Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Bürgermeister. 
zu den Landesgesetzen, und Ubergangsvorschrif- 
ten. Den Landesrechten lassen beide noch einen 
weiten Spielraum (die sog. Verlustliste des 
Be-.)), im großen und ganzen haben sie aber 
auf dem Gebiete des Privatrechts die ersehnte 
Rechtseinheit gebracht. Das BEB. beschränkt 
sich an sich zwar auf das Privatrecht. Seine 
Bestimmungen wirtken jedoch vielfach mittel- 
bar — hierbei teilweise ungewollt und selbst 
gegen den Willen — auch auf das öffent- 
liche Recht ein, mitunter greifen sie unmittel- 
bar in dieses über. Das Privatrecht will es 
in Verbindung mit den schon erlassenen 
Reichsgesetzen privatrechtlichen Inhalts voll- 
ständig ordnen in der Art, daß zur Fort- 
geltung des Landesrechts ein besonderer Vor- 
behalt notwendig ist. Solche Vorbehalte sind 
indessen sehr zahlreich gemacht, hauptsächlich 
bei Materien, die mit dem öffentlichen Rechte, 
z. B. baftung, des Staates, der Gemeinden 
und anderer Kommunalverbände für den von 
ihren Beamten zugefügten Schaden (Eu. Art.77), 
oder mit örtlichen Verhältnissen, z. B. Wasser-, 
Siel= und Deichrecht, Jagd= und Fischerei- 
recht (E#. Art. 65, 66, 69), zusammenhängen. 
Mit Rücksicht auf das BE#. ist eine ganze 
Anzahl von Reichsgesetzen teils umgearbeitet, 
teils (die sog. Aebengesetze) neu ausgearbeitet 
worden und gleichzeitig mit ihm in Kraft ge- 
treten, so das HGB. und die 3PO., das F#O#. 
und die GBO. Zum BE. sind in den ein- 
zelnen Bundesstaaten Ausführungsgesetze er- 
gangen, in Preußen das AG. vom 20. Sept. 
1899 — GS. 177 ([. Ausführungsgesetze). 
Im Art. 89 dieses AG. sind, um der Praxgis die 
Feststellung, welche Vorschriften des preuß. 
andesrechts als dem Privatrecht angehörend 
aufgehoben und welche gemäß einem Vor- 
behalt in Geltung geblieben sind, zu erleich- 
tern, viele Vorschriften des bisherigen Rechts 
ausdrücklich für aufgehoben erklärt. 
Bürgermeister wird der an der Spitze ge- 
wisser Gemeinden als Ortsobrigkeit und Ge- 
meindeverwaltungsbehörde stehende Beamte 
genannt. In der Rheinprovinz, in Hessen- 
assau und in den hohenzollernschen Landen 
ühren auch die Vorsteher von Landgemeinden 
lese Bezeichnung, in den übrigen Provinzen 
mur die von Stadtgemeinden. In den gröbe- 
ren Städten Schleswig-Holsteins und in be- 
stimmten Städten der Prov. Hessen-Aassau 
führt der B. von Amts wegen, in den anderen 
5 rovinzen auf Grund einer Verleihung durch 
en König den Titel Oberbürgermeister, bis- 
weilen steht ihm ein Beigeordneter oder 
zweiter B. zur Seite. Seine amtliche Stellung 
°“ eine verschiedene, je nachdem er als Einzel- 
bamter (in Städten mit Bürgermeistereiver- 
". lung), oder nur als Vorsitzender eines 
- egialischen Gemeindevorstands (in Städten 
5 Magistratsverfassung) in Betracht kommt. 
er die Urlaubserteilung an B. s. Urlaub. 
“ In den östlichen Provinzen ist der B. 
dach deer St O. vom 30. Mai 1853 Mitglied 
die agistrats (s. d.) und wird ebenso wie 
von übrigen besoldeten Magistratsmitglieder 
der Stadtverordnetenversammlung auf 
zwolf GFahre gewählt (§ 31). Doch ist nach 
  
vom 25. Febr. 1856 (GS. 129) auch 
313 
eine Wahl auf Lebenszeit zulässig. Seine 
Wahl bedarf der Bestätigung, die dem 
Könige hinsichtlich der B. und Beigeordneten 
in Städten von mehr als 10 000 Einwohnern, 
dem Regierungspräsidenten in den kleineren 
Städten zusteht (§ 33). S. das nähere hierüber 
Bestätigung der Kommunalbeamten. 
Wird die Bestätigung versagt, so soll die 
Stadtverordnetenversammlung zu einer neuen 
Wahl schreiten. Wird diese verweigert oder 
der nach der ersten Wahl nicht Bestätigte 
nochmals gewählt oder wird die neue Wahl 
wiederum nicht bestätigt, so ist der Regierungs- 
präsident (in Berlin der Oberpräsident) be- 
rechtigt, die Stelle einstweilen auf Kosten der 
Stadt verwalten zu lassen. Diese RKommissa- 
rische Verwaltung dauert so lange, bis die 
Wahl der Stadtverordnetenversammlung, deren 
wiederholte Vornahme ihr jederzeit zusteht, 
die Bestätigung des Königs bzw. des Regie- 
rungspräsidenten erlangt hat. — Uber die An- 
stellungsurkunde, die Vereidigung des B., sein 
Amtsabzeichen, seine Befugnis zur Ubernahme 
von ANebenämtern oder Mebenbeschäftigungen 
und seine Beurlaubung s. Magistrat. Sein 
Gehalt wird durch einen Normaletat oder vor 
der Wahl mit Genehmigung des Bezirksaus- 
schusses festgesetzt (S§ 64). S. Besoldung, 
Pension, Magistrat. — Die Obliegen- 
heiten des B. sind folgende: Er leitet und 
beaufsichtigt den ganzen Geschäftsgang der 
städtischen Verwaltung. Auch die dem Ma- 
gistrat (s. d.) obliegenden Geschäfte muß er 
in Fällen, in denen dessen vorherige Be- 
schlußfassung einen nachteiligen Zeitverlust 
verursachen würde, vorläufig allein be- 
sorgen, jedoch in der nächsten Sitzung behufs 
der Bestätigung oder anderweitigen Beschluß- 
fassung Bericht erstatten. Zur Erhaltung 
der Disziplin (s. Dienstvergehen) kann 
er den Gemeindebeamten Geldbuße bis zu 
9 M. und außerdem den unteren Beamten 
Arreststrafen bis zu 3 Tagen auferlegen (StO. 
§ 58; Disziplinargesetz §8 15, 19 u. 20). Ge- 
gen seine Strafverfügungen findet innerhalb 
zwei Wochen die Beschwerde an den Regie- 
rungspräsidenten, und gegen den auf die Be- 
schwerde ergehenden Beschluß des letzteren 
innerhalb der gleichen Frist die Klage bei dem 
OW. statt (8G. 8 20). Gegen Magistrats- 
mitglieder Kann der B. nur Warnungen und 
Verweise verhängen (OV. 17, 443). Für 
Berlin tritt der Oberpräsident an die Stelle 
des Regierungspräsidenten (LB. 8§ 42; 36. 
§ 7). Der B. hat ferner nach näherer Be- 
stimmung der Gesetze folgende Geschäfte zu 
besorgen (St O. 8 62): a) in Städten, in denen 
die Ortspolizei nicht von einer kgl. Behörde 
verwaltet wird, diese Verwaltung (s. Orts- 
polizeiverwaltung), die Verrichtungen 
eines Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft 
((. d.) und eines Amtsanwaltes (s. d.), und 
zwar die Amtsanwaltschaft auch für die übrigen 
Gemeinden des Gerichtsbezirks gegen Ent- 
schädigung; b) in allen Städten die örtlichen 
Geschäfte der Kreis-, Bezirhs-, Provinzial- 
und allgemeinen Staatsverwaltung, soweit sie 
nicht anderen Behörden übertragen sind, 
namentlich auch die Führung der Personen-
	        
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