Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Disziplinarverfahren. 
legen, besoldete Beamte jedoch nicht über den 
Betrag des einmonatlichen Diensteinkommens 
hinaus, und daß die Minister die Befugnis 
haben, allen ihnen unmittelbar oder mittelbar 
untergebenen Beamten Geldbußen bis zum 
Betrage des monatlichen Diensteinkommens, 
unbesoldeten Beamten aber bis zur Summe 
von 30 Tlr. aufzuerlegen. Der § 19 bezieht 
sich aber nur auf die im unmittelbaren Staats- 
dienste stehenden Behörden und Beamten; 
mittelbare Staatsbeamte dürfen Geldbußen 
nur insofern verhängen, als ihnen die Be- 
fugnis dazu durch besondere Gesetze beigelegt 
ist (ogl. in dieser Hinsicht namentlich wegen 
der Bürgermeister, Beigeordneten, Magistrats- 
mitglieder und sonstigen Gemeindebeamten: 
Z. 8§ 20 Ziff. 1 u. 2; wegen der ländlichen 
Gemeindevorsteher, Schöffen, Mitglieder des 
kollegialischen Gemeindevorstandes und son- 
stiger ländlichen Gemeindebeamten: L. f. d. 
6. Pr. § 143 und die entsprechenden Vorschriften 
der übrigen Gemeindeordnungen sowie 36. 
§ 36 Ziff. 2 und KrO. § 65; wegen der Amts- 
vorsteher: ArO. 8 68 Ziff. 1; wegen der Amt- 
männer in Westfalen: 3G. § 36 und Westf #rO. 
§ 27; wegen der Bürgermeister in der Mbein- 
provinz: 3G. 36; RheinkKr O. § 24; wegen der 
Kreisbeamten: KrO. 134 Ziff.3; SchlHolstä##. 
8 122; HanngrO. § 91; Westfkr O. § 79; 
Hess MasstrO. § 92; Rheinkr O. § 79; wegen 
des Landesdirektors, der ihm zugeordneten 
höheren Beamten und der sonstigen Prorinzial- 
beamten: Prov O. 8§ 98 Ziff. 1, 2 u. 4). Aur die- 
jenigen Dienstvorgesetzten, welche gegen Unter- 
beamte Geldbußen verhängen können, sind 
ermächtigt, gegen sie Arreststrafen zu verfügen 
6 20 a. a. O.). Eine Anhörung des Beamten 
vor der Verhängung von Ordnungsstrafen 
schreibt dal G. vom 21. Juli 1852 nicht vor, 
wohl aber § 82 RBe. Gegen die Verfügung 
von Ordnungsstrafen findet nur Beschwerde 
im Veschriebenen Instanzenzuge statt 21 
tur G. B.). Für die Beamten der Selbstverwal- 
ung ist gegen Ordnungsstrafen durch die 
neueren Verwaltungsgesetze ein besonderes 
soncchwerdeverfahren mit Fristbestimmungen 
seie die Rechtskontrolle im Verwaltungs- 
u afverfahren eingeführt worden (ogl. die oben. 
angezogenen Vorschriften des Zuständigkeits- 
gesetzes, der Landgemeindeordnung usw.). 
för- er Entfernung aus dem Amte muß ein 
vormliches D. vorhergehen, welches in der 
3 n einem Kommissar zu führenden schriftlichen 
h anuuntersuchung und in einer mündlichen Ver- 
einer ung besteht (§ 22 a. a. O). Im Laufe 
nor gerichtlichen Untersuchung darf gegen den 
Tahöchuldigten ein D. wegen der nämlichen 
Lau-chen nicht eingeleitet werden. Wenn im 
ein U eines D. wegen der nämlichen Tatsachen 
gesch gerichtliche Untersuchung gegen den An- 
bis uldigten eröffnet wird, so muß das D. 
liches Brechtsbräftigen Erledigung des gericht- 
Wenr erfahrens ausgesetzt werden CS4 a. a. O.). 
auf F. von den gewöhnlichen Strafgerichten 
der HBreisprechung erkannt ist, so findet wegen 
Unterschen Tatsachen, welche in der gerichtlichen 
ein Duchung zur Erörterung gehommen sind, 
an sich nur noch insofern statt, als dieselben 
und ohne ihre Beziehung zu dem ge- 
  
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setzlichen Tatbestande der Ubertretung, des 
Vergehens oder des Verbrechens, welche den 
Gegenstand der Untersuchung bildeten, ein 
Dienstvergehen enthalten. Ist in einer gericht- 
lichen Untersuchung eine Verurteilung ergangen, 
welche den Verlust des Amtes nicht zur Folge 
gehabt hat, so bleibt derjenigen Behörde, welche 
über die Einleitung des D. zu verfügen hat, 
die Entscheidung darüber vorbehalten, ob außer- 
dem ein D. einzuleiten oder fortzusetzen sei 
(6 5 a. a. O.). Nach St MBeschl. vom 23. März 
1891 (M.Bl. 134) soll in diesem Falle der Dis- 
ziplinarrichter zur freien Beurteilung des Tat- 
bestands berechtt t und verpflichtet sein, wäh- 
rend das O. (2, 428) ihn an die tatsächliche 
Feststellung des Strafrichters gebunden wissen 
will. Die Einleitung des Disziplinarver- 
fahrens wird von dem Departementschef ver- 
fügt, wenn die Entscheidung der Sache vor 
den Disziplinarhof gehört, außer wenn Ge- 
fahr im Verzuge ist, in welchem Falle die 
Provinzialbehörde unter Vorbehalt der nach- 
träglichen Entscheidung des Ministers das 
Verfahren einleitet; in allen anderen Fällen 
von dem Vorsteher der Provinzialbehörde, 
welche die entscheidende Disziplinarbehörde 
bildet, oder von dem vorgesetzten Minister 
(6 23). Ist die Einleitung des D. durch die 
zuständige Behörde verfügt, so ernennt diese 
den Untersuchungskommissar (§ 23) und den 
Staatsanwalt für das ganze Verfahren (§ 32 
Abs. 2). In der Voruntersuchung ist der An- 
geschuldigte zu verhören; die Zeugen sind 
eidlich zu vernehmen und die fonstigen Beweis- 
mittel herbeizuschaffen; das Verhör und die 
Vernehmungen haben unter Zuziehung eines 
vereideten Protokollführers zu erfolgen (6 32 
Abs. 1 u. 3). Der dem Angeschuldigten vor- 
gesetzte Minister ist ermächtigt, nach dem Aus- 
falle der Voruntersuchung das Verfahren 
einzustellen und geeignetenfalls eine Ordnungs- 
strafe zu verhängen; sonstige Behörden haben 
gegebenenfalls wegen der Einstellung zur Be- 
schlußfassung, des Ministers zu berichten (8 33). 
Wird das Verfahren nicht eingestellt, so hat 
der Staatsanwalt die Anschuldigungsschrift 
auszuarbeiten, und diese ist dem Angeschul- 
digten zuzustellen; die Akten sind dann der 
Disziplinarbehörde zuzufertigen und von dieser 
ist Termin zur mündlichen Verhandlung an- 
zuberaumen, zu welcher der Angeschuldigte zu 
laden ist (§ 34). Die Verhandlung findet in 
nicht öffentlicher Sitzung statt; der von dem 
Vorsitzenden der Behörde ernannte Referent 
gibt eine Darstellung der Sache, der Angeschul- 
digte wird vernommen; darauf wird der Staats- 
anwalt mit seinen Anträgen und der Ange- 
schuldigte, dem das letzte Wort zusteht, in seiner 
Verteidigung gehört (§ 35). Zum Zwecke 
weiterer Ermittlungen kann die Sache vertagt 
werden (§ 36). Rechtsanwälte sind als Ver- 
teidiger und als Vertreter zulässig; jedoch muß 
der Angeschuldigte auf Anordnung der Dis- 
ziplinarbehörde persönlich erscheinen (8 37). 
Bei der Entscheidung hat die Disziplinar- 
behörde, ohne an positive Beweisregeln ge- 
bunden zu sein, nach ihrer freien, aus dem 
ganzen Inbegriff der Verhandlungen und 
Beweise geschöpften Überzeugung zu beurteilen,
	        
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