318
Voraussetzungen in seiner Person vorliegen.
Diese Voraussetzungen sind folgende:
1. Besitz der preuß. Staats-bzw. der deutschen
Reichsangehörigkeit. In den sieben östlichen
Provinzen, Rheinland, Westfalen und Frank-
furt a. M. wird der Besitz der preuß. Staats-
angehörigkeit gefordert, während die St . für
Schleswig-Holstein und Hessen-Aassau sowie die
Hohenzoll GSem O. sich mit dem Erfordernisse der
deutschen Reichsangehorigkeit begnügen.
2. Mlännliches Geschlecht. Frauen und ju-
ristische Personen sind von der Erlangung des
B. ausgeschlossen, doch sind letztere aktiv wahl-
fähig, wenn sie in einer Stadt seit Jahresfrist
mehr an direkten Staats= und Gemeinde-
abgaben entrichten, als einer der drei höchst-
besteuerten Einwohner. Dies trifft für Aktien-
gesellschaften, nicht aber für Gesellschaften mit
beschränkter Haftung und eingetragenen Ge-
nossenschaften zu (OVG. 17, 94; Pr BBl. 18, 349).
Der Fiskus entrichtet keine direkten Steuern
und hat deshalb kein Wahlrecht (OV. 14, 43).
3. Vollbesitz der bürgerlichen Ehrenrechte.
Ausdrücklich als Erfordernis bezeichnet wird
derselbe nur in den StO. für Schleswigbol-
stein 67 Abs. 1) und Hessen-Aassau (§ 5 Abs. 2
Ziff. 2), die Bestimmungen über den Verlust
des B. lassen aber RBeinen Zweifel darüber,
daß diese Verauasetzung für alle Provinzen gilt.
4. Selbständigkeit. Als selbständig bezeichnen
die StO. der sieben östlichen Prounzen (6 5
Abs. 6), für die Rheinprovinz (§ 5 Abs. 5), für
Hessen-NAassau (8§5 Abs. 6) und des Gem V. für
Frankfurt a. M. (§ 14) denjenigen, welcher das
24. Lebensjahr vollendet hat und einen eigenen
Hausstand besitzt, sofern ihm nicht das Ver-
fügungsrecht über sein Vermögen oder dessen
Verwaltung durch richterlichen Beschluß (früher:
Erkenntnis; vgl. Z PO. 88 645 ff., 680 ff.; Be#B.
§ 6, 104 ff., 1909 ff.) entzogen ist. Nach 87
Abs. 1 Ziff. 2 St O. für Schleswig-Holstein vom
14. April 1869 werden als nicht selbständig
angesehen die Personen, welche minderjährig
sind oder unter einer die Dispositionsbefugnis
beschränkenden Kuratel oder im Hause und
Brote anderer stehen, oder eine nach ihrem
18. Lebensjahre empfangene öffentliche Armen-
unterstützung nicht zurückerstattet haben (hin-
sichtlich des Begriffes „Hausstand“ s. d.).
5. Einwohnerschaft im Stadtbezirke und
Zugehörigkeit zur Stadtgemeinde. Einwohner
des Stadtbezirks sind alle diejenigen, welche
in ihm nach gesetzlicher Vorschrift ihren Wohn-
sitz haben (s. Einwohner und Wohnsitz).
Zur Stadtgemeinde gehören alle Einwohner
mit Ausnahme der servisberechtigten Militär-
personen des aktiven Dienststandes (s. Mili-
tärpersonen). In den sieben östlichen Pro-
vinzen, in der Nheinprovinz und Westfalen
muß die Einwohnerschaft und Gemeinde-
zuhörigkeeit ein Jahr gedauert haben, in
essen-Aassau wird ein Wohnsitz von zwei
Jahren im Stadtbezirke verlangt, in Schles-
wig-Holstein und Frankfurt a. M. Rkann von
dem Erfordernis des einjährigen Wohnsitzes
dispensiert werden. Der doppelte Wohnsitz
gestattet auch ein B. in einer Mehrheit von
Gemeinden. Aicht im Stadtbezirk wohnhafte
und nicht zur Stadtgemeinde gehörige, aber
Bürgerrecht.
mit Grundbesitz in ersterem angesessene Per-
sonen (Forensen) können nicht Bürger sein,
sondern haben nur unter gewissen Voraus-
setzungen ein Wahlrecht (s. Forensen, Ge-
meindewahlen). Wenn ein Bürger, der Be-
sitzer eines einen selbständigen Gutsbezirk
bildenden Gutes oder ein stimmberechtigter
Einwohner einer Landgemeinde seinen Wohn-
sitz nach einer anderen Stadt verlegt hat, so
kann ihm das B. in dem neuen Wohnorte bei
dem Vorhandensein der sonstigen Erfordernisse
von dem Magistrat im Einvernehmen mit der
Stadtverordnetenversammlung vor Ablauf
eines Jahres, bzw. in Hessen-Aassau von zwei
Jahren, verliehen werden. Die Mitglieder
des kgl. Hauses sollen nach einem Erl. vom
30. Mai 1850 (abgedruckt bei Hübner, Städte-
ordnung S. 48) nicht als Mitglieder der Ge-
meinde ihres Wohnortes betrachtet werden.
Dasselbe gilt hinsichtlich der im Jahre 1866
ihrer Throne verlustig gegangenen Fürsten und
der Standesherren in den altpreuß. Provinzen
(C(Fürsten, Standesherren).
6. Nichtempfang einer Armenunterstützung
aus öffentlichen Mitteln seit Jahresfrist. Als
Armenunterstützung gilt nicht, was auf Grund
der Kranken-, Unfalls= und der Alters= und
Invaliditätsgesetzgebung einmalig oder dauernd
ewährt wird. In Schleswig-Holstein ist die
Hurückzahlung jeder nach dem vollendeten
18. Lebensjahre empfangenen Armenunter-
stützung Bedingung für den Erwerb des B.
(SchlHolst StO. § 7 Abs. 1 Ziff. 2). 8 5 StO.
für Hessen-Aassau und § 11 Abs. 2 Ziff. 4 Gem O.
von Hohenzollern verlangen nur, daß jemand
keine Armenunterstützung aus öffentlichen
Mitteln empfängt, ohne auf die Vergangenheit
Bücksicht zu nehmen.
7. Zahlung der Gemeindeabgaben seit Jahres-
frist. Personen, die auf Grund der Bestim-
mungen des KW. (58 21, 24, 39—42) von
Gemeindeabgaben befreit sind, können bei dem
Vorhandensein der sonstigen Voraussetzungen
das B. erwerben.
8. Das alternative Vorhandensein einer
der folgenden Bedingungen: entweder a. Be-
sitz eines Wohnhauses im Stadtbezirke. Nach
§§ 8, 16 St O. f. d. ö. Pr. wird hierunter Eigen-
tum, A##brauch und erbliches Besitzrecht ver-
standen. Miteigentum genügt nicht (O.
18, 36; 38, 26 — Pr Vl. 24, 603). Im Falle
der Vererbung ist Anrechnung der Besitzzeit
des Erblassers zugelassen oder 6. das Vor-
handensein einer bestimmten Steuerkraft. Nach
Beseitigung der Klassen= und klassifizierten
Einkommensteuer durch das Eink t. vom
24. Juni 1891 (GS. 175) und der Mahl= und
Schlachtsteuer durch das G. vom 25. Mai 1873
(G. 222) gilt für alle Städte der Monarchie
§ 77 Abs. 1 Eink tG., nach dem überall, wo#
das B. an die Bedingung eines jährlichen
Klassensteuerbetrags von 6 Ml geknünpft ist,
bis zur anderweiten gesetzlichen Regelung des
Gemeindewahlrechts an die Stelle dieses Satzes
der Steuersatz von 4 M. bzw. ein Einkommen
von mehr als 660—900 Ml. tritt. Alle § 77
Abs. 1 entgegenstehenden ortsstatutarischen Be-
stimmungen und Gemeindebeschlüsse sind da-
mit außer Kraft gesetzt. § 77 a. a. O. be-