrift in einzelnen Fällen befreit (6 569 Abs. 2 
in der Fassung des G. vom 5. Juni 1905). 
Der einfachen B. kann das Gericht oder der 
Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten ist, 
ohne weiteres selbst abhelfen (6 571), der so- 
fortigen B., abgesehen von Kostenfestsetzungen, 
dagegen nicht (§ 577 Abs. 3). Die Entscheidung 
über die B. erfolgt stets in Form eines Be- 
schlusses, auch wenn die angefochtene Ent- 
eidung, wie ausnahmsweise möglich, ein 
Zwischenurteil ist.
	        
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