Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Dorfauen — Dorfvorsteher, Dorfschaftsvorsteher und Bauerschaftsvorsteher. 
D. besteht zurzeit nirgends. Staaten, die sie 
früher hatten, sind entweder zur Goldwährung 
oder, indem sie die Silberprägung einschränkten 
oder einstellten, zur „hinkenden“ D. überge— 
gangen. Die Herstellung der D. durch inter— 
nationale Vereinbarung ist das Ziel der sog. 
Bimetallisten. S. auch Goldwährung, 
Silberwährung, Münzgesetz, Scheide- 
münzen. 
Dorfauen s. Auenrecht. 
Dorfgemeinden s. Landgemeinden. 
Dorfgerichte. I. Im Geltungsbereiche des 
A#. für die preuß. Staaten mit Ausnahme 
der Prov. Posen und Westfalen und der 
landrechtlichen Teile der Rheinprovinz haben 
bereits früher D. bestanden und bestehen 
noch fort. Ihre frühere Zuständigkeit für Ge- 
schäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist je- 
doch aufgehoben (Pr #G. Art. 119). Sie sind 
also namentlich nicht mehr befugt, Verträge 
gemeiner Landleute, die nicht schreiben und 
lesen Kkönnen, und Ehegelöbnisse gemeiner 
Landleute zu beurkunden und bei Gefahr im 
Verzuge Testamente und Kodizille auf= und 
anzunehmen; vgl. indessen wegen der Errich- 
tung von Testamenten vor dem Gemeinde- 
und Gutsvorsteher Testamente III. Dagegen 
sind sie jetzt noch zuständig 1. sofern sich an 
ihrem Sitze kein Amtsgericht befindet, von 
Amts wegen oder im Auftrage des Nachlaß- 
gerichts bis zur Annahme der Erbschaft für 
die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, ins- 
besondere zum Zwecke der Sicherung Siegel 
anzulegen, Geld, Wertpapiere und KRostbar- 
keiten an sich zu nehmen und ein Nachlaßver- 
RKichnis aufzunehmen, nicht aber auch einen 
1 achlaßpfleger zu bestellen (PrG#. Art. 104, 
0/: Allg Ve. vom 20. Dez. 1899 — JUMl. 806 — 
8 7, 10—25); 2. im Auftrage des Amtsgerichts 
Bermögensverzeichnisse, insbesondere Nachlaßz- 
imventare, und im Auftrage der Generalkomi— 
misston im Falle des § 20 des G., betr. das 
nerbenrecht bei Renten= und Ansiedelungs- 
gutern, vom 8. Juni 1896 (GS. 124) Nachlaß- 
zuentare aufzunehmen (Pr FGG. Art. 108; Allg- 
2 f. * 20. Dez. 1899 §§# 26—33); 3. im Auftrage 
* mtsgerichts, der nicht für jeden einzelnen 
da besonders erteilt werden muß, sondern auch 
licgemein! erteilt werden Kann, freiwillige öffent- 
c Versteigerungen (s. Auktionen I ) an den 
deeistbietenden vorzunehmen und zu beurkun- 
1 en (PrFcl. Art. 109; Allg Bf. vom 20. Dez. 
7 9# 34 ; 4. Taxen von beweglichen 
gerhenständen aller Art und von unbeweglichen 
- Wertes aufzunehmen (Pr ., 
G. 9 Abs. 2; ALK. II. 7 § 86; AGO. 86 II 6; 
idvom 15. Juni 1840 — GS. 131 — 88 83 ff. 
Mul- 5 der rev. Instr. für die D. vom 
4= tat 1854 IMBl. 206; G. vom 
185Tal 857 — GS. 445; JllV. vom 27. Tult 
1899 Aßl. 282; Allg f. vom 20. Dez. 
Amts 59). Ist die Taxe im Auftrage eines 
erSgerichts aufgenommen worden, so hat 
dieses die 31 
prüfen, ihm eingereichte Taxe daraufhin zu 
— 
di - 
mstruktioneuele allgemeinengesetzltchenund« 
UBeftimmungenunddiefür 
Fall vom Amtsgericht erteilten 
mweisungen beachtet sind. Die 
dorfgerichtlichen Taxe hat in der 
en einzelne 
besonderen 2 
Urschrift der 
  
375 
Verwahrung des Amtsgerichts zu bleiben; 
dem Antragsteller ist Ausfertigung zu erteilen 
(KGJ. 29 A 191). 
II. Die D. sind gehörig besetzt, wenn neben 
dem Schulzen (Gemeindevorsteher) zwei Schöffen 
oder ein Schöffe und ein vereidigter Gerichts- 
schreiber mitwirken. Für die Aufnahme von 
Taxen bewendet es jedoch bei den bisherigen 
Vorschriften, d. h. es sind außer dem Schulzen 
zwei Schöffen zuzuziehen, die Mitwirkung 
eines Gerichtsschreibers aber ist entbehrlich 
(PrFG#. Art. 110 Abs. 1, sowie die Bestim- 
mungen unter I, 4). Der Schulze ist der Vor- 
steher des D. Er leitet die vor das D. ge- 
hörigen Verhandlungen, und es liegt ihm 
zunächst ob, für den ordnungsmäßigen Ge- 
schäftsbetrieb zu sorgen. Ist er verhindert, so 
wird er durch einen Schöffen vertreten (Allg Vf. 
vom 20. Dez. 1899 8§§ 2, 3). 
III. Weitere eingehende Vorschriften über das 
Verfahren und über die Gebühren der D. (vgl. 
PrEss G. 8 138) enthält diese Allg Bf. Die 
Abänderung einer Anordnung des D. ist bei 
dem Amtsgerichte nachzusuchen, in dessen Be- 
zirk es seinen Sitz hat. Sie Rann aber auch 
durch das Amtsgericht von Amts wegen sowie 
durch das D. selbst vorgenommen werden. 
Hat das D. Siegel angelegt, so soll deren Ab- 
nahme in der Regel nur auf inprneng des 
Amtsgerichts erfolgen (Pr PG#. Art. 100. 
IV. In den Angelegenheiten der freiwilligen 
Gerichtsbarkeit steht den Amtsgerichten hin- 
sichtlich der D. ihres Bezirkes das Recht der 
Aufsicht du (Pr. Art. 110 Abs. 2; A. 
zum GV. 8 80). Die eigentlichen Disziplinar= 
befugnisse über die D. nach Maßgabe des G. 
vom 21. Juli 1852 (GS. 465) haben aber noch 
wie früher ausschließlich die Verwaltunge- 
behörden (Allg Vf. vom 12. Aov. 1881 — Jll. 
266, MBl. 228 — Ziff. 2). 
S. auch Ortsgerichte und Taxen. 
Dorfschaften. Als „Dorf“ kann jeder länd- 
liche Wohnsitz ohne Rüchsicht auf seine kom- 
munale Verfassung oder Zugehörigkeit be- 
zeichnet werden. In einigen Provinzen wird 
auch der Teil eines herrschaftlichen Gutes, in 
dem die Instleute und herrschaftlichen Arbeiter 
wohnen, Dorf genannt. Domänendorf ist ein 
ländlicher Wohnplatz, der zu einem fiskalischen 
Gutsbezirk gehört (OVG. 12, 217). Oft wird 
in älteren Urkunden auch ein ländlicher Wohn- 
platz, der eine bäuerliche Gemeinde und ein 
herrschaftliches Vorwerk umfaßt, als Dorf be- 
zeichnet. In Holstein werden D. oder Bauer- 
schaften gewisse Gemeinden genannt, die zu- 
sammen eine Kirchspielsgemeinde bilden (s. 
Samtgemeinden), in Westfalen und in der 
Rbeinprovinz aber Unterabteilungen einzelner 
Landgemeinden (s. Dorfvorsteher). 
Dorfschaftsvorsteher s. Dorfvorsteher. 
Dorfschulzen s. Gemeindevorsteher l. 
Dorfstraßen sind die im bebauten Bereiche 
des Dorfes liegenden Straßen (OVG. 26, 358; 
vgl. auch Germershausen, Wegerecht, 2. Aufl., 
Bd. 1 S. 15). S. Ortsdurchfahrten, 
Straßen (städtische)h. 
Dorfvorsteher, Dorfschaftsvorsteher und 
Bauerschaftsvorsteher find in den Landge- 
meinden der Prov. Westfalen (WestfLGO. 8 42),
	        
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