Object: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

8 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 307 
2. Das staatsrechtliche Verhältnis der Finanzwirtschaft der Schutz- 
gebiete zu der des Reiches und das formelle Budgetrecht der Schutz- 
gebiete sind durch das Reichsgesetz vom 30. März 1892 (Reichsgesetzbl. 
S.. 369) definitiv geregelt worden. Nur die vom Kolonialamt geführte 
gemeinsame Oberleitung und Zentralverwaltung erfolgt auf Kosten des 
Reiches nach Maßgabe des Reichsetats; die Einnahmen und Aus- 
gaben der einzelnen Schutzgebiete werden dagegen jährlich durch be- 
sondere Etats im Wege der Reichsgesetzgebung festgestellt. Die ver- 
fassungsmäßig vom Staatshaushalt des Reichs geltenden Grundsätze 
in betreff der Feststellung, Verkündigung, Ueberschreitung, Rechnungs- 
legung und Entlastung finden auch auf die Etals der Schutzgebiete, 
welche von dem Reichshaushaltsetat getrennt sind, Anwendung. Nach 
Schluß des Etatsjahres, spätestens in dem auf dasselbe folgenden zwei- 
ten Jahre ist dem Bundesrat und dem Reichstag eine Uebersicht sämt- 
licher Einnahmen und Ausgaben des ersteren Jahres vorzulegen, und 
dabei sind die über- und außeretatsmäßigen Ausgaben zur nachträglichen 
Genehmigung besonders nachzuweisen. Ueber die Verwendung aller 
Einnahmen ist durch den Reichskanzler dem Bundesrat und dem 
Reichstag zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen !). (Ges. 88 2 
und 3.) 
3. Jedes Schutzgebiet hat seine besondere Finanzwirtschaft, die 
sowohl von der der anderen Schutzgebiete als von der Finanzwirt- 
schaft des Reiches getrennt ist. Eine Folge dieses Prinzips ist der im 
8 5 dieses Gesetzes ausgesprochene Grundsatz, daß für die aus der 
Verwaltung eines Schutzgebietes entstehenden Verbindlichkeiten nur 
das Vermögen dieses Gebietes, also nicht das Reich, haftet. Hierdurch 
ist dievermögensrechtliche Persönlichkeit der ein- 
zelnen Schutzgebiete, wenn auch nicht mit ausdrücklichen 
Worten, so doch der Sache und den praktischen Konsequenzen nach 
anerkannt. Es verhält sich mit den Schutzgebieten in dieser Beziehung 
ganz ebenso wie mit dem Reichsland ?). Insbesondere haben die Lan- 
desbeamten der Schutzgebiete Ansprüche auf Gehalt, Wartegeld, Pen- 
sion, Reliktenversorgung und andere Dienstemolumente nur gegen den 
Fiskus des Schutzgebietes, in dessen Verwaltung sie angestellt sind. 
Ebenso haftet das Schutzgebiet für einen vorsätzlichen oder fahrläs- 
sigen Mißbrauch der öffentlichen Gewalt, durch welchen ein Beamter 
S. 658) betreffend Erhebung von Marktzöllen und die Konvent. vom 8. Juni 1899 
(RGBl. 1900, S. 823) über die Einfuhr von Spirituosen. 
1) Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden keine Anwendung auf Schutzge- 
biete, deren Verwaltungskosten ausschließlich von einer Kolonialgesellschaft zu be- 
streiten sind ($ 7, Abs. 1). Ein solches Schutzgebiet ist jetzt nur noch das der 
Marschall-Inseln, für welches die Jaluitgesellschaft zu Hamburg zur Tragung 
der gesamten Kosten der Verwaltung und Rechtspflege sich verpflichtet hat. Vertrag 
vom 21. Januar 1888, abgedruckt bei Riebow S. 603ff. 
2) Es gibt in jedem Schutzgebiet einen „Landesfiskus“, ohne daß dadurch jedes 
Schutzgebiet zu einem „Staat“ geworden ist.
	        
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