Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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Errichtung des F. kann durch Verfügung 
unter Lebenden oder von Todes wegen 
erfolgen. Die Stiftungsurkunde ist von der 
Fideikommißbehörde (s. zu IV) zu verlautbaren 
und von ihr zu bestätigen (II, 4 §§ 62, 28, 29; 
G. vom 5. Akärz 1855 — GS. 175). b) Die 
rechtliche Stellung des Fideikommiß- 
besitzers ist dahin geordnet, daß der Be- 
sitzer durch die Rechte der Anwärter beschränkter 
Eigentümer der Fideikommißgegenstände ist. 
Demgemäß gebühren ihm die Autzungen des 
Fideikommißvermögens, die mit der Trennung 
oder Fälligkeit sein Allodialeigentum werden 
und seiner freien Verfügung unterliegen. Er 
ist deshalb auch zur Aufnahme von (og Re- 
venuenhypotheken für die Dauer seiner Besitz- 
zeit berechtigt. Im übrigen bestimmen sich 
seine Rechte und Pflichten in erster Linie nach 
den Vorschriften der Stiftungsurkunde (II, 4 
§ 74). Mangels solcher kann er über die Sub- 
stanz des F., sei es durch Veräußerung, sei es 
durch Belastung, abgesehen von den vorher 
(. unter II am Schlusse) hervorgehobenen be- 
sonderen Fällen, regelmäßig nur auf Grund 
eines Familienschlusses verfügen, der auch zur 
Aufhebung, Abänderung, Ergänzung und Er- 
klärung einer Fideikommißstiftung erforderlich 
ist. Die Aufnahme, Bestätigung und Aus- 
fertigung der Familienschlüsse erfolgt durch die 
Fideikommißbehörde. Die näheren Bestim- 
mungen darüber enthält das G. über Fami- 
lienschlüsse bei F., Familienstiftungen und 
Lehnen vom 15. Febr. 1840 (GS. 20). In der 
Prov. Schlesien ist nach dem G. vom gleichen 
Tage (GS. 25) neben dem Familienschluß in 
allen Fällen noch die landesherrliche Geneh- 
migung erforderlich. Keines Familienschlusses 
bedarf es in den Fällen des § 15 des erst- 
erwähnten G. vom 15. Febr. 1840, denen je- 
doch nur eine untergeordnete Bedeutung bei- 
zumessen ist, sowie zur Aufnahme sog. not- 
wendiger Darlehne auf die Einkünfte des F. 
II. 4 §§ 80 ff.). Dazu genügt vielmehr die 
Zustimmung zweier Anwärter, die nach näherer 
Bestimmung der §§ 88 ff. II. 4 auszuwählen 
sind. Wegen seiner Anfprüche aus einem solchen 
Darlehn kann der Gläubiger sich lediglich 
an die Einkünfte aus dem Fideikommiß- 
vermögen halten, nötigenfalls im Wege der 
gertchilichen Sequestration (II, 4 88 108, 109). 
die Substanz des F. kann nur wegen eigent- 
licher Fideikommißschulden in Anspruch ge- 
nommen werden, d. h. solcher Schulden, die 
entweder durch einen Familienschluß genehmigt 
oder vom Stifter selbst dem F. auferlegt sind 
48 104). Auch zu Prozessen über die Sub- 
stanz des F. hat der Fideikommißbesitzer zwei 
Anwärter zuzuziehen. Das in einem solchen 
Prozesse ergehende Urteil wirkt für und wider 
alle Fideinommißfolgen (I. 4 88 117 ff.). c) Die 
Aachfolgeordnung ist in der Stiftungsur- 
kunde zu bestimmen. Im allgemeinen läßt 
das A#. dem Stifter darin freie Hand mit 
der Maßgabe, daß immer nur ein Familien- 
mitglied zur Nachfolge berufen werden darf 
ndividualsukzession) und daß die Anord- 
nung eines Seniorats, bei dem jedesmal der 
den Jahren nach älteste aus der Familie zur 
Vachfolge gelangt, für Landgüter nicht ge- 
  
  
  
Familienfideikommiß. 
stattet ist II, 4.88 140, 142). Die regelmäßige 
VNachfolgeordnung ist die Primogeniturordnung, 
bei der sich die Machfolge nach Linien mit dem 
Vorrechte der Erstgeburt vollzieht (II, 4 8§ 147, 
149 o Daneben Kkommen Majorate und Mino- 
rate (II, 4 §§ 145, 146), vereinzelt auch wohl 
Juniorate sowie gemischte Nachfolgeordnun- 
en vor. In Ermangelung einer besonderen 
estimmung der Stiftungsurkunde gelangen 
nur die männlichen Abkömmlinge des Fidei- 
Kommißstifters oder ersten Fideihommißbesitzers 
zur Nachfolge dergestalt, daß das F. in der 
Hand des letzten männlichen Besitzers freies 
Eigentum wird (II, 4 § 189). Der Stifter kann 
jedoch auch die weibliche Linie berufen und 
für diese eine beliebige Aachfolgeordnung fest- 
setzen. Mangels einer solchen gilt die weib- 
liche Linie erst nach dem Erlöschen der männ- 
lichen als berufen. Das F. fällt alsdann an 
die älteste Tochter des letzten männlichen Fidei- 
kommißbesitzers, die sog. Erbtochter (I, 4 
§§ 190 ff.). Ait dem Tode des Fideikom- 
mißbesitzers geht das Fideikommißvermögen 
kraft Gesetzes auf den Nachfolger über (II, 4 
§ 206). Uber die Auseinandersetzung zwi- 
schen dem Fideikommißfolger und den Allo- 
dialerben des Vorbesitzers gibt das A#Lsl. 
II, 4 in den §8 207 ff. eingehende Vorschriften. 
Die Auseinandersetzung wegen der Autzungen 
des letzten Jahres vollzieht sich nach den für 
der Ziebbrauch geltenden Grundsätzen (II, 4 
12). 
IV. Zu Fideikommißbehörden sind durch 
das G., die Kompetenz der Gerichtsbehörden 
in Familienfideikommißsachen betr., vom . März 
1855 (GS. 175) in Verb. mit § 49 Ziff. 1, 2 
AG. z. GVG. vom 24. April 1878 (GS. 
230) die Oberlandesgerichte berufen. Zu- 
ständig ist jedesmal dasjenige Oberlandesge- 
richt, in dessen Bezirke der Stifter zur Zeit der 
Errichtung des F. seinen Wohnsitz hat (ogl. 
Förster-Eccius, Preuß. Privatrecht, 5. Aufl., 
S. 254 Anm. 25). Der Fideikommißbehörde 
liegt die Verlautbarung und Bestätigung der 
Stiftungsurkunde (IIIa), die Mitwirkung bei 
Familienschlüssen und bei der Aufnahme not- 
wendiger Darlehne (IIb) sowie die Beaufsich- 
tigung der F. ob. Da das G. vom 5. MAlärz 
1855 nur in den landrechtlichen Gebietsteilen, 
mit Ausnahme derjenigen der Prov. Hannover, 
gilt, findet auch nur dort eine Beaufsichtigung 
der F. kraft Gesetzes statt. Außerdem hat sich 
eine Fideikommißaufsicht, wie zu I bereits 
erwähnt, noch in der Prov. Schleswig-Holstein, 
einschließlich Lauenburg, herausgebildet. Da- 
gegen sind die F. in den Prov. Hannover 
und Hessen-Massau, in der Rheinprovinz, mit 
Ausnahme der landrechtlichen Kreise, in Aeu- 
vorpommern und Rügen, im Justizsenat Ehren- 
breitstein und in den Hohenzollernschen Landen 
gesetzlich einer behördlichen Aufsicht nicht unter- 
stellt. Doch ist der Stifter berechtigt, mit 
Genehmigung des IMl. das Oberlandesgericht 
als Aufsichtsbehörde zu bestellen (A-. z. 
GBO. vom 26. Sept. 1899 — GS. 307 — 
Art. 17). 
V. Seit dem Jahre 1895 werden in Zwischen- 
räumen von vier zu vier Jahren eingehende 
statistische Erhebungen über den Umfang
	        
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