Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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seinen Wohnsitz in Preußen hatte, und zwar 
das im Inland befindliche unbeschränkt, das 
im Ausland befindliche insoweit, als davon 
in dem auswärtigen Staate keine oder eine 
geringere E. als in Preußen erhoben wird 
(§ 10). Hatte der Erblasser bei seinem Ab- 
leben keinen Wohnsitz, so ist das Vermögen 
der E. insoweit unterworfen, als es sich bei 
seinem Tode in Preußen befindet (Nov. vom 
31. Juli 1895 Art. 1 Ziff. 1). Zum Zweckh der 
Ausgleichung und tunlichster Vermeidung von 
Doppelbesteuerungen kann der FM. Ab- 
weichungen von den Bestimmungen des § 10 
in bezug auf den Nachlaß von Personen, 
welche in solchen Staaten ihren Wohnsitz ge- 
habt haben oder Ungehörige solcher Staaten 
gewesen sind, in denen die E. nach anderen 
Grundsätzen erhoben wird, treffen. Diese Ab- 
weichungen hönnen darin bestehen, daß die 
Steuererhebung zu erfolgen hat 1. unabhängig 
von dem Wohnsitz des Erblassers, sofern der- 
selbe preuß. Staatsangehöriger war; 2. unab- 
hängig von dem Wohnsitz und der Staats- 
angehörigkeit des Erblassers, falls das Ver- 
mögen sich in Preußen befindet (§ 11). Von 
dieser Ermächtigung hat der FM. verschiedent- 
lich Gebrauch gemacht. 
c Steuersatz und Steuerbefreiungen 
(Tarif). a. Allgemeine Vorschriften. Die 
Höhe der Steuer richtet sich nach dem Ver- 
wandtschaftsverhältnis zwischen dem Erblasser 
und dem Erwerber des Anfalls; die Steuer 
wird erhoben in Prozenten vom Werte der 
steuerpflichtigen Masse. Innerhalb der ein- 
zelnen Klassen findet eine weitere Abstufung 
der Steuer nach der Höhe des einzelnen Erb- 
anfalls nicht statt. Dem Tarif vorausgeschickht 
sind eine Reihe allgemeiner Vorschriften: 
1. Die Steuer beträgt mindestens 50 Pf. und 
steigt von 50 zu 50 Pf. 2. Bei Bestimmung 
des Steuersatzes Kann nicht auf ein Verhält- 
nis zurüchgangen werden, das durch richter- 
liches Erkenntnis oder Vertrag schon vor dem 
Eintritt des Anfalls zu bestehen aufgehört hat; 
namentlich werden Anfälle, die nach erfolgter 
Trennung einer Ehe eintreten, lediglich nach 
demjenigen Steuersatze versteuert, welcher ohne 
Rücksicht auf das aufgehobene Verhältnis an- 
wendbar ist. 3. Der Steuersatz von Lehns- 
und Fideikommißanfällen, ingleichen von 
Hebungen aus Familienstiftungen wird nach 
dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem 
letzten Inhaber des Lehns oder Fideikommisses 
bzw. der Hebungen aus der Familienstiftung 
und dem Steuerpflichtigen bestimmt. Der letzte 
Inhaber tritt hier an Stelle des Erblassers. 
4. Zu den Deszendenten einer Frau werden 
auch uneheliche Kinder derselben und deren 
Deszendenten gerechnet. 5. Vor der Ehe ge- 
borene uneheliche Kinder einer Frau werden 
— außer im Falle der Legitimation durch 
nachfolgende Ehe — zu den Stiefkindern des 
Ehemanns derselben gerechnet. 6. Den legiti- 
mierten Kindern eines Mannes werden die- 
jenigen außer der Ehe erzeugten Kinder gleich- 
geachtet, welche erweislich gegen denselben die 
Rechte ehelicher Kinder in anderer Art als 
durch nachfolgende Ehe erworben haben. 7. Ehe- 
liche und uneheliche Kinder derselben Mutter, 
  
  
Erbschaftssteuer. 
ingleichen eheliche und legitimierte Kinder des- 
selben Vaters werden als halbbürtige Ge- 
schwister angesehen. 
5. Tarif. Der Anfall wird versteuert: 
A. mit einem vom Hundert des Betrages, 
wenn er gelangt an Personen, die dem Haus- 
stande des Erblassers angehört und in dem- 
selben in einem Dienstverhältnis gestanden 
haben, sofern der Anfall in Pensionen, Renten 
oder anderen auf die Lebenszeit der Bedachten 
beschränkten Autzungen besteht, die ihnen mit 
Rüchsicht auf dem Erblasser geleistete Dienste 
zugewendet werden; B. mit zwei vom Hun- 
dert des Betrages, wenn er gelangt an: 
a) Adoptivkinder und deren Deszendenten, 
b) voll= oder halbbürtige Geschwister und deren 
Deszendenten; C. mit vier vom Hundert des 
Betrages, wenn er gelangt an: a) vorstehend 
nicht benannte Verwandte bis einschließlich 
zum sechsten Grade der Verwandtschaft, 
b) Stiefkinder und deren Deszendenten und 
Stiefeltern, c) Schwiegerkinder und Schwieger- 
eltern, d) natürliche, aber von dem Erzeuger 
erweislich anerkannte Kinder, e) außerdem 
sind mit 4 % zu versteuern alle Anfälle und 
Zuwendungen, welche ausschließlich zu wohl- 
tätigen, gemeinnützigen oder Unterrichts zwecken 
bestimmt sind, insofern solche nicht einzelne 
Familien oder bestimmte Personen betreffen 
und die wirkliche Berwendung zu dem be- 
stimmten Zwecke gesichert ist; D. mit acht vom 
Hundert des Betrages in allen übrigen Fällen. 
7. Befreiungen. Von der E. befreit ist: 
1. jeder Anfall, welcher den Betrag von 150 M. 
nicht übersteigt mit Ausnahme des Falles, daß 
lediglich infolge Abzuges des Wertes der einem 
Dritten zustehenden Autzung der Wert der 
Substanz sich auf den Betrag von 150 M. 
und weniger vermindert; 2. jeder Anfall, 
welcher gelangt an: a) Aszendenten, b) Deszen- 
denten, sofern sie aus gültigen Ehen ab- 
stammen oder legitimiert sind. Auch unehe- 
liche Kinder haben von dem Nachlaß ihrer 
Mnutter oder deren Aszendenten Reine E. zu 
ahlen; c) Ehegatten; d) die unter A des 
arifs genannten Personen, sofern der Anfall 
den Betrag von 900 Ml. nicht übersteigt. Bei 
einem höheren Betrage ist die von dem ganzen 
Betrage zu berechnende Steuer nur soweit 
zu entrichten, als sie aus dem die Summe von 
900 M. übersteigenden Betrage entnommen 
werden Rann; e) den Fiskus und alle öoient- 
lichen Anstalten und Kassen, welche für Rech- 
nung des Staates verwaltet werden oder 
diesen gleichgestellt sind; f) Orts= und Land- 
armenverbände zur Verwendung für Hilfs- 
bedürftige; g) öffentliche Armen-, Kranken-, 
Arbeits-, Straf= und Besserungsanstalten, ferner 
öffentliche Waisenhäuser, vom Staate geneh- 
migte Hospitäler und andere Versorgungs- 
anstalten sowie vom Staate genehmigte Ver- 
eine für die Kleinkinderbewahranstalten und 
Stiftungen, welche als milde ausdrücklich an- 
erkannt sind; h) öffentliche Schulen und Uni- 
versitäten, öffentliche Sammlungen für Kunst 
und Wissenschaft; 1) deutsche Kirchen und andere 
deutsche Religionsgesellschaften, denen die Rechte 
juristischer Personen zustehen; k) Kassen oder 
Anstalten, welche die Unterstützung der Arbeit-
	        
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