Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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unter gleichen Verhältnissen erzielen kann, 
wenn er zur Veräußerung der Fläche ent- 
schlossen, nicht aber dazu durch Umstände ge- 
drängt wird. Bei der Beurteilung der Be- 
nutzungsfähigkeit ist die seitherige Benutzungs- 
art bis zu dem Geldbetrage zu berüchsichtigen, 
welcher aufzuwenden bleibt, damit der Eigen- 
tümer ein anderes Grundstück in der näm- 
lichen Weise und mit gleichem Ertrage wie 
das abzugebende Grundstüch nutzen kann 
( 10). Bauplatz R3. 7, 262; 8 S. 214, 238; 
17, 162; 37, 307; Lehmlager R3. 8, 216; 
57, 288; Torfstich RG Z. 45, 256; indivi- 
dueller Wert R Z. 32, 298. Wird nur ein 
Teil von dem wiirtschaftlich oder örtlich zu- 
sammenhängenden Grundbesitze eines Eigen- 
tümers gefordert (RG#Z. 13, 244), so ist der 
Schaden durch die Zerstückelung mit auszu- 
gleichen; ins Gewicht fällt dabei sowohl der 
Mehrwert, den der herzugebende Teil durch 
den Zusammenhang mit dem verbleibenden 
Grundstüch, wie der Minderwert, welcher für 
diesen Restbesitz die Hergabe nach sich zieht 
8 Abs. 2). Soweit infolge der Teilabtretung 
der Restbesitz fernerhin nicht mehr der Be- 
stimmung gemäß genutzt werden kann, welche 
ihm der Enteignete gegeben hatte, ist dieser, 
nicht aber der Unternehmer, zu verlangen be- 
rechtigt, daß der ganze geerstückelte Besitz er- 
worben wird. Gebäude (R Z. 39, 273) Können 
nur ganz und samt dem Grund und Boden 
beansprucht werden, auf welchem sie stehen 
(§9). Der Wert von Zubehörungen und Früchten 
ist in dem Umsange, in dem sie enteignet 
werden, mit in die Schätzung einzubeziehen 
G 8). Soweit Mieter und Pächter sowie Real- 
berechtigte, Mutzungs-, Gebrauchs= und Servi- 
tutberechtigte über den „vollen Wert“ hinaus 
Schaden erleiden, muß der Unternehmer außer- 
dem dafür aufkommen (8 11). Wer heinen 
Grund und Boden für das Unternehmen ab- 
gibt, gleichwohl dadurch geschädigt wird, kann 
lediglich nach allgemeinen Vorschriften, nicht 
aber nach Enteignungsrecht Entschädigung 
fordern (Ro# Z. 35, 170). Vgl. aber Wasser- 
straßengesetz von 1905 § 12 (GS. 187). 
IV. Ene Vergütung braucht der Unter- 
nehmer dann nicht zu leisten, wenn er 
die Aachteile durch besondere Nebenanlagen 
ausgeglichen hat. Kraft öffentlichen Rechts 
ist er zur Errichtung aller Einrichtungen an 
Wegen, Uberfahrten, Triften, Einfriedigungen, 
Bewässerungs= und Vorflutanstalten verpflich- 
tet, welche im öffentlichen Interesse oder für 
die Besitzer geboten erscheinen (§ 14). Dahin 
gehende Auflagen Rönnen nicht nur den Schutz 
der zu enteignenden, sondern auch der benach- 
barten, nicht unmittelbar berührten Besitzer 
bezwechen. Sie erscheinen andererseits nur 
zulässig zur Abwendung von Gefahren und 
Nachteilen; stehen andere Ziele in Frage, soll 
3. B. das durch das Unternehmen gesteigerte 
Verbehrsbedürfnis durch Herstellung eines Zu- 
fuhrweges zum Bahnhofe oder Hafen befrie- 
digt werden, so ist dem nach allgemeinen Rechts- 
grundsätzen Baupflichtigen das Weitere zu 
überlassen (OV0. 17, 312; 30, 184). Die 
Kosten der Anlagen müssen sich in angemesse- 
nem Verhältnis zu dem Werte der zu schützen- 
  
Entschädigung bei Fluchtlinienfestsetzungen. 
den Interessen halten. Neben der Herstellung 
trifft den Unternehmer die Unterhaltung der 
Aebenanlagen, soweit sie über den Umfang 
der bestehenden Pflicht des Eigentümers hinaus- 
geht. Die Sorge für Anlagen, welche bereits 
bestanden, wegen des Baues aber verlegt oder 
sonst verändert werden mußten, bleibt dem 
seither Unterhaltungspflichtigen; für die ver- 
mehrten Aufwendungen muß ihn aber der 
Unternehmer schadlos halten (O##. vom 
30. Nov. 1903 — Pr VBl. 25, 438). Für An- 
lagen, welche der Unternehmer neu anlegt, 
muß er allein sorgen. Uber sämtliche Ob- 
liegenheiten aus § 14 befindet ausschließlich 
die Enteignungsbehörde (OV. 9, 393). Ist 
das bei ihr anhängig gewesene Verfahren 
einmal abgeschlossen, so ist den Parteien die 
Möglichkeit entzogen, diese Behörde noch an- 
Hugehen. Entstehen späterhin im einzelnen 
aufalle Meinungsverschiedenheiten, so sind 
sie polizeilich auszutragen (O. 28, 2198p). 
Eine Ausnahme macht der § 14 des Eisen- 
bahngesetzes; er trifft auch Fälle außerhalb 
des Verfahrens. Bei den ordentlichen Ge- 
richten kann weder die Herstellung von neuen 
A-ebenanlagen, noch die Anderung oder Be- 
seitigung eGlammähig angeordneter Anlagen, 
noch die Erstattung der hierfür verauslagten 
Kosten gegen den Unternehmer eingeklagt 
werden (Or. 58, 383; 73, 130; Ro. 7, 268; 
31 33; RG. vom 25. Juni 1898 — Pr VBl. 
1, 99). 
Entschädigung bei Fluchtlinienfestsetzun- 
gen. I. Für die Entziehung des Grund- 
eigentums durch Festsetzung von Fluchtlinien 
wird den betroffenen Grundeigentümern Ent- 
schädigung geleistet, wenn 1. die Gemeinde 
die Abtretung der zu Straßen und Plätzen 
bestimmten Grundflächen verlangt, 2. ein be- 
bautes Grundstück bis zur Fluchtlinie von 
Gebäuden freigelegt wird, 3. die Bebauung 
eines unbebauten, an einer fertigen Straße 
gelegenen und von einer neuen Querstraße 
getroffenen Grundstückss in der Fluchtlinie 
dieser neuen Straße erfolgt (Straßen= und 
Baufluchtliniengesetz vom 2. Juli 1875 — GS. 
561 — § 13 Abs. 1 u. 2). Im Falle 1 steht 
es im Belieben der Gemeinde, wann sie von 
ihrem Enteignungsrechte bezüglich des zu 
Straßenland bestimmten Grund und Bodens 
Gebrauch machen will (Pr BBl. 1, 239; 22, 469); 
in den beiden anderen Fällen ist der Grund- 
eigentümer berechtigt, Entschädigung und Ab- 
nahme des durch die Fluchtlinienfestsetzung als 
Straßenland ausgewiesenen Grundstücksteiles 
zu verlangen, auch wenn die Gemeinde diesen 
noch gar nicht zur Straße ziehen will (Pr B- 
Bl. 3, 240; auch 1, 247; 9, 343; 18, 303; 
21, 212). 
II. Für die Beschränkung des Grund- 
eigentums wird nur dann eine Entschädigung 
geleistet, wenn eine von der Straßenflucht- 
linie verschiedene Baufluchtlinie vorhandene 
Gebäude trifft, so daß bei der Aeubebauung 
des Grundstücks der zwischen Bau= und 
Straßenfluchtlinie liegende — als Vorgarten- 
land ausgewiesene — Grundstücksteil nicht 
mehr bebaut werden darf (§ 13 Abs. 2 des G.). 
Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs
	        
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