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Abs. 2 des G. Die Zuständigkeit dieses D. er-
streckt sich auch auf das Verfahren, in welchem
über die Tatsache der Dienstunfähigkeit von
Beamten Entscheidung zu treffen ist. Das Ver-
fahren vor dem D. ist dasselbe wie das vor
den anderen Senaten außer den Steuersenaten.
Die Entscheidung auf Klagen, welche die Ver-
hängung von Ordnungsstrafen zum Gegen-
stande haben, steht nicht dem D., sondern dem
ersten Senate des O. zu.
Disziplinarstrafen sind von den Disziplinar-
behörden über Beamte verhängte Strafen, durch
welche die Ordnung des öffentlichen Dienstes
in der Weise aufrechterhalten werden soll, daß
einerseits die unwürdigen Elemente ausgeschie-
den, andererseits solche Beamte, die sich ge-
ringere Pflichtverletzungen zuschulden Kkommen
lassen, durch korrektive Maßregeln auf den
richtigen Weg zurüchgeführt werden. Wegen
dieses ihres Zweckes unterscheiden sich die D.
einerseits von den auf die Sühne eines straf-
baren Unrechts gerichteten Strafen des Kri-
minalrechtes und andererseits von den gegen
Beamte nach § 19 LSt G. vom 31. Juli 1895
(GS. 413) wegen Aichtverwendung des tarif-
mäßigen Stempels verfügten „Ordnungsstra-
fen", sowie von den im Geschäftsverbehr der
Verwaltungsbehörden mitunter als „Ordnungs-
strafen“ bezeichneten Zwangsstrafen, die gemäß
des Erl. vom 5. Juli 1866 (MI Bl. 133) festge-
setzt werden, um säumige Beamte zur Erfüllung
ihrer Pflichten anzuhalten. Die Disziplinar-
strafen bestehen in Ordnungsstrafen und
in der Entfernung aus dem Amte (G. vom
21. Juli 1852 § 14). Ordnungsstrafen sind:
1. Warnung, 2. Verweis, 3. Geldbuße.
Die letztere darf im Falle der Zahlungsunfähig-
keit nicht in Haftstrafe ungewandelt werden
(Erl. vom 25. Alärz 1850 — Mhl. 93); 4. gegen
untere Beamte auch Arreststrafe auf die
Dauer von höchstens 8 Tagen in Räumen,
die den Verhältnissen der zu bestrafenden Be-
amten angemessen sind. Zu diesen Beamten-
kategorien gehören: Exekutoren, Boten, Kastel-
lane, Diener und die zu ähnlichen sowie die
zu bloß mechanischen Funktionen bestimmten
Beamten (8§ 15 a. a. O.). Außerdem sind die-
jenigen Unterbeamten der Steuer-, Polizei-,
Post-, Eisenbahn-, Bau-, Handels= und Ge-
werbeverwaltung, gegen welche Arreststrafen
verhängt werden khönnen, durch Erl. vom
28. Vebr., 6. Okt. und 26. Nov. 1853 (M6l. 113,
263 u. 1854, 2) bezeichnet worden. Die Ent-
fernung aus dem Amte kann bestehen:
1. in Versetzung in ein anderes Amt
von gleichem Range, jedoch mit Verminderung
des Diensteinkommens und Verlust des An-
spruchs auf Umzugskosten, oder mit einem
von beiden Nachteilen (Strafversetzung] G 16
Ziff. 1 a. a. O.). Diese Strafe, welche bezweckt,
den Beamten aus dem Wirkungskreise, wo er
Ansehung und Achtung eingebüßt hat, zu ent-
fernen, findet, abgesehen von Provinzialbeamten,
ausschließlich jedoch des Landesdirektors und
der oberen Beamten (Prov O. § 98 Ziff. 6), nur
auf Beamte im unmittelbaren Staatedienste
Anwendung; 2. in Dienstentlassung. Diese
Strafe zieht den Verlust des Titels und Pen-
sionsanspruchs von selbst nach sich; es wird
Disziplinarstrafen — Disziplinarverfahren.
darauf nicht besonders erkannt, es sei denn,
daß vor Beendigung des Disziplinarverfahrens
aus irgend einem von dessen Ergebnis un-
abhängigen Grunde (z. B. weil die Amtszeit
des Beamten abgelaufen) das Amtsverhältnis
bereits aufgehört hat und daher auf Dienst-
entlassung nicht mehr zu erkennen ist. Gehört
der Angeschuldigte zu den pensionsberechtigten
Beamten und lassen besondere Umstände eine
mildere Beurteilung zu, so ist die Disziplinar=
behörde ermächtigt, in ihrer Entscheidung zu-
gleich festzusetzen, daß dem Angeschuldigten ein
Teil des reglementsmäßigen Pensionsbetrages
auf Lebenszeit oder auf gewisse Jahre als Unter-
stützung zu verabreichen sei (§ 16 Ziff. 2 a. a. O.).
Diese Unterstützung hat die rechtliche Natur
einer mit Rückhsicht auf die Verschuldung des
Beamten geminderten Pension (KompcerH.
vom 12. Febr. 1859 — MBl. 205). Die Dienst-
entlassung hebt übrigens nur die Rechts-
wirkungen des bisherigen Staatsdiener-
verhältnisses auf. Sie bewirkt daher weder
die Unfähigkeit zur Bekleidung eines anderen
öffentlichen Amtes, noch schließt sie eine spätere
Wiederanstellung aus. Das Diensteinkom-=
men ist dem Beamten bis zum Ablaufe des
Monats zu belassen, in welchem das auf Dienst-
entlassung lautende Erkenntnis rechtskräftig
geworden ist (Erl. vom 27. Febr. 1865 —
Ml. 149; vom 9. Dez. 1882 — Mhl. 1883,7—
und vom 17. Jan. 1883 — AUMlBl. 22). Welche
der obigen Strafen anzuwenden sind, ist nach
der größeren oder geringeren Erheblichkeit
des Dienstvergehens mit Rüchsicht auf die
sonstige Führung des Angeschuldigten zu er-
messen (§ 17 a. a. O.). Die Disziplinarbehörde
hat hiernach im Zusammenhange mit dem fest-
gestellten Dienstvergehen das gesamte Ver-
halten des Angeschuldigten in Betracht zu
ziehen; dieses Verhalten ist einheitlich zu
beurteilen; es darf nicht in einzelne Teile zer-
legt werden, um diese zum Gegenstande ver-
schiedener Disziplinarmaßregeln zu machen
(OV. 32, 431). Die gleichen Vorschriften be-
stehen für die Reichsbeamten mit der Maß-
gabe, daß dem RB6r. die Arreststrafe fremd
ist (ê##B G. vom 31. März 1873 88 73 ff.).
Disziplinarverfahren. Das D. zerfällt in
a) das formlose (Disziplinargesetz vom 21. Juli
1852 — GS. 465 — §§ 18—21); b) das förm-
liche (8§ 22—47 das.).
I. Das formlose D. ist für die leichteren
Disziplinarstrafen (die Ordnungsstrafen), das
letztere für die schwereren (Strafversetzung und
Dienstentlassung) bestimmt. Was das formlose
Verfahren angeht, so ist jeder Dienstvorgesetzte
zu Warnungen und Verweisen gegen seine
Untergebenen befugt (8 18 a. a. O.), da diese
Befugnis als die unentbehrliche Ausrüstung
aller zur Leitung einer Behörde berufenen
Organe angesehen werden muß. In Beziehung
auf die Verhängung, d. i. das Auferlegen
(OV. vom 6. Febr. 1886 — Pr VB. 205)
von Geldbußen, ist die Befugnis der Dienst-
vorgesetzten nach Alaßgabe der im § 19 a. a. O.
näher bezeichneten Schranken begrenzt; her-
vorzuheben ist, daß die Provinzialbehörden
ermächtigt sind, die ihnen untergeordneten
Beamten mit Geldbuße bis zu 30 Tlr. zu be-