Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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amten Anwendung, die nicht unter die Be— 
stimmungen des die Richter betreffenden G. 
vom 7. Mai 1851 fallen (§ 1). Hierzu ist 
folgendes hervorzuheben: 1. Infolge der durch 
Art. 87 Vl. gewährleisteten Unabhängigkeit 
des Richteramtes besteht zwischen der ganzen 
dienstlichen Stellung der Richter und der nicht 
richterlichen Beamten eine wesentliche Ver- 
schiedenheit, die sich insbesondere darin zeigt, 
daß der Staatsregierung in betreff des Richter- 
standes ein geringeres Alaß bestimmenden 
Einflusses zusteht, als auf die Tätigkeit des 
übrigen Beamtenstandes. Hierauf beruht es, 
daß durch das bereits angezogene G. vom 
7. Mai 1851 über die Dienstvergehen der 
Richter andere Bestimmungen als über die 
der nicht richterlichen Beamten erlassen worden 
sind. 2. Bei der ANeuorganisation der all- 
gemeinen Landesverwaltung sind die Beamten 
der Selbstverwaltung, wenn auch mit erheb- 
lichen Abweichungen, dem G. vom 21. Juli 
1852 unterstellt worden. Die wesentlichsten 
dieser Abweichungen sind, daß gegen die Ver- 
hängung von Ordnungsstrafen die Klage im 
Verwaltungsstreitverfahren zugelassen ist und 
daß in dem Verfahren auf Entfernung aus 
dem Amte an die Stelle der Bezirksregie- 
rungen, des Disziplinarhofes und des StM. 
die Verwaltungsgerichte als entscheidende 
Disziplinarbehörden treten (s. Disziplinar-= 
gerichte und Disziplinarverfahren). 
3. Die Mitglieder der Oberrechnungskammer 
unterliegen den Vorschriften der Gesetze über 
die Dienstvergehen der Richter (G. vom 
27. März 1872 — GS. 278 — § 5). 4. Die 
Mitglieder des O. unterliegen Beinem 
Disziplinarverfahren. Jedoch kann ein Mit- 
glied, das wegen einer entehrenden Handlung 
oder zu einer Freiheitsstrafe von länger als 
einjfähriger Dauer rechtskräftig verurteilt 
ist, durch Plenarbeschluß seines Amtes und 
ehalts für verlustig erklärt werden. Auch 
die vorläufige Amtsenthebung sowie die 
zwangsweise Versetzung eines Mitgliedes in 
den Ruhestand kann durch Plenarbeschluß 
ausgesprochen werden (Verwaltungsgerichts- 
gesetz in der Fassung der Bek. vom 2. Aug. 
1880 — GE. 327 — 8§8§. 20—22, 24, 25; G. 
vom 8. Mai 1889 — ES. 107 — 5 1). 5. 
Die Mitglieder und stellvertretenden 
Mitglieder des Bezirksausschusses, zu 
denen aber der Regierungspräsident nicht 
gehört, unterliegen in dieser ihrer Eigen- 
schaft, und zwar auch bezüglich desjenigen 
Teils ihrer amtlichen Tätigkheit, der nicht 
unter die Verwaltungsgerichtsbarkeit fällt, 
den Vorschriften des G. vom 7. Mai 1851. 
6. Die Universitätslehrer sind dem G. vom 
21. Juli 1852 mit der Maßgabe unterstellt, 
daß auf sie die auf die Versetzung im Inter- 
esse des Dienstes, die vorläufige und die 
zwangsweise Versetzung in den Ruhestand 
bezüglichen Bestimmungen keine Anwendung 
finden (§ 96 das.). 7. Das G. vom 17. Juni 
1898 (G#S. 125) hat die Vorschriften des D. 
und des G. vom 9. April 1879 mit einigen, 
im Gesetze näher bezeichneten Modifikhationen 
auf die Privatdozenten an den Landesuni- 
versitäten und an dem Lyzeum Hosianum zu 
  
Disziplinargewalt — Disziplinargewalt (Kirchliche). 
Braunsberg für anwendbar erklärt. 8. Die 
Disziplinarverhältnisse der Geistlichen und 
sonstigen Kirchenbeamten der ev. Landes- 
#hirche sind durch das Kirch G., betr. die 
Dienstvergehen der Kirchenbeamten und die 
unfreiwillige Versetzung derselben in den Ruhe- 
stand, vom 16. Juli 1886 (KCSOBl. 81) geregelt. 
Die Mitglieder der Kollegialbehörden des 
landesherrlichen Kirchenregiments (Oberkirchen- 
rat, Konsistorien) sowie die Strafanstaltsgeist- 
lichen unterstehen als unmittelbare Staats- 
diener dem G. vom 21. Juli 1852. Dagegen 
sind die Beamten der bischöflichen Konsistorien 
(Generalvikariate, Ordinariate) keine Staats- 
beamte. 9. Auf die Beamten des Kgl. Hauses 
und Hofes findet, da sie nicht zum Staat in 
einem Dienstverhältnis stehen, das G. vom 
21. Juli 1852 keine Anwendung. 10. Eben- 
sowenig sind ihm die Gendarmen als Personen 
des Soldatenstandes unterworfen (AOrder 
vom 22. Aug. 1829 — v. Kamnptz 13, 560; G. 
vom 23. Mai 1867 — GS. 777 — §+ 100. — 
11. Für die Bureau-, Kanzlei= und Unter- 
beamten der Landesversicherungsanstalten und 
ihrer Organe — mit Ausnahme derjenigen, 
die Provinzialbeamte sind findet das 
Disziplinargesetz vom 21. Juli 1852 mit den 
Abänderungen Anwendung, a) daß die den 
Ministern und den Provinzialbehörden bei- 
gelegte Befugnis zur Verhängung von Ord- 
nungsstrafen dem Vorsitzenden des Vorstandes 
der Versicherungsanstalt zusteht; b) daß in 
dem auf Entfernung aus dem Amte gerichteten 
Verfahren an die Stelle des Regierungspräsi- 
denten der Vorsitzende des Vorstandes der 
Versicherungsanstalt, an die Stelle der Bezirks- 
regierung und des Disziplinarhofes der Be- 
zirksausschuß und an die Stelle des StMM. 
das O. tritt (G. vom 17. Juni 1900 88 2, 3 
— G. 251). Aach § 97 des G. vom 21. Juli 
1852 findet dieses auch Anwendung auf die 
in den einstweiligen Ruhestand versetzten Be- 
amten; dagegen unterliegen ihm nicht pen- 
sionierte oder sonst endgültig in den Ruhe- 
stand getretene Beamte, da sie von jedem 
Beamtenverhältnis losgelöst sind. S. auch 
Disziplinarbehörden, Disziplinarge- 
richte, Disziplinarstrafen, Disziplinar= 
verfahren. 
Disziplinargewalt ist die in der Amter- 
hoheit des Staates wurzelnde Befugnis, dienst- 
liche Verfehlungen der Beamten zu rügen und 
zu bestrafen. Sie ist besonderen Beamten- 
kategorien innerhalb des im Gesetz bestimmten 
Umfanges übertragen, und läuft in die oberste 
Staats= bzw. Reichsbehörde aus (vgl. G. vom 
21. Juli 18502 — EGS. 465 — 8F 23 Ziff. 1 
und RBe. vom 31. März 1873 — Ml. 
61 — § 84). Ihr Ziel ist Reinhaltung und 
Ordnung des öffentlichen Dienstes, nicht öffent- 
liche Sühne, wie sie die Verletzung der all- 
gemeinen Rechtsordnung erheischt ((. auch 
Aussicht). 
Disziplinargewalt (kirchliche). Die D. 
der kirchlichen Obern über solche Kirchendiener, 
welche die mit einem geistlichen oder juris- 
diktionellen Amte verbundenen Rechte und 
Verrichtungen ausüben, ist staatsgesetzlich ge- 
wissen Beschränkungen unterworfen. Das G.
	        
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