Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Bürgerrecht. 
stimmt in Abs. 2 u. 3 weiter: „In denjenigen 
Landesteilen, in welchen für die Gemeinde- 
vertreterwahlen die Wähler nach Alaßgabe 
der von ihnen zu entrichtenden direkten 
Steuern in Abteilungen geteilt werden, tritt 
an die Stelle eines 6 M. Einkommensteuer 
übersteigenden Steuersatzes, an welchen durch 
Ortsstatut das Wahlrecht geknüpft wird, der 
Steuersatz von 6 M. Wo solche Ortsstatuten 
nach bestehenden Kommunalordnungen zulässig 
sind, kann das Wahlrecht von einem niedrigeren 
Steuersatze, bzw. von einem Einkommen von 
900 M. abhängig gemacht werden. Eine Er- 
höhung ist nicht zulässig.“ Nach der BRecht- 
sprechung des O. (OV. 38, 32; 40, 43) 
beschränkt sich der Geltungsbereich dieser Be- 
stimmungen auf die Nbheinprovinz, woselbst 
als weitere Alternative die Entrichtung eines 
Grund= und Gebäudesteuerbetrages von min- 
destens 6 bis höchstens 30 Ml von den im Ge- 
meindebezirke belegenen Grundbesitzungen des 
Zensiten zugelassen ist. In der Prov. Schles- 
wig-Holstein ist die ortsstatutarische Festsetzung 
eines Einkommensbetrages vorgesehen, welcher 
mindestens 600 M. betragen muß und höchstens 
1500 Ml. betragen darf. Diese Festsetzung ist 
durch die neuere Gesetzgebung unberührt gelas- 
sen, hat indessen die Stadtgemeinde von dem ihr 
ebenfalls zustehenden Rechte Gebrauch gemacht, 
im Wege der ortsstatutarischen Regelung einen 
Klassensteuersatz als Zensus einzuführen, so 
steht ihr seit dem Inkrafttreten des Ein- 
kommensteuergesetzes nicht mehr die Befugnis 
zu, eine Anderung des Zensussatzes zu be- 
schließen. Die Hess Aass StO. läßt die Ver- 
anlagung zu einem Jahresbetrage von min- 
destens 6 M. an Grund= und Geväudesteuer 
von dem innerhalb des Stadtbezirks belegenen 
Grundbesitze zu, die Hohenzoll Gem O. kennt 
als alternative Voraussetzung des B. nach § 11 
Abs. 1 Ziff. öb noch die, daß semand von seinem 
imnerhalb des Gemeindebezirks belegenen 
Grundbesitze zu einem Jahresbetrage von min- 
destens 2 M. an Grund-, Gefäll= u. Gebäudesteuer 
vom Staate veranlagk ist (ogl. St O. f. d. ö. Pr. 
vom 30. Mai 1853 §§ 5, 6; WestfSt O. vom 
19. März 1856 89 5,6; Bhein StO. vom 15. Mai 
1856 8§ 5, 6; SchlHolst StO. vom 14. Mai 1869 
6, 7, 8; Hefs RassStO. vom 4. Aug. 1897 
2 5, 6; Gem W. für Franhfurt a. Ml. vom 
2 Järz 1867 §§ 13—15; Hohenzoll bem O. vom 
"] Zult 1900 §§ 9—12). In der Prov. Hannover 
Zird das B. durch Verleihung erworben 
Fannstd. vom 24. Juni 1858 88 21, 97 Ziff. 10). 
mner solchen bedarf es nicht für die Magistrats- 
14 itglieder und die im städtischen Dienste dau- 
rnd und ohne Vorbehalt der Kündigung An- 
estellten (68 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 Ziff. 1 a. a. O.). 
d crechtigt zum Erwerbe sind alle Einwohner 
1 r Stadt von unbescholtenem Wandel (6 26 
Gi a. O.). Verpflichtet zum Erwerbe ist jeder 
cchl wohner männlichen oder weiblichen Ge- 
Mrechts, welcher a) sich behufs der selbständigen 
in *ebung einer Kunst oder einer Wissenschaft 
oder tadtbezirke dauernd niedergelassen hat 
wenl, ) seit mindestens drei Jahren ein Ge- 
hal edim Stadtbezirke betreibt oder c) inner- 
tümlt es Stadtbezirks ein Wohnhaus eigen— 
ch erwirbt. Mehrere Teilnehmer einer 
  
  
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Handlung oder eines Gewerbeunternehmens, 
welches in der Stadt betrieben wird, müssen, 
wenn sie in derselben wohnen, sämtlich Bürger 
werden, für gewerbliche Gesellschaften mit 
juristischer Persönlichkeit ist der zu bestellende 
verantwortliche Geschäfts= oder Werkführer 
erwerbspflichtig. Durch Ortsstatut kann die 
Verpflichtung zu c auch auf die Einwohner 
ausgedehnt werden, welche nicht mit Wohn- 
häusern besetzte Grundstüche im Stadtbezirke 
erwerben, andererseits ist eine Beschränkung 
der Pflicht auf die Erwerber von Wohnhäusern 
mit einem bestimmten Mirndestwert zulässig. 
Gestattet ist auch die ortsstatutarische Aus- 
dehnung der Erwerbspflicht auf auswärtige 
Besitzer städtischer Wohnhäuser (§8 22, 26, 29 
a. a. O.). S. auch Bürger, Bürgerbrief, 
Bürgereid, Bürgergewinngelder. 
III. Berlust und Ruhen. Das B. und 
damit auch die Befähigung dasselbe zu er- 
werben Rkann dauernd oder zeitweilig verloren 
gehen, es kann auch in seiner Ausübung ruhen. 
1. Der Verlust tritt ein, sobald eines der 
für den Erwerb vorgeschriebenen Erfordernisse 
nicht mehr zutrifft. Nach der Hess NassSt. 
(§ 9) und der Hohenzoll Sem O. (§ 15) führt 
Verlust der Selbständigkeit, Empfang von 
Armenunterstützung und Einstellung der Zah- 
lung von Gemeindeabgaben nicht den Verlust, 
sondern nur das Ruhen der Ausübung herbei. 
In Hannover geht das B. auch durch Verzicht 
verloren. Die 8§§ 83, 84 der Hann StO. schließen 
auch solche Personen von der Ausübung des 
Stimmrechts aus, welche wegen eines nach der 
öffentlichen Meinung entehrenden Vergehens 
und Verbrechens bestraft worden sind und 
lassen es zu, daß Personen, die sich durch un- 
sittliche Handlungen der öffentlichen Achtung 
verlustig gemacht haben, das Stimmrecht durch 
Beschluß des Magistrats und der Bürger- 
vorsteher entzogen werden kann. Der Fort- 
bestand dieser Bestimmungen ist, wie vom OVG. 
(Pr VBl. 19, 144) ausgeführt, durch §8§ 31 ff. 
St GB. nicht ausgeschlossen worden (Std. f. d. 
5ö. Pr. § 7; WestfStO. § 7; Rhein St O. § 7; 
SchlHolst StO. §§ 12—14; Hess Nass StO. 88 7 
bis 9, 86; FrankfGOV. 88 18—21; Hohen- 
zollS#em O. 5§ 13—15; HannSt. 8§ 32, 83, 84). 
2. Die Ausübung des B. ruht: a) bei den 
zum Beurlaubtenstande gehörigen Bürgern für 
die Zeit ihrer Einberufung zum Heere (RMil . 
vom 2. Mai 1874 — RGBl. 45 — 8§° 38); 
b) wenn gegen einen Bürger Untersuchungs- 
haft verfügt ist; ch wenn gegen ihn wegen 
eines Verbrechens oder Vergehens, welches 
die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte 
zur Folge haben würde, das Hauptverfahren 
eröffner ist, bis zu dessen Beendigung; dc) wäh- 
rend der Dauer eines Konkursverfahrens 
(ogl. AG. zur KO. vom 6. März 1879 — GS. 
109 — § 52). 
IV. Rechtsmittel. Der Schutz des B. und 
der aus ihm für den Bürger erwachsenden 
publizistischen Rechte bestimmt sich für die 
östlichen Provinzen, Aeuvorpommern und Rü- 
gen, Schleswig-Holstein, Hannover, Frank- 
furt a. M., Westfalen und die Rheinprovinz 
nach §§ 10, 11 ZG. Für Hessen-Nassau ist 
§ 11 StO., für Hohenzollern § 37 GemO. an
	        
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