Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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inwieweit die Anschuldigung für begründet zu 
erachten sei. Die Entscheidung ist, mit Gründen 
versehen, Zzu verkündigen und dem Angeschul- 
digten auf sein Verlangen zuzustellen; sie 
kann auch auf eine Ordnungsstrafe lauten 
(+ 38). Uber die mündliche Verhandlung wird 
ein vom Vorsitzenden und dem Protokoll= 
führer zu unterzeichnendes Protokoll auf- 
genommen (8 39). Gegen die Entscheidung 
steht die Berufung an das Staatsministerium 
sowohl dem Staatsanwalt als dem Angeschul- 
digten offen (§ 41). Die Berufung ist bei der- 
jenigen Behörde, welche die Entscheidung ge- 
fällt hat, binnen vier Wochen einzulegen und 
binnen weiterer vierzehn Tage zu rechtfertigen. 
Die Berufungsschrift ist dem anderen Teile 
zuzustellen und kann binnen vierzehn Tagen 
durch eine Gegenschrift beantwortet werden. 
Dann sind die Akten an das Staatsministerium 
zur Entscheidung abzugeben. Dieses beschließt 
auf den Vortrag eines Referenten (in Sachen, 
in denen der Disziplinarhof erste Instanz war, 
auf den Vortrag zweier Referenten, von denen 
einer dem Justizministerium angehören muß) 
und bei Berufungen gegen Entscheidungen 
von Provinzialbehörden nach Einholung des 
Gutachtens des Disziplinarhofes. Dieser Kann 
die zur Aufklärung der Sache etwa erforder- 
lichen Verfügungen erlassen und zu diesem 
Zweck auch eine mündliche Verhandlung mit 
den Parteien anordnen (§8 42—45). Lautet 
die Entscheidung oder das Gutachten des Dis- 
ziplinarhofes auf Freisprechung des Angeschul- 
digten oder nur auf Warnung oder Verweis, 
so Rkann das Staatsministerium, wenn es den 
Angeschuldigten strafbar findet, nicht auf Dienst- 
entlassung erkennen, sondern nur eine ge- 
ringere Disziplinarstrafe verhängen oder die 
einstweilige Versetzung in den Ruhestand mit 
Wartegeld verfügen (§ 46). Eine jede Ent- 
scheidung der Disziplinarbehörde, gegen die 
kein Rechtsmittel mehr stattfindet, und durch 
welche Dienstentlassung ausgesprochen ist, be- 
darf der Bestätigung des Königs, wenn der 
Beamte vom KZönige ernannt oder bestätigt 
worden ist (6 47). Für diejenigen Beamten 
der Justizverwaltung, welche Rein Richteramt 
bekleiden, gelten hinsichtlich des D. gewisse 
Modifikationen, die sich aus den §8 55—77 
des G. vom 21. Juli 1852, den Vorschriften 
des G., betr. die Abänderung von Bestim- 
mungen der Disziplinargesetze, vom 9. April 
1879 (GS. 345), der Rechtsanwaltsordnung 
vom 1. Juli 1878 (RGBl. 177) und dem 
Votartatsgeset vom 8. März 1880 (GS. 177) 
ergeben. An die Stelle der im G. vom 21. Juli 
1852 enthaltenen besonderen Bestimmungen 
für die Beamten der Militärverwaltung sind, 
da diese Beamten jetzt zu den Reichsbeamten 
im Sinne des § 1 R#B#. vom 31. März 1873 
gehören, die Vorschriften dieses Gesetzes und 
der dasselbe ergänzenden Gesetze getreten. 
II. Im Bereiche der Selbstverwaltung wird 
die Einleitung des D. verfügt und der Unter- 
suchungskommissar ernannt: a) gegen Bürger- 
meister, Beigeordnete und Magistratsmitglieder 
sowie gegen die sonstigen städtischen Gemeinde- 
beamten von dem Begierungspräsidenten oder 
MI J.; b) gegen Gemeindevorsteher, Schöffen, 
  
Doktortitel — Dolmetscher. 
Mitglieder des kollegialischen Gemeindevor- 
standes, sonstige Gemeindebeamte und Ver- 
bandsvorsteher, gegen Amtsvorsteher und gegen 
Kreisbeamte von dem Landrate oder dem 
Regierungspräsidenten; c) gegen die Miit- 
glieder des Kreis (Stadt-) ausschusses von dem 
egierungspräsidenten; d) gegen die unteren 
Provinzialbeamten von dem Landesdirektor; 
e) gegen den Landesdirektor und die oberen 
Provinzialbeamten, gegen die Mitglieder des 
Provinzialausschusses und die gewählten Mit- 
glieder der Provinzialräte von dem M9. 
(s. oben die zu § 19 angezogenen Bestim- 
mungen des 36. usw.). Entscheidende Dis- 
ziplinarbehörden sind der Kreisausschuß, der 
Bezirksausschuß und das OVG. (s. Dis- 
ziplinargerichte). Durch das LW. sind 
die Bestimmungen über das G. vom 21. Juli 
1852 nicht berührt worden; sie finden jedoch 
für das Verwaltungsstreitverfahren mit fol- 
genden Maßgaben Anwendung: die Ent- 
scheidung erfolgt auf Grund mündlicher Ver- 
handlung; das Gutachten des Disziplinar- 
hofs ist nicht einzuholen; das D. kann 
mit Büchsicht auf den Ausfall der Vorunter- 
suchung durch Beschluß der in erster Instanz 
zuständigen Behörde eingestellt werden; die 
Erhebung eines Pauschqguantums findet nicht 
statt. Hiernach gelten die in den 88§ 42—44 
des G. vom 21. Juli 1852 bestimmten Fristen 
auch für diejenigen Fälle, wo die Berwaltungs- 
gerichte die entscheidenden Disziplinarbehörden 
sind (s. auch Reichsbeamte, Disziplinar- 
behörden, Disziplinargerichte, Dis- 
ziplinarhof, Disziplinarkammern). 
Doktortitel s. Akademische Grade. 
Dolmetscher. Die Gerichtssprache ist die 
deutsche. Wird unter Beteiligung von Per- 
sonen verhandelt, welche der deutschen Sprache 
nicht mächtig sind, oder soll ein fremdsprachiges 
Schriftstück als Beweismittel verlesen werden, 
so ist ein D. zuzuziehen; ebenso zur Verhand- 
lung mit tauben oder stummen Personen, mit 
denen eine schriftliche Verständigung nicht 
möglich ist (GV. 88 186—193; FGô. 8s§ 8, 
9, 168, 175, 178, 179; PrG. Art. 1). Der 
Zuziehung eines D. bedarf es nicht, wenn 
die beteiligten Personen sämtlich der fremden 
Sprache mächtig sind, oder wenn in Sachen 
der freiwilligen Gerichtsbarkeit der BRichter 
der Sprache, in der sich die beteiligten Per- 
sonen erklären, mächtig ist (GV. 8 187 
Abs. 2; FGG. § 9; Pr OG. Art. 1; vgl. 
Art. 84 das. wegen der D. bei Amtshand- 
lungen der Notare). Besondere Bestimmun- 
gen gelten für die Errichtung von Testa- 
menten und Erbverträgen sowie für die ge- 
richtliche und notarielle Beurkundung von 
Rechtsgeschäften (BEB. 88 2240, 2244, 2245, 
2276; FG. § 168, 175, 178—180; AmG. z. BGB. 
vom 20. Sept. 1899 — GS. 177 — Art. 12 8§ 4, 
Art. 80 Abs. 3; Allg B. vom 14. März 1900 
— IJ. 80; sowie Anweisung, betr. die Er- 
richtung von Testamenten vor dem Gemeinde- 
oder Gutsvorsteher, vom 23. Juni 1900 — Bei- 
lage zu Ur. 32 JlMll. von 1900 — 8§§ 18—20). 
Wegen der Leistung von Eiden durch Per- 
sonen, welche der deutschen Sprache nicht 
mächtig sind, und durch Stumme s.§ 190 GV.,
	        
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