Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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wege zulässig. Dieselbe ist an den Provinzial- 
steuüerdirektor und gegen dessen Entscheidung 
an den FM. zu richten. Die Verhandlungen 
in Erbschaftssteuersachen (auch in der Be- 
schwerdeinstanz) sind kosten= und stempelfrei. 
Doch sind die Steuerpflichtigen zur Tragung 
des durch die Verhandlungen mit ihnen er- 
wachsenden Portos verbunden (§ 49). Zu Un- 
recht erhobene Erbschaftssteuerbeträge werden 
erstattet, auch ist der Rechtsweg zulässig. 
Die RKlage auf Rüchzahlung der E. ist binnen. 
sechs Monaten nach geleisteter Zahlung — 
eines Vorbehaltes dabei bedarf es nicht — 
oder erfolgter Beitreibung zu erheben (Erb StG. 
§ 42 Abs. 1; G., betr. die Erweiterung des 
Rechtsweges, vom 24. Mai 1861 — GS. 241 — 
§§ 11, 12). Wird die Rückzahlung infolge eines 
nach der Steuerfestsetzung eingetretenen Er- 
eignisses verlangt, so ist die Klage binnen 
Jahresfrist nach Eintritt des Ereignisses zu 
erheben (§ 42 Abs. 2). Die Klage ist gegen 
den Steuerfiskus zu richten. Die E. ver- 
jährt in zehn Jahren nach Ablauf des 
Kalenderjfahres, in dem der steuerpflichtige An- 
fall erworben oder die letzte amtliche, auf Er- 
mittlung der Steuer gerichtete Handlung vor- 
genommen ist. Bereits zur Hebung gestellte 
Erbbeträge verjähren in vier Jahren nach Ab- 
lauf des Kalenderjahres, in dem die Zahlungs- 
frist endet bzw. die letzte auf Beitreibung der 
Steuer gerichtete amtliche Handlung vorge- 
nommen worden ist. Die Verjährung sicher- 
gestellter Steuerforderungen kann nicht vor 
Ablauf des Jahres beginnen, in dem die 
Sicherheit erloschen ist (§ 50). 4% 
1) Strafbestimmungen. Das Gesetz unter- 
scheidet zwischen Erzwingungs= und Steuer- 
strafen. Als Strafart Kommt nur die Geld- 
strafe in Betracht, deren Umwandlung in Frei- 
heitsstrafe im Falle des Zahlungsunvermögens 
nicht zulässig ist und zu deren Beitreibung 
nur mit Zustimmung des Verurteilten, sofern 
dieser ein Inländer ist, die #angverstelger 
rung eines Grundstücks erfolgen darf (§ 47). 
Erzwingungsstrafen sind zulässig, wenn 
nach erfolgter Einreichung des Nachlaßver- 
zeichnisses und der Erbendeklaration der Auf- 
forderung des Erbschaftssteueramts zur Er- 
gänzung, Auskunfterteilung, Vorlage von 
Urkunden und Beweismitteln nicht Folge ge- 
leistet wird. Erzwingungsstrafen setzt das Erb- 
schaftssteueramt durch einfache Verfügung fest; 
auch ist im Einzelfall eine mehrmalige Straf- 
festsetzung zulässig, jedoch mit der Maßgabe, 
daß für den Einzelfall der Gesamtbetrag der 
Strafen 60 M. nicht übersteigen darf. Gegen 
die Strafverfügung des Erbschaftssteueramts 
findet die an eine Frist nicht gebundene Be- 
schwerde an den Provinzialsteuerdirektor und 
gegen dessen Entscheidung an den JFMl. statt 
38 Abs. 3). Steuerstrafen droht das 
esetz an für denjenigen, welcher 1. die gesetz- 
liche Verpflichtung zur Anmeldung eines steuer- 
pflichtigen Anfalles oder zur Vorlegung des 
Aachlaßverzeichnisses und der Erbendeklara- 
tion nicht rechtzeitig erfüllt (& 43); 2. wissent- 
lich zu einem steuerpflichtigen Anfalle gehörige 
Gegenstände, zu deren Angabe er verpflichtet 
ist, verschweigt oder über die Tatsachen, welche 
  
Erbschaftssteuerämter — Erbschein. 
die Steuerpflichtigkeit, die Höhe des Steuer- 
satzes oder des Steuerbetrages bestimmen, 
wissentlich unrichtige Angaben macht (§ 44); 
3. der Verpflichtung zur Abgabe der eides- 
stattlichen Versicherung auf wiederholte Auf- 
forderung nicht rechtzeitig genügt (§ 45). Die 
Strafen zu 1 und 2 bestehen in einer dem 
doppelten Betrage der E. gleichkommenden 
Geldstrafe und, wenn der Betrag der E. nicht 
ermittelt werden kann, in einer Geldstrafe bis 
zu 3000 M. Ist die Hinterziehung der E. 
nicht beabsichtigt, so tritt an Stelle der vor- 
gedachten Geldstrafe eine Ordnungsstrafe bis 
zum Betrage von 150 Ml. Zu 2 tritt Straf- 
freiheit ein, wenn der Pflichtige auf erforderte 
eidesstattliche Versicherung seine Angaben be- 
richtigt. Auch fällt die Bestrafung fort, wenn 
die Täuschung mittels Urkundenfälschung oder 
eidesstattlicher Versicherung unternommen ist 
und wegen dieser Vergehen Bestrafung ein- 
tritt. Zu 3 beträgt die Strafe 75—3000 M. 
Die Festsetzung der Strafen zu 1—3 erfolgt 
im Wege des Verwaltungsstrafverfahrens (s. d.) 
mit der Maßgabe, daß zu 1 und 2 auch das 
Erbschaftssteueramt ohne vorgängige Einleitung 
eines Strafverfahrens die gegebenenfalls an 
Stelle der Steuerstrafe tretende Ordnungs- 
strafe bis zur Höhe von 60 Al. durch förm- 
bcen Pralfbescheld festsetzen kann (88 48, 43 
s. 3). 
III. Statistisches. Die Einnahmen aus 
der E. haben betragen im Rechnungsjahre 
1900 10602278 M., 1901 10171514 M., 1902 
10530 192 Ml., 1903 11053875 M., sie haben 
sich also in den letzten Jahren auf durch— 
schnittlich 10—11 Mill. M. belaufen. Im Vor- 
anschlag für die Rechnungsjahre 1904 und 1905 
ist die E. mit einer Solleinnahme von 11 Mill. 
M. eingestellt. 
IV. Schlußbemerkung. Wegen der Ver- 
änderungen, welche bei der E. infolge der Re- 
form des Reichsfinanzwesens bevorstehen vgl. 
Reichsfinanzwesen unter III. 
Erbschaftssteuerämter s. Steuerbeamte 
und Behörden der indirekten Steuer- 
verwaltung. 
Erbschein. I. Ein Erbe kommt oft in die 
Lage, sich als solchen Dritten gegenüber oder 
vor Gericht und anderen Behörden ausweisen 
u müssen. Nacchddeem das römische und gemeine 
echt sowie das AL. in dieser Beziehung 
nur mangelhafte Einrichtungen gehabt hatten, 
führte das G. vom 12. März 1869 (GS. 473) 
für den Fall der gesetzlichen Erbfolge die Erb- 
bescheinigung ein. Jetzt kann die Legitimation 
eines Erben sowohl bei der gesetzlichen Erb- 
folge wie bei der auf Grund einer Ver- 
fügung von Todes wegen durch einen E. ge- 
führt werden (BEB. §8§ 2353—2370). Im letz- 
teren Falle wird dem Dritten oder der Be- 
hörde die Prüfung erspart, ob die Verfügung 
gültig, sie die einzige hinterlassene ist usw. 
Ein Becht der Erbschaftsschuldner, die Zahlung 
zu verweigern, bis sich die Erben durch Vor- 
legung eines E. legitimieren, besteht jedoch 
nicht, und ein Satz, daß der Nachweis des 
Erbrechts den Schuldnern gegenüber nur durch 
einen E. geführt werden könne, ist im Bes. 
nirgends ausgesprochen, namentlich nicht aus
	        
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