466
ständiges Rechtsverhältnis war, sondern die
Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate
zur Grundlage und Voraussetzung hatte. In-
folgedessen war für die Formen und Bedingun-
en, unter welchen die Erwerbung und der
erlust der Bundesangehörigkeit stattfand,
eine territoriale Gesetzgebung maßgebend, in
welcher nicht nur zwischen den werschiedenen
Bundesstaaten, sondern auch innerhalb der
einzelnen Landesteile desselben Bundesstaates
mannigfache Abweichungen bestanden. Die
Verknüpfung der Bundesangehörigkeit mit
der Staatsangehörigkeit erforderte daher ge-
bieterisch für beide die Einführung überein-
stimmender Aormen im ganzen Bundesgebiete.
Die verfassungsmäßige Mäöglichkeit hierzu war
durch Art. 4 der Bundesverfassung gegeben,
welche die Bestimmungen über Staatsbürger-
recht unter diesenigen Gegenstände gestellt hat,
welche der Beaufsichtigung und Gesetzgebung
des Bundes unterliegen. Diese Regelung ist
erfolgt durch das G. über die Erwerbung
und den Verlust der Bundes= und
Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870
(Böl. 355), welches nach Errichtung des
Deutschen Reiches auf das gesamte Gebiet des
Rechtes, durch G. vom 8. Jan. 1873 (RoöBl. 51)
auch auf Elsaß-Lothringen und durch kais. V.
vom 22. März 1891 (Rö#ll. 21) auf Helgoland
ausgedehnt worden ist.
II. Erwerb und Verlust der Staats-
angehörigkeit. An der Spitze des G. vom
1. Kunt 1870 ist zunächst wieder der ver-
fassungsmäßige Grundsatz zum Ausdruck ge-
bracht, daß die Reichsangehörigkeit durch die
Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate
erworben wird und mit deren Berlust erlischt
1). Uber die Erwerbung und den Verlust
der Staatsangehörigkeit wird sodann unter
Berüchksichtigung der durch Art. 41 EcBG.
herbeigeführten Anderungen das Folgende be-
stimmt:
A. Erwerbung der Staatsangehörig-
keit. Die Staatsangehörigkeit wird erwor-
ben: 1. Mittelbare Erwerbung durch Ab-
stammung, Legitimation oder Verhei-
ratung. Durch die Geburt, auch wenn sie
im Auslande erfolgt, erwerben eheliche Kin-
der eines Deutschen die Staatsangehörigkeit
des Vaters, uneheliche Kinder einer Deut-
schen die Staatsangehörigkeit der Mutter (§ 3).
Durch Legitimation eines unehelichen Kindes
seitens eines Deutschen erwirbt das Kind die
Staatsangehörigkeit des Baters (# 4). Die
Adoption hat diese Wirkung nicht. Die Ver-
heiratung mit einem Deutschen begründet für
die Ehefrau die Staatsangehörigkeit des
A##Ees (§ 5). 2. Unmittelbare Erwer-
bung durch Verleihung. Die Verleihung
der Staatsangehörigkeit wird Aufnahme ge-
nannt, wenn es sich um einen Deutschen, und
Aaturalisation, wenn es sich um einen
Ausländer handelt. Sie erfolgt durch die
Aushändigung einer Aufnahme= oder Naturali-
sationsurkunde, welche in Preußen von dem
Regierungspräsidenten (in Berlin dem Polizei-
präsidenten) ausgestellt wird (St AngG. 8§ 2,
6, 10; 3G. 8§ 155; LVe#. § 41). a) Die Auf-
nahmeurkunde muß nach § 7 a. a. O.
Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit.
jedem Angehörigen eines anderen Bundes-
staates erteilt werden, welcher sie nachsucht
und nachweist, daß er sich in dem Bundes-
staate, in welchem er die Aufnahme nachsucht,
niedergelassen hat, sofern kein Grund vor-
liegt, welcher nach den §# 2—5 Freizüg.
die Abweisung eines Aeuanziehenden oder die
BVersagung der Fortsetzung des Aufenthalts
rechtfertigt. b Die Aaturalisations-
urkunde darf nach § 8 a. a. O. Auslän-
dern nur dann erteilt werden, wenn sie 1. nach
den Gesetzen ihrer bisherigen Heimat dispo-
sitionsfähig sind, es sei denn, daß der Mangel
der Dispositionsfähigkeit durch die Zustim-
mung des Vaters, des Vormundes oder Ku-
rators des zu Aaturalisierenden ergänzt wird;
2. einen unbescholtenen Lebenswandel geführt
haben; 3. an dem Orte, wo sie sich nieder-
lassen wollen, eine eigene Wohnung oder ein
Unterkommen finden; 4. an diesem Orte nach
den daselbst bestehenden Berhältnissen sich
und ihre Angehörigen zu ernähren imstande
sind. Uber die Erfordernisse zu Nr. 2, 3 u. 4
ist zuvor der zuständige AB. zu hören. Hat
der Aachsuchende sich früher schon in einem
anderen Bundesstaate aufgehalten, so soll die
Entscheidung nicht eher getroffen werden, als
bis den Behörden dieses Bundesstaates Ge-
legenheit zur Außerung gegeben is (B##eschl.
vom 22. Jan. 1891 — M.UBl. 171). Die Dis-
positionsfähigkeit und die Möglichkeit ihrer
Ergänzung ist nach dem Rechte des Heimats-
staates des Nachsuchenden zu beurteilen. Unter
Niederlassung ist die Begründung eines Wohn-
sitzes (Domizils) im Gegensatz zum bloßen
Aufenthalt zu verstehen. Zur Begründung
des Aaturalisationsgesuches wird in der Regel
die zuvorige Tiederlalsung; sedenfalls aber
die ernste Absicht des Gesuchstellers gefordert,
sich dauernd im Inlande aufzuhalten und da-
selbst einen neuen Wohnsitz zu begründen.
Die Verleihung der Etaatsangegorigueit er-
strecht sch nach § 11 in der Fassung des
Art. 41 E#B. zugleich auf die Ehefrau
und diejenigen minderjährigen Kinder, deren
gesetzliche Bertretung dem Aufgenommenen
oder Vaturalisierten kraft elterlicher Gewalt
zusteht. Ausgenommen sind Töchter, die ver-
heiratet sind, oder verheiratet gewesen sind.
Da von diesem Grundsatze im § 11 zit-
Ausnahmen ausdrüchklich zugelassen sind, und
in Preußen für die Aufnahme und Naturali-
sationsurkunden der Zusatz vorgeschrieben ist,
daß sich die Aufnahme oder Naturalisation
nur auf die in der Urkunde ausdrüchklich be-
nannten Personen beziehen soll, so wird hier-
durch mittelbar eine Ausschließung der in der
Urkunde nicht genannten Familienmitglieder
bewirkt (Erl. vom 28. April 1902). Die
Voraussetzungen des die Naturalisation von
Ausländern betreffenden § 8 bilden nur das
Mindestmaß der zu erfüllenden Bedingungen,
und es ist den einzelnen Landesregierungen
unbenommen, noch weitere Anforderungen
B. hinsichtlich des Alters, der Dauer der
Kiederkassung, der Erwerbsverhältnisse usw.
zu stellen. In Preußen sind derartige be-
stimmte, für alle Fälle bindende Vorschriften
nicht erlassen, doch gilt es als Grundsatz, daß