Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Bürgerausschuß — Bürgereid. 
nicht zur Bürgerschaft gehörigen Einwohner 
nahmen als Schutzverwandte der Stadtgemeinde 
an den kommunalen BRechten nicht teil, sie 
trugen aber auch geringere Lasten. Die enge 
Verbindung der wirtschaftlichen Existenz des 
B. mit dem Bürgerrecht, sowie die Stetigkeit 
seines Wohnsitzes erfuhr durch die neuere Ge- 
setzgebung auf dem Gebiete des Gewerbe- 
wesens und der Armenpflege, welche in das 
staatliche und städtische Leben die Grundsätze 
der Gewerbefreiheit, der Freizügigkeit und der 
öffentlichen Armenunterstützung auf der Grund- 
  
lage des Unterstützungswohnsitzes hineintrugen, 
eine durchgreifende Wandlung (Edikt vom 
27. Okt. 1810 — GS. 25 — und vom 2. Aov. 
1810 — GS. 79; GewO. vom 17. Jan. 1845 — 
GS. 41; G. vom 31. Dez. 1842 — GS. 1843, 
15; G. über die Verpflichtung zur Armenpflege 
vom 31. Dez. 1842 — GS. 1843, 8). S. Ar- 
menpflege, Freizügigkeit, Gewerbe- 
freiheit, Unterstützungswohnsitz. Durch 
die Gesetzgebung des Aorddeutschen Bundes 
und demnächst des Deutschen Reiches ist das 
System des städtischen Bürgerrechts noch mehr 
durchbrochen. 
I.I Seit der Gem O. vom 11. Müärz 1850 
(GS. 213) unterscheidet man eine die Voll- 
bürger umfassende Bürgergemeinde und eine 
alle innerhalb des Stadtbezirks wohnhaften 
ersonen in sich begreifende Einwohnergemeinde. 
ie St O. vom 30. Mai 1853 steht nicht mehr 
auf dem Boden der Bürger-, sondern der Ein- 
wohnergemeinde. Die Gemeindeangehörigkeit 
erstrecht sich auf alle Ortsbewohner und wird 
durch die Tatsache der Wohnsitznahme erwor- 
ben, durch die Wohnsitzaufgabe verloren. Alle 
Einwohner sind zur Mitbenutzung der Ge- 
meindeanstalten und zur Teilnahme an den 
Autzungen und Erträgen des Gemeindevermö- 
gens berechtigt, aber auch zur Beitragsleistung 
zu den Gemeindelasten verpflichtet. Aur für 
die Teilnahme an den Gemeindewahlen und 
das Recht zur Bekleidung von Gemeindeäm- 
tern sind noch andere Voraussetzungen Be- 
dingung. Auch dieses Bürgerrecht im engern 
Sinne entsteht aber, unabhängig von dem 
illen des einzelnen und der Zustimmung 
der städtischen Behörden, kraft Gesetzes, sobald 
die hierfür maßgebende Leistungsfähigkeit des 
Einwohners vorhanden ist. Während hiernach 
m den übrigen Teilen der preußischen Monar- 
chie eine geschlossene Bürgerschaft nicht mehr 
desteht, bildet dieselbe nach wie vor in der 
D rov. Hannover die auf der persönlichen Ver- 
eihung beruhende Grundlage des städtischen 
n ganismus, und das dortige Bürgerrecht ver- 
eiht nicht nur Kommunalpolitische Rechte und 
Stlichten, sondern auch besondere Vorteile hin- 
echtlich der Autzung des Bürgervermögens. 
der B. hat den Bürgereid zu leisten und für 
ie Gewinnung des Bürgerrechts eine Gebühr 
g die Stadtkasse zu entrichten. Auch die 
annSt0. scheidet Einwohner und B., sie hebt 
er aus der Zahl der letzteren die stimmfähi- 
gen Bürger heraus, welche die alleinigen Trä- 
#e#r der kommunalpolitischen Rechte sind (Hann- 
- vom 24. Juni 1858 — Hann GS. 141 — 
12, 19 ff., 83, 85 ff.). S. Bürgerbrief, 
  
  
ürgereid, Burgergewinngelder, Bür- 
311 
gerrecht, Bürgerrechtsgelder, Bürger- 
rolle, Einwohner, Städte, Städteord- 
nungen, Stadtverordnetenwahlen. 
Bürgerausschuß ist die Bezeichnung der Ge- 
meindevertretung, welche in den Städten der 
hohenzollernschen Lande (zurzeit Sigmaringen 
und Hechingen) an die Stelle der für die Land- 
gemeinden vorgesehenen Gemeindeversammlung 
tritt (HohenzollS#em O. vom 2. Juli 1900 — 
GS. 189 — 8§8§ 1 Abs. 1 u. 20). 
Bürgerbrief. B. ist der urkundliche Aus- 
weis über die Erwerbung des städtischen Bür- 
gerrechts. Die Mehrzahl der preuß. Städte- 
ordnungen (s. d.) überlassen die Einführung 
und Regelung seiner Erteilung der ortsstatu- 
tarischen Festsetzung. Die Aichterwähnung der 
Ausstellung von B. in den StO. für Hannover 
und Hessen-Aassau sowie in dem Gemeinde- 
verfassungsgesetz für Frankfurt a. M. schließt 
den Erlaß hierauf bezüglicher ortsstatutarischer 
Bestimmungen nicht aus. Die Ausf-nstr. vom 
30. Juni 1853 zur StO. vom 30. Mai 1853 
(MBl. 138) regt die beschränkte Erteilung von 
B. an solche Personen an, die sich um das 
Gemeinwohl besonders verdient gemacht haben 
oder durch ihre Besitz= und Erwerbsverhält- 
nisse (Hausbesitz, selbständigen Gewerbebetrieb 
u. dgl.) in dauernder und lebhafter Beziehung 
zu den städtischen Angelegenheiten stehen. Die 
Bedeutung einer Besitzübertragungsurkunde 
hat der B. nur da, wo, wie in Hannover, der 
Erwerb des Bürgerrechts auf ausdrüchklicher 
Verleihung beruht (OV. 24, 33). In Schles- 
wig-Holstein darf für die Erteilung des B. eine 
Ausfertigungsgebühr erhoben werden (St0O. 
vom 14. April 1869 — GS. 589 — §+ 15 Abs. 2). 
S. auch Bürgerrecht. 
Bürgereid. Die Einrichtung des B., welche 
für die altpreuß. Provinzen im ALR. II, 8 
§ 21 vorgesehen war und noch in den Std. 
(. d.) von 1808 und 1831 Aufnahme gefunden 
ð besteht gegenwärtig nur noch für die 
rov. Hannover. Nach § 30 der HannSt. 
vom 24. Juni 1858 (Hann GS. I, 141) sind alle 
männlichen Bürger verpflichtet, vor dem Magi- 
strat persönlich oder, im Falle der Abwesen- 
heit, durch einen öffentlich beglaubigten 
schriftlichen Revers den B. dahin zu leisten, 
„daß sie die ihnen nach den Gesetzen und der 
Stadtverfassung obliegenden Pflichten als Bür- 
er gewissenhaft erfüllen und den vorgesetzten 
Bepörden, namentlich dem Magistrate, Gehor- 
sam leisten wollen". Personen weiblichen Ge- 
schlechts haben nur die treue Erfüllung der 
ihnen obliegenden Bürgerpflichten anzugeloben. 
Ehrenbürger sind von der Eidesleistung be- 
freit. Für die Angestellten der Stadt ist der 
B. im Diensteide mitenthalten. Die Ableistung 
des Staatsdienereides schließt die Verpflichtung 
zur Ablegung des B. nicht aus (O#. 37, 107). 
Der in 8 30 a. a. O. vorgesehene Huldigungs- 
eid ist fortgefallen. Uber Einsprüche und Be- 
schwerden, welche die Leistung des B. zum 
Gegenstande haben, beschließt nach § 10 des 
Z. vom 1. Aug. 1883 (G S. 237) die Gemeinde- 
vertretung, gegen deren Beschluß die Klage im 
Verwaltungsstreitverfahren bei dem Bezirks- 
ausschuß gegeben ist. Zwangsmittel zur Er- 
zwingung der Eidesleistung sind nur mit der
	        
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