Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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Landkreise gehörenden Städten über 10000 Einw. 
der Magistrat (ZG. 8 109). S. Techn. Anl. 
Ziff. 12 und AusfAnw. z. Gew O. vom 1. Mai 
1904 — HMBl. 123 — Nr. 16. 
Fischerei. I. Man teilt die gesamte F. ein 
in die zahme und die wilde F. Erstere, 
auch Teichwirtschaft genannt, wird in hünstlich 
angelegten, ablaßbaren Gewässern betrieben, 
letztere erstrecht sich über die natürlichen Ge- 
wässer und wird in Hochsee-, Küsten= und 
Binnensfischerei unterschieden. Die Hochsee- 
fischerei findet auf den nicht zum Staats- 
gebiet gehörigen Meeresteilen in einer be- 
stimmten Entfernung von der Küste statt. 
Diese Entfernung ist in der Nordsee durch 
besonderen internationalen Vertrag vom 6. Mai 
1882 (l. Fischereikonventionen) auf drei 
Seemeilen (rund 5½ km)h) festgesetzt, in der Ost- 
see nach den Grundsätzen des Völkerrechts 
geregelt. Unter Küstenfischerei versteht man 
die F. in den dem staatlichen Hoheitsrechte 
unterworfenen Meeresteilen, den Haffen und 
den Mündungen der Ströme, landeinwärts 
bis zu einer für jede Küstenprovinz besonders 
festgesetzten Grenze (s. Fischereiverordnun- 
gen). Zur Binnenfischerei gehört die F. 
in den übrigen natürlichen Gewässern, d. h. in 
den Seen, öffentlichen Flüssen und privaten 
fließenden Gewässern. Die Hochseefischerei steht 
jedermann frei, die Küstenfischerei im Meere 
jedem Inländer, in den Häfen des Meeres 
und am Mleeresufer ist sie ebenso Regal, wie 
in den öffentlichen Strömen (ALR. II, 14 8§ 21, 
24; II, 15 §§ 38, 80). Das Regal ist jedoch 
durch Erteilung von Privilegien und Ersitzung 
vielfach durchbrochen. In den Privatgewässern 
gehört die F. grundsätzlich dem Eigentümer 
des Gewässers, doch bestehen zahlreiche selb- 
ständige Rechte Dritter zur Ausübung der F., 
und zwar ohne Einschränkung oder mit Be- 
schränkungen nach Art und Zahl der Fische, 
der Fanggeräte und nach dem persönlichen 
Bedürfnis des Berechtigten. Zu letzteren 
Rechten gehört die F. „zum häuslichen Ge- 
brauche" und „zu des Tisches NMotdurft“. 
Freien Fischfang gibt es in der Binnenfischerei 
nicht mehr, da, wo er früher bestand, ist er 
zugunsten der politischen Gemeinden auf- 
gehoben (Fischereigesetz vom 30. Mai 1874 
86, 7). Das Fischereirecht gewährt zugleich 
die Befugnis, die zu seiner Ausübung erfor- 
derlichen Anstalten zu treffen, nicht aber die, 
dabei fremde Grundstüchke zu betreten. 
Andererseits muß das Fischereirecht in den 
meisten Fällen weichen, wenn ihm die Bedürf- 
nisse des Verkehrs und der Landeskultur 
entgegenstehen, wobei aber derjenige Entschä- 
digung & leisten hat, der diese Bedürfnisse 
vertritt (ALK. Il, 15 88 40, 41, 71, 72). Ein— 
schränkungen polizeilicher Natur im Interesse 
der Staatswirtschaft ergeben sich aus dem 
Fischereigesetz (s. d.). 
II. Die Wasserfläche, auf der in Preußen 
die Küsten= und Binnenfischerei betrieben wird, 
umfaßt unter Einschluß der an die Nord= und 
Ostsee stoßenden großen Staatsgewässer rund 
1½ Mill. ha, davon Binnenseen rund 420000 ha, 
haupsächlich in Ostpreußen (125 000 ha), Bran- 
denburg (85 000 ha), Pommern (75.000 ha), 
  
  
Fischerei. 
Westpreußen (65 000 ha) und Posen (45000 ha). 
Aach der Berufszählung vom Jahre 1895 
waren Erwerbstätige, die die F. auf 
offener See und in den Küstengewässern aus- 
üben, im Hauptberuf 9171, im Nebenberuf 
1895; in der Binnenfischerei 11593 im Haupt- 
beruf und 3726 im ARebenberuf. Was die bei 
der F. benutzten Fahrzeuge anlangt, so 
läßt sich für die Binnen= und KRüstenfischerei 
bei dem mannigfachen Wechsel und mangels 
einer genauen Statistik kein zutreffendes Bild 
geben. In der Hochseefischerei, für die im 
wesentlichen die Nordsee in Frage Kkommt — 
in der Ostsee ist sie wegen des vielfach zer- 
klüfteten und steinigen Untergrundes und des 
nach den bisherigen Forschungen hinter der 
Nordsee weit zurüchbleibenden Fischreichtums 
nicht recht zur Entwickelung gekommen —, 
waren aus preuß. Häfen am 1. Jan. 1904 
275 Fahrzeuge (darunter 67 Dampfer) mit 
58453 chm Raumgehalt und 2394 Mann Be- 
satzung tätig. Der Ertragswert der F. ist 
schwer zu beziffern, dies gilt namentlich von 
der Binnenfischerei, da es an Unterlagen dafür 
fehlt, sowohl was Zahl und Größe der Ge- 
wässer, wie deren verschiedene Bewirtschaftung 
und Produttivität betrifft. Der Ertrag der 
Küstenfischerei wurde 1900 im zehnjährigen 
Durchschnitt auf rund 3 700000 M. angegeben. 
In Wirtlichkeit dürfte derselbe nicht unerheb- 
lich höher sein. Für die Ergebnisse der Hoch- 
seefischerei Kommt in erster Linie der Hering 
in Betracht, zu dessen Fang neun große 
Heringsgesellschaften, davon sechs in Preußen, 
an der Mordsee bestehen. Der Fangerlös be- 
trug 1903 rund 4½ Mill. M. (davon 3 Mill. M. 
bei den preuß. Gesellschaften). Im letzten 
Jahrzehnt hat sich auch der sog. Frischfischfang 
günstig entwichelt und wird mit zahlreichen 
Dampfern betrieben. Aus dem ganzen Reichs- 
gebiet werden zurzeit 130 Dampfer zu diesem 
Fang ausgesendet. Von Frischfischen Kkommen 
in erster Linie Schellfische, dann Rabeljau, 
Schollen, Butten und Zungen in Betracht. 
Der Auktionserlös für diese Fische betrug 
1903 auf den Märkten der Nordsee zusammen 
13 Mill. M., davon Geestemünde 51/4 Mill., 
Altona 22/3 Mill. Die Segelfischerei trug 
lange Besorgnis, durch die immer wachsende 
Konkurrenz der Fischdampfer erdrückht zu wer- 
den, hat aber neuerdings mittels Anwendung 
von Motorenbetrieb sich zu halten gewußt; sie 
hat den Vorzug, meist bessere weil lebende 
Ware an den Mart zu bringen. Wie bereits 
erwähnt, ist die Seefischerei in der Ostsee von 
untergeordneter Bedeutung. Die Ergebnisse 
des hauptsächlich Heringe, Flundern und Lachse 
umfassenden Fanges werden im zehnjährigen 
Durchschnitt auf wenig mehr als 2½ Mill. M. 
angegeben. Zu erwähnen sind noch die mit 
dem Fischfange im Zusammenhange stehenden 
Industriezweige, in erster Linie die Räuchereien, 
Marinieranstalten und Konservenfabriken, deren 
es an der Aord= und Ostsee eine große Anzahl 
gibt, ferner die Tran= und Fischmehlfabriken, 
von denen besonders die Germania in Pillau 
hervorzuheben ist. Das Fischmehl wird in stei- 
gendem Umfange nicht nur für Dungzwecke, son- 
dern auch als Futter für Mastvieh usw. benutzt.
	        
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