Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Branntweinbesteuerung. 
der erwähnten Art der B. allmählich immer 
mehr Gegner. Hierzu gehörten in erster Linie 
die Hefebrennereien, die aus technischen Grün- 
den gezwungen sind, dünn zu maischen und 
von der Steuer deshalb härter getroffen werden 
als andere Brennereien. Ferner wurde nicht 
mit Unrecht darauf hingewiesen, daß das Dick- 
maischen, wenn es übertrieben wird, zur Roh- 
stoffverschwendiuung führt. Endlich mehrten sich 
die Stimmen, die angesichts der steigenden 
Bedürfnisse des Bundes und später des Reiches 
den Branntwein als ein Steuerobjekt bezeich- 
neten, aus dem Deutschland nach dem Vor- 
gang anderer Länder bedeutend höhere Steuer- 
erträge ziehen könne. Indessen wurde ein im 
Jahre 1869 von der Regierung eingebrachter 
Gesetzentwurf (Einführung einer Fabrikatsteuer 
bei erheblicher Erhöhung der Mloischbottich- 
steuer) vom Reichstag abgelehnt. Dasselbe 
Schichsal hatte eine auf Einführung eines 
Branntweinmonopols (Fabrikations= und Han- 
delsmonopols; s. Monopole h gerichtete Vor- 
lage aus dem Jahre 1886. Besseren Erfolg 
hatten die inzwischen gleichfalls hervorgetrete- 
nen Wünsche auf Zulassung der Steuerfreiheit 
für Branntwein, der zu gewerblichen Zwecken 
verwendet wird (G., betr. die Steuerfreiheit 
des Branntweins zu gewerblichen Zwecken, 
vom 19. Juli 1879 — BRl. 259). Endlich 
gelang es der Regierung, nach einem weiteren 
mißlungenen Versuche, im Jahre 1887 den 
Reichstag zur Annahme eines Gesetzes zu be- 
wegen, durch das eine, neben die Milaeisch- 
bottich= und die Materialsteuer tretende Fabri- 
katsteuer eingeführt und die B. in Deutsch- 
land in neue Bahnen gelenkt wurde (G., betr. 
die Besteuerung des Branntweins, vom 24. Juni 
1887 — REl. 253). 
b) Das Branntweinsteuergesetz vom 
24. Juni 1887. Dieses Gesetz ist deshalb für 
die Entwichlung der B. von einschneidender 
edeutung, weil es an die Stelle von ver- 
hältnismäßig einfachen Steuerformen ein, den 
vielen verschiedenartigen im Brennereigewerbe 
obwaltenden Umständen in weitem Maße 
echnung tragendes hkunstvolles und ver- 
wickeltes Steuergebilde setzte, und außerdem 
den Weg zur Rechtseinheit in Deutschland 
bahnte. Die wesentlichsten Anderungen gegen- 
über dem bisherigen Steuersystem bestanden 
in folgendem 
1. Aller hergestellter Branntwein, jedoch 
ausschließlich des zur Ausfuhr und zur ge- 
werblichen Verwendung, zu Heil-, zu wissen- 
schaftlichen oder zu Putz-, Heizungs-, Koch- 
oder Beleuchtungszwechen verwendeten, wird 
einer Verbrauchsabgabe (s. Verbrauchs- 
steuern 0 unterworfen (5§1 Abs. 1 u. 4). Diese 
ist jedoch nicht gleichmäßig hoch bemessen, 
sondern beträgt — und darin liegt das Eigen- 
artige dieser Steuer — für einen gewissen 
Eil der Gesamterzeugung des Inlandes (das 
esamtkontingent) 50 Pf., für den mehr her- 
gestellten Branntwein 70 Pf. für das Liter 
5 1 Abs. 2). Das GesamtSontingent wird 
nach bestimmten Grundsätzen auf die land- 
wirtschaftlichen Brennereien und Material- 
rennereien und auf die bereits bestehenden 
gewerblichen Brennereien verteilt, während 
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung. 
  
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neu entstandene gewerbliche Brennereien Nein 
Kontingent erhalten. Zweck der Einführung 
jenes doppelten Satzes war, im Interesse der 
bestehenden, insbesondere der landwirtschaft- 
lichen Brennereien der Gefahr des Sinkens 
der Spirituspreise entgegenzuwirken, mit der 
bei der starken Belastung des Branntweins 
und dem daraus zu erwartenden erheblichen 
Rüchkgang des Branntweinverbrauches zu rech- 
nen war. Dadurch, daß man das Gesamt- 
kontingent auf 4,5 1 für den Kopf der Be- 
völkerung bemaß (§ 1 Abs. 2), während der 
Trinkverbrauch in Wirhlichkeit höher war, 
sicherte man die Nachfrage nach dem geringer 
besteuerten Branntwein, so daß der Brenner 
wenigstens für einen Teil seiner Produktion 
einen annehmbaren Preis erzielte. (Erreicht 
in vollem Umfange wurde dies erst durch 
Einführung der Berechtigungsscheine; s. den 
Artikel Kontingentscheine.) 
2. Einen weiteren Schutz gegenüber der 
Belastung durch das neue Gesetz erfuhr die 
an dem Brennereigewerbe beteiligte Landwirt- 
schaft dadurch, daß für kRleinere und mittlere 
landwirtschaftliche Brennereien eine Ermäßi- 
gung der Maischbottichsteuersätze ein- 
geführt wurde (8 41, I). Umgetkehrt sollen 
aber größere landwirtschaftliche Brennereien, 
die mehr spekulativen Zwecken insofern dienen, 
als sie einen durch das Bedürfnis nach 
Schlempefütterung nicht gerechtfertigten Som- 
merbrand durchführen, für diesen statt der 
Maischbottichsteuer gewisse — sie höher be- 
lastende — Zuschläge zur Verbrauchsabgabe 
entrichten (8 42, I). 
3. Wie die eben erwähnten Brennereien, 
so werden auch die den Gegensatz zu den 
landwirtschaftlichen bildenden gewerblichen 
Brennereien von den Vorteilen der Ent- 
richtung der Maischbottichsteuer ausgeschlossen. 
Sie entrichten gleichfalls jene Zuschläge. 
Auch andere Brennereien können zur Ent- 
richtung von Auschlägen an Stelle der Waisch- 
bottich oder Materialsteuer zugelasseen werden 
4, D. 
4. Die Vergütung der Maischbottich- 
und Materialsteuer wird erweitert, so da 
sie derjenigen der Verbrauchsabgabe (s. 1 a. A. 
entspricht (§ 41, V). 
5. Wie das G. vom 19. Juli 1879, so wurde 
auch das G. vom 24. Juni 1887 für das Ge- 
biet der Branntweinsteuergemeinschaft erlassen. 
Dagegen galt das G. vom 8. Juli 1868 for- 
mell bisher nur für einen geringen Teil dieses 
Gebietes. Das G. vom 24. Juni 1887 be- 
stimmte nun, daß das zuletzt bezeichnete Gesetz 
mit den sich aus senem ergebenden Anderungen 
nunmehr gleichfalls im ganzen Gebiete 
der Branntweinsteuergemeinschaft gel- 
ten sollte (§ 40). Außerdem wurde in § 47 
der Beitritt der bisher zu letzterer nicht ge- 
hörenden Staaten Bayern, Württemberg 
und Baden vorgesehen und ihnen für diesen 
Fall eine gewisse Bevorzugung bei der Kon- 
tingentierung in Aussicht gestellt. Die Folge 
hiervon war, daß diese Staaten alsbald der 
Gemeinschaft beitraten (Röl. 1887 S. 485, 
487, 491). Auch in Hohenzollern, das bis- 
her gleichfalls nicht zur Gemeinschaft gehörte, 
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