Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Betriebs-(Fabrik-) Krankenkassen. 
gestattet, auch Können mehrere B. desselben 
Unternehmers sich nach 8VG. 8§ 67te mit Zu- 
stimmung der Generalversammlungen zu einer 
Kasse vereinigen. Unzulässig ist dagegen die 
Errichtung einer B. für die Betriebe mehrerer 
Unternehmer; ausgenommen von diesem Ver- 
bote sind die B., die beim Inkrafttreten des 
G. vom 15. Juni 1883 (Rl. 73) bereits be- 
standen haben, sie dürfen jedoch neue Betriebe 
nicht aufnehmen (OBS. 30, 344). Für jeden 
Betrieb darf nur eine B. errichtet werden, so- 
weit es sich nicht um die Errichtung einer B. 
für einen der Versicherungspflicht neu unter- 
stellten Gewerbszweig handelt und die alte 
B. eine bestehende Kasse im Sinne des R. 
s 85 ist (Erl. vom 31. März 1905 — HMll. 
78). Geht von mehreren Betrieben eines 
Unternehmers, für welche eine gemeinsame 
B. besteht, einer in den Besitz eines anderen 
Unternehmers über, so scheiden die in die- 
sem Betriebe beschäftigten Personen auf den 
Antrag eines der beteiligten Unternehmer 
aus der Kasse aus. Das gleiche gilt, wenn 
ein Betrieb in mehrere Betriebe geteilt wird 
(OV#. 30, 344) oder wenn aus einer gemein- 
samen B. mehrerer Unternehmer ein Betrieb 
ausscheiden will (RNG Z. 49, 16). In diesen 
Fällen findet eine Teilung des Vermögens 
nach Maßgabe des § 67a Abs. 2 statt. Uber 
die Ausscheidung und die Vermögensteilung 
entscheidet der Regierungspräsident (in Berlin 
der Oberpräsident), der auch den Zeitpunkt des 
Ausscheidens bestimmt. Gegen seine Entschei- 
dung stcht den Beteiligten binnen zwei Wochen 
die Beschwerde an den HM. zu. 
Die Befugnis zur Errichtung einer B. ist 
davon abhängig, daß der Unternehmer in dem 
Betrieb oder in den Betrieben 50 oder mehr 
versicherungspflichtige Personen beschäftigt. Er 
kann zur Errichtung durch den Regierungs= 
präsidenten (in Berlin durch den Oberpräsi- 
denten) angehalten werden, wenn dies von der 
2 emeinde oder der zuständigen Ortskranken- 
gasse beantragt wird. Vor der Anordnung ist 
dem Unternehmer, sowie den von ihm beschäftig- 
rll Personen und, falls der Antrag von einer 
rtskrankenhasse ausgegangen ist, auch der Ge- 
meinde * einer Außerung Gelegenheit zu geben 
6 G. 60). Ist der Betrieb mit besonderer 
niankheitsgefahr verbunden, so Kann der Unter- 
nehmer auch bei einer Beschäftigung von weniger 
h 1 50 Personen zur Errichtung einer B. ange- 
. " ten werden (KV. 861 Abs. 1). Unternehmern 
nes Betriebes, in welchem weniger als 50 Per- 
einen beschäftigt werden, kann die Errichtung 
Lerr B. gestattet werden, wenn die nachhaltige 
eiltungsfähigkeit der Kasse sichergestellt ist. 
zu ernehmer, welche der Verpflichtung, eine B. 
in errichten, nicht nachtommen, müssen für jede 
rurihrem Betriebe beschäftigte, dem Versiche- 
zu g zwang unterliegende Person Beiträge bis 
n o des verdienten Lohnes aus eigenen 
zur Ln zur Gemeindekrankenversicherung oder 
bhu lelttskrankenhasse leisten. Die Höhe der 
es Sstenden Beiträge wird nach Anhörung 
präsivemeindevorstande von dem Regierungs- 
denl enten (in Berlin von dem Oberpräsi- 
richten) bestimmt (&V. § 62). Mit der Er- 
ung der B. scheiden alle in dem Betriebe 
  
  
261 
beschäftigten versicherungspflichtigen Personen, 
gleichpiel ob sie den Arbeitsvertrag mit dem 
etricbsunternehmer selbst oder mit einer Mit- 
telsperson geschlossen haben (OV#. 18, 348), 
aus der Gemeindekrankenversicherung oder 
Ortskrankenkasse aus, ohne daß eine Ver- 
mögensteilung stattfindet. Das gleiche gilt, 
wenn sie eine Beschäftigung in dem Betrieb 
annehmen. Ausgenommen sind die Mitglieder 
einer als Träger der Krankenversicherung an- 
erkannten Hilfskasse (s. d.). Auch bereits Kranke- 
Versicherte treten, wenn das Arbeitsverhältnis 
besteht, zur B. über, die weitere Unterstützung 
obliegt der B. (OV. 29, 341; 37, 382; 33, 
386). Versicherungspflichtige Personen können 
mit dem Schlusse des Rechnungsjahres aus- 
treten, wenn sie den Austritt mindestens 
drei Monate vorher beantragen und vorher 
nachweisen, daß sie einer als Träger der 
Krankenversicherung anerkannten Hilfshkasse 
angehören (&KVo. 8 63). Wegen der versiche- 
rungsberechtigten Personen s. Selbstver- 
sicherung l. Hinsichtlich der Gewährung der 
Krankenunterstützung stehen die B. den 
Ortskrankenkassen (s. d. III) gleich. Dasselbe 
gilt für die Bemessung der Beiträge (s. Orts- 
krankenkasse IV., Krankenversicherung 
VI) und der Vermögensverwaltung (I. 
Ortskrankenkasse IV). Eine Abweichung 
besteht zunächst nur insofern, als die Rechnungs- 
und Kassenführung unter Verantwortlichkeit 
und auf Kosten des Unternehmers durch einen 
von ihm zu bestellenden Rechnungs= und Kassen- 
führer wahrzunehmen ist (KV. 8 64 Ziff. 3). 
Zu den Kosten der Rechnungs= und RKassen- 
führung gehören die persönlichen und sachlichen 
Kosten der Rechnungs= und Kassenführung 
(Gehalt des Rechnungs= und Kassenführers, 
die Kosten für die Bureauräume, die Kassen- 
bücher, Rechnungsformulare, Geldschrank usw.). 
Prozeßkosten, Reisekosten der Vorstandsmit- 
glieder, Kosten der Statutenbücher, Porto und 
sonstige Auslagen für die Korrespondenzen mit 
der Aufsichtsbehörde oder dem Kassenarzt usw., 
überhaupt die über die Rechnungs= und Rassen- 
führung hinausgehenden Verwaltungskosten 
trägt die Kasse (SMGE. vom 8. Juli 1886 und 
vom 7. Sept. 1891). Der Unternehmer muß 
erforderlichenfalls Vorschüsse (&B. 8564 Ziff.4), 
und wenn die gesetzlichen Mindestleistungen der 
Kasse durch die Beiträge, nachdem sie 6% der 
durchschnittlichen Tagelöhne oder des Arbeits- 
verdienstes erreicht haben, nicht gedecht werden, 
aus eigenen Mitteln Zuschüsse leisten (&B. 
§ 65 Abs. 2). Auch die Vorschriften über das 
Statut der Ortskrankenkassen (s. d. V) gelten 
für B., abweichend ist jedoch vorgeschrieben, 
daß das Kassenstatut durch den Betriebsunter- 
nehmer oder durch seinen Beauftragten nach 
Anhörung der beschäftigten Personen oder ihrer 
Vertreter zu errichten ist (&V. 8 64 Ziff. 1). 
Muusterstatut s. B# Bek. vom 3. Juli 1892 
(3Bl. 515) und vom 1. Juli 1903 (3Bl. 248). 
Die Organe der B. sind dieselben wie die- 
jenigen der Ortskrankenkassen (s. d. VI). Durch 
das Kassenstatut kann dem Betriebsunter- 
nehmer der Vorsitz im Vorstand und in der 
Generalversammlung übertragen werden (K. 
§ 64 Ziff. 2). Die B. ist zu schließen, wenn
	        
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