Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Erbschaftssteuer. 
den (Stempelsteuer) in der Form einer Stem- 
pelabgabe erhoben. Demgemäß fand sie ihre 
Stelle in den Stempelgelesen (vgl. die Stempel- 
steuergesetze vom 20. Nov. 1810 — GS. 121 ff. 
— und 7. März 1822 — GS. 57 ff.). Die 
Gesetzgebung des Jahres 1873 brachte unter 
Loslösung der E. von den übrigen Verkehrs- 
steuern ein besonderes Erb St GS., nachdem be- 
reits durch kgl. V. vom 5. Juli 1867 (G. 1121) 
ein solches in den im Jahre 1866 neu erwor- 
benen Landesteilen erlassen worden war. Die 
Loslösung der E. von der Stempelsteuer war 
innerlich berechtigt, da ihre Erhebung nicht, 
wie die Stempelsteuer, das Vorhandensein 
einer stempelpflichtigen Urkunde voraussetzt 
und da sie deshalb nach anderen Grundsätzen 
als die Stempelsteuer zu behandeln ist. Das 
Erb Stocb. vom 30. Mai 1873 (GS. 329), das 
am 1. Jan. 1874 in Kraft getreten ist (8 48), 
bildet heute noch die Grundlage für die Erb- 
schaftsbesteuerung. Dasselbe brachte dem bis- 
herigen Rechtszustande gegenüber zwei wesent- 
liche Neuerungen: die Abschaffung der Stempel- 
form bei Erhebung der E. — an ihre Stelle 
trat die direkte Einziehung in bar von dem 
Steuerpflichtigen — und die Ubertragung der 
Erhebung und Verwaltung der E. von den 
Gerichtsbehörden auf besondere Verwaltungs- 
behörden, die Erbschaftssteuerämter. Das 
Erbt G. ist ergänzt bzw. abgeändert worden 
durch die Nov. vom 19. Mai 1891 (GS. 72) 
und 31. Juli 1895 (GS. 412), die am 1. Juli 
1891 bzw. 1. April 1896 in Kraft getreten sind. 
Der Text des Erbt. ist gemäß Art. 4 der 
Aov. vom 19. Mai 1891 mit den aus ihr sich 
ergebenden Anderungen am 24. Mai 1891 
durch die GS. (S. 78 ff.) bekanntgemacht 
worden. Die auf die Wertstempelabgabe von 
Familien= und Fideikommißstiftungen sowie 
von Schenkungen unter Lebenden bezüglichen 
§ 2—4, 46 Erb StG. sind, mit Ausnahme von 
Hohenzollern, durch § 35 LSt G. vom 31. Juli 
1895 aufgehoben worden, da sie ihren Platz 
in diesem Gesetz (s. TSt. 23, 24, 56 und 8§ 17, 18 
Abs. 1 u. 3) gefunden haben. Die wichtigsten 
Ausführungsbestimmungen zum Erb tGC. fin- 
den sich im FME. vom 2. Dez. 1873 (Abg Z Bl. 
1874, 17), durch den die beiden Anw. vom 
14. Nov. 1873 (a. a. O. S. 19, 25) den Pro- 
vinzialsteuerbehörden mitgeteilt worden sind, 
in dem Erl. des FM., des Md J. und des 
Wdg A. vom 3. Dez. 1873 (a. a. O. S. 37; MBl. 
1874, 24), in dem FM. vom 3. Okt. 1890 
(Abg 3 Bl. 190) und in den JME. vom 17. Okt. 
1899 (JMl. 293; Abg ZBl. 1900, 15) und 
9. Sept. 1901 (JMBl. 229; Abg 3 Bl. 252) sowie 
zussem MI JE. vom 31. Mai 1900 (Abg 3Bl. 
II. Wesentlicher Inhalt der Erb- 
schaftssteuerbestimmungen. a)Objektive 
Steuerpflicht; steuerpflichtige Masse. 
Der E. unterliegen ohne Unterschied, ob der 
Anfall Inländern oder Ausländern zukommt: 
1. Erbschaften, Vermächtnisse und Schenkungen 
von Todes wegen (mit Einschluß der beloh- 
nenden und der mit einer Auflage belasteten 
Schenkungen); 2. Lehns= und Fideikommiß- 
anfälle; 3. die Anfälle von Hebungen aus 
Familienstiftungen, welche infolge Todesfalls 
  
  
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auf den vermöge süftungemähiger oder gesetz- 
licher Folgeordnung Berufenen übergehen; 
4. diesenigen Beträge, welche von Korpora- 
tionen oder anderen juristischen Personen an 
Angehörige des Erblassers infolge einer von 
der Aufsichtsbehörde bei der Genehmigung der 
letztwilligen Zuwendung gemachten Auflage 
herausgegeben werden (88 1, 12). 
Die E. ist hiernach von den Hinterlassen- 
schaften Verstorbener zu entrichten. Ihr Ob- 
jekt ist der nach Abzug der Schulden ver- 
bleibende reine Wert des Nachlasses. Dem- 
gemäß ist sie von dem Betrage zu erheben, 
um welchen diejenigen, denen der Anfall zu- 
kommt, reicher werden (§ 5); sie ist eine Be- 
reicherungssteuer im Gegensatz zur sog. 
Handänderungs= oder Mutationssteuer. Die 
Ermittlung des Betrages der Masse ist auf 
den gemeinen Wert zur Zeit des Anfalles zu 
richten (6§ 14); spätere Erhöhungen oder Ver- 
minderungen der Nachlaßmasse bleiben unbe- 
rüchsichtigt. Uber die Wertermittlung gibt das 
Gesetz in den 8§§ 5, 6, 14—20, 25, 26 eingehende 
Bestimmungen; besonders wird die Berechnung 
des Kapitalwerts von A#utzungen und Leistun- 
gen in den §8 15—19 vorgeschrieben. Zu- 
wendungen zur Begründung einer Stiftung 
werden ebenso behandelt, als ob sie der be- 
bereits begründeten Stiftung angefallen seien 
( 7), und Zuwendungen zu milden, gemein- 
nützigen oder öffentlichen Zwecken so, als ob 
zu demselben Zweck eine Stiftung im Be- 
trage der Zuwendung angeordnet sei (8 8). 
b) Subsjektive Steuerpflicht. Die Ver- 
pflichtung zur Zahlung der E. trifft den Er- 
werber des steuerpflichtigen Anfalls. Haftbar 
für die Steuer ist die gesamte steuerpflichtige 
Masse. Erben und Miterben sind bis auf 
Höhe des aus der Erbschaft Empfangenen für 
die von allen den Nachlaß betreffenden An- 
fällen zu entrichtende E. gesamtschuldnerisch 
verpflichtet. Sie haften persönlich und ohne 
Rüchsicht darauf, ob sie selbst Steuer zu ent- 
richten haben oder von deren Zahlung befreit 
sind (§ 29). Vorbehaltlich des Rückgriffs gegen 
die eigentlich Verpflichteten haften ferner ge- 
setzliche Vertreter und Bevollmächtigte der 
Erben,Testamentsvollstrecker, Nachlaßverwalter 
und Verwalter von Familienstiftungen, wenn 
und insoweit sie die Erbschaft, einzelne Erb- 
teile, Vermächtnisse oder Hebungen aus Fa- 
milienstiftungen vor Berichtigung oder Sicher- 
stellung der darauf treffenden E. ausantworten 
(§ 30). Zur Zahlung der auf Zuwendungen 
zu bestimmten Zwecken (s. o. unter a) ent- 
fallenden Steuer ist der mit der Zuwendung 
Belastete verpflichtet; er kann sie aber, soweit 
darüber keine anderweite Anordnung getroffen 
ist, an die Zuwendung selbst anrechnen (8 8 
Abs. 2). 
c) Verhältnis zum Auslande. Außer- 
halb Preußens belegene Grundstücke und 
Grundgerechtigkeiten unterliegen der E. nicht. 
Dagegen ist von inländischen Grundstücken 
und Grundgerechtigkeiten die E. auch dann 
zu erheben, wenn der Erblasser Ausländer 
war und im Auslande seinen Wohnsitz hatte 
(6 9). Bewegliches Vermögen unterliegt der 
E., wenn der Erblasser bei seinem Ableben 
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