Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Familienfideikommiß. 
Schleswig-Holstein mit Lauenburg, im Bezirke 
des Justizsenats Ehrenbreitstein und in den 
Hohenzollernschen Landen ist das gemeine 
Recht in Geltung geblieben. Dieses sieht jede 
dauernd fruchtbringende Sache als geeigne- 
ten Gegenstand eines F. an, kennt teine 
Fideikommißbehörde und Fideikommißaufsicht, 
läßt den Ubergang des F. auf mehrere Per- 
sonen gleichseitig. zu (sog. Intestatfamilien- 
fideikommisse, ondominate) und gestattet 
eine Belastung der Fideikommißgegenstände 
nur ganz ausnahmsweise, während es die 
Veräußerung selbst mit Zustimmung aller 
lebenden Anwärter schlechthin ausschließt. In 
A-euvorpommern und Rügen sind jedoch durch 
das G. vom 12. Juli 1896 (GS. 162) die 
in den alten Provinzen geltenden Vorschrif- 
ten über Familienschlüsse und über die Auf- 
nahme notwendiger Darlehne (s. unter IIIb) 
eingeführt, und in der Prov. Schleswig-Hol- 
stein, einschließlich Lauenburg, sind die F. im 
allgemeinen der Aufsicht des Oberlandesge- 
richts zu Riel unterstellt (§ 43 der Instr. für 
die Landesdikasterien der Herzogtümer Schles- 
wig und Holstein vom 15. Mai 1834 — Esmarch, 
Samml. d. Statute, Verordnungen und Ver- 
fügungen, Schleswig 1846, S. 313 — in Verb. 
mit § 25 IV der V. vom 26. Juni 1867 — 
GS. 1073 — und mit § 49 Ziff. 1, 2 AG. z. 
GV. vom 24. April 1878 — GS. 230). Ge- 
wohnheitsrechtlich wird in Schleswig-Holstein 
zur Errichtung jedes F. landesherrliche Ge- 
nehmigung verlangt; auch können Veräuße- 
rungen und Belastungen des F. jederzeit mit 
landesherrlicher Genehmigung von dem Fidei- 
kommißbesitzer vorgenommen werden. Ge- 
meines Recht gilt ferner in dem größten Teile 
der Prov. Hessen-Aassau mit der Maßgabe, 
daß nach § 38 Nass V. vom 31. Mai 1854 
die Errichtung und gewohnheitsrechtlich auch 
die Erweiterung, Abänderung und Aufhebung 
einer Fideikommißstiftung landesherrlicher Be- 
stätigung bedarf. Dagegen unterstehen die F. in 
den vormals großh. Hess. Gebietsteilen der Prov. 
Hessen-Aassau dem Hess G. vom 13. Sept. 1858 und 
in den vormals khgl. Bay. Gebietsteilen dem 
Bay. Edikte vom 26. Mai 1818 und der V. vom 
3. März 1857. In dem Gebiete der vormals 
freien Stadt Frankhfurt sind die F. durch das 
Frankfurter G. vom 28. März 1848 ganz unter- 
sagt. Es ist dies das einzige Gebiet in 
Preußen, wo die Errichtung von F. unzulässig 
ist. In der Prov. Hannover, mit Ausnahme 
der erwähnten landrechtlichen Gebietsteile, gilt 
das G. über die Ablösbarkeit des Lehnsver- 
bandes, betr. die Verhältnisse bleibender Lehen 
und die Errichtung von F., vom 13. April 
1836 (Hann GS. I, 33), aus welchem hier her- 
vorgehoben sei, daß das F. einen jährlichen 
einertrag von mindestens 3600 M. haben 
muß (8 30) und der landesherrlichen Bestäti- 
gung bedarf, die aber nicht versagt werden 
darf, sofern das F. den gesetzlichen Voraus- 
setzungen entspricht (6 36). Für die Rhein- 
k#ovin endlich, mit Ausnahme der landrecht- 
sechen reise und des gemeinrechtlichen Justiz- 
nate Ehrenbreitstein, ist die A##ab O. vom 
fa Febr. 1826 (GS. 19) ergangen, die be- 
mmt, „daß die Errichtung von F. nur nach 
  
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vorgängiger Prüfung der Provinzialbehörden“ 
(Oberlandesgericht, Oberstaatsanwalt, Bezirks- 
regierung) „.unter Immediatbestätigung des 
Königs erfolgen und daß die BRechtsverhält- 
nisse derselben lediglich nach den bestätigten 
Stiftungsurkunden beurteilt werden sollen“". 
An allgemeinen, für den ganzen Umfang der 
Monarcchie geltenden gesetzlichen Bestimmungen, 
betreffend den F., sind als besonders wichtig 
folgende hervorzuheben: Nach § 32 des 
G., betr. die Errichtung von Landeskultur- 
rentenbanken, vom 13. Mai 1879 (GS. 367) 
ist der Fideikommißbesitzer befugt, zu Drai- 
nierungsanlagen ein Darlehn aufzunehmen, 
ohne daß es einer Mitwirkung der Anwärter 
bedarf (s. Landeskulturrentenbanken). 
Ebensowenig bedarf es dieser Alitwirkung zur 
Veräußerung einzelner Fideikommißgrund- 
stüchke auf Grund eines Unschädlichkeitszeug- 
nisses nach Maßgabe der Gesetze über den er- 
leichterten Abverkauf und Austausch kleinerer 
Grundstüche (s. Unschädlichkeitszeugnisse) 
sowie nach § 47 Abs. 2 des Wassergenossen- 
schaftsgesetzes vom 1. April 1879 (GS. 297) 
zum Beitritte zu einer öffentlichen Wasserge- 
nossenschaft. Die Art. 15—18 A. z. GB0. 
vom 26. Sept. 1899 (GS. 307) bestimmen, wie 
die Eintragung und Löschung der Fideikom- 
mißeigenschaft und die Eintragung des Fidei- 
kommißfolgers im Grundbuche zu erfolgen 
hat, sowie welche Behörde im Sinne der 
Grundbuchgesetze als Fideikommißbehörde an- 
zusehen ist und welche als solche stiftungs- 
mäßig Rhünftig nur bestellt werden Rann (ogl. 
auch die im Art. 33 a. a. O. unter Ziff. 3, 5, 11 
aufrechterhaltenen gesetzlichen Bestimmungen). 
Die Ziff. 24 des Stempeltarifs zum LStG. 
vom 31. Juli 1895 (GS. 413) setzt den 
Fideikommißstempel auf 3 v. H. des GEe- 
samtwerts der dem F. gewidmeten Gegenstände 
fest. Die §§ 45 u. 96 des PrEßzG. vom 25. Juni 
1895 in der Fassung vom 6. Okt. 1899 (GS. 
326) enthalten endlich die Vorschriften über 
die für die Errichtung und Beaufsichtigung 
der F. und für die Errichtung von Familien- 
schlüssen zu entrichtenden Gerichtskosten, wo- 
bei zu bemerken ist, daß Kosten für die Be- 
aufsichtigung nur dort erhoben werden, wo 
eine behördliche Aufsicht überhaupt stattfindet 
(. zu IV). 
I. Im Geltungsbereiche des ALR. (s. zu ID 
können a) Hauptgegenstand eines F. nur 
landwirtschaftlich genutzte Grundstücke oder 
Kapitalien sein. Aus Gebäuden, Mobilien, 
Kostbarkeiten und anderen Vermögensgegen- 
ständen für sich allein kann ein F. nicht er- 
richtet werden, doch können sie einem Land- 
gut oder Kapital als #ommisbelkandteil 
zugeschlagen werden (ALR. II. 4 §§ 48, 60, 
61). Ein Landgut, das zum F. gewidmet 
werden soll, muß einen Reinertrag von min- 
destens 7500 M. gewähren; zu einem reinen 
Geldfideikommisse genügt ein Kapital von 
30 000 M. (II, 4 §§ 51, 59). Ein F., das einen 
höheren Ertrag als 30000 M. jährlich abwirft, 
bedarf der landesherrlichen Genehmi- 
gung. Diese Genehmigung ist auch zur Ver- 
größerung eines F. über den genannten Er- 
trag hinaus erforderlich (II, 4 §§ 56, 57). Die
	        
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