Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Freiheit, persönliche. 
erlittener Freiheitsentziehung durch den Staat 
ist von diesem Entschädigung zu gewähren (s. 
Entschädigung für Strafe und Unter— 
suchungshaft). 
II. Endlich gibt es Handlungen, die als 
Verbrechen und Vergehen gegen die persön— 
liche F., die hierbei nicht im Sinne der F., 
einen Willen zu haben, sondern in dem, den 
Willen zu betätigen, zu verstehen ist, und gegen 
die geschlechtliche F., d. i. gegen die F. der 
Willensbetätigung speziell in bezug auf den 
geschlechtlichen Verkehr, bestraft werden. Die 
ersteren sind mit einem Teile der letzteren 
meist in dem besonderen, die Uberschrift: „Ver- 
brechen und Vergehen wider die persönliche Frei- 
heit“ tragenden Abschnitte des Steb B. (68 234 
bis 241) behandelt. Es sind 1. der Menschenraub 
(6 234) und der Raub minderjähriger Per- 
sonen (§ 235), zu denen noch der Sklavenraub 
und der Sklavenhandel nach dem G. vom 
28. Juli 1895 (Ro#l. 425) treten; 2. die Frei- 
heitsberaubung, auch widerrechtliche Gefangen- 
haltung oder Einsperrung genannt (8 239); 
3. die Nötigung (§ 240), die darin besteht, daß 
semand einen anderen widerrechtlich durch Ge- 
walt oder durch Bedrohung mit einem Ver- 
brechen oder Vergehen zu einer Handlung, 
Duldung oder Unterlassung nötigt, und von 
der eine besondere Art die durch einen Be- 
amten begangene Mötigung (§ 339) und die im 
§ 153 GewO. bedrohte Aötigung zur Arbeits- 
einstellung bilden; 4. die Bedrohung mit der 
Begehung eines Verbrechens (§ 241). Ferner 
sind zu ihnen noch zu rechnen der Haus- 
friedensbruch (s. Hausrecht), indem dadurch 
in die F. der Willensbetätigung bezüglich 
des Hausrechtes eingegriffen wird, und da 
auch hier durch die Fo seinen Willen dahin 
zu betätigen, daß etwas als Geheimnis be— 
wahrt werde, verletzt wird, die Verletzun 
des Briefgeheimnisses (s. Briefgeheimnis 
nach 88 299, 354, 358 StGB., sowie die 
Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 300, 
welche letztere vorliegt, wenn Rechtsanwälte, 
Advokaten, Notare, Verteidiger in Straf- 
sachen, Arzte, Wundärzte, Hebammen, Apo- 
theker sowie die Gehilfen dieser Personen 
unbefugt Privatgeheimnisse offenbaren, die 
ihnen kraft ihres Amtes, Standes oder Ge- 
werbes anvertraut sind (Strafe bis 1500 M. 
oder Gefängnis bis zu drei Monaten, jedoch 
nur auf Antrag). 
III. Strafbare Handlungen gegen die ge- 
schlechtliche F., vom St GB. teils unter denen 
gegen die persönliche F., teils unter den Ver- 
brechen und Vergehen gegen die Sittlichkeit 
(I. Sittlichkeitsverbrechen) mit behandelt, 
sind die Notzucht (§ 177), die gewaltsame 
Vornahme unzüchtiger Handlungen außer 
dem Beischlaf an einer Frauensperson und die 
Dötigung einer Frauensperson zur Duldung 
unzüchtiger Handlungen außer dem Beischlafe 
(§176 Ziff. 1), die Vornahme unzüchtiger Hand- 
lungen mit anderen Personen unter Mißbrauch 
eines Autoritätsverhältnisses (8 174 Ziff. 1—3), 
die Schändung, d. i. der Mißbrauch einer 
willenlosen, bewußtlosen oder geisteskranken 
auensperson zum außerehelichen Beischlafe 
(68 176 Ziff. 2, 177 Satz 2), der geschlechtliche 
  
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MWißbrauch von männlichen oder weiblichen 
Personen unter 14 Jahren (§ 176 Ziff. 3), die 
Erschleichung des Beischlafs, d. i. die Ver- 
leitung einer Frauensperson zur Gestattung 
des Beischlafs durch Erregung oder Benutzung 
eines Irrtums, in welchem sie den Beischlaf für 
einen ehelichen hielt (6§ 179), die nur auf An- 
trag strafbare Verführung eines unbescholtenen, 
noch nicht 16 Jahre alten Mädchens zum Bei- 
schlaf (§ 182) und die Entführung (88 236 bis 
238), die ebenfalls Antragsdelikt ist, und deren 
Verfolgung, wenn der Verführer die Ent- 
führte geheiratet hat, außerdem noch voraus- 
setzt, daß die Ehe für nichtig erklärt wor- 
den ist. 
Freiheit, persönliche. I. Allgemeines. 
Die persönliche F. ist durch Art. 5 Bll. ge- 
währleistet. Danach sind ausgeschlossen alle 
privatrechtlichen Beschränkungen der F. eines 
Menschen, insbesondere Sklaverei (ALR. II, 
5 8§8 196, 197 und G. vom 9. März 1857 
— G. 160), Leibeigenschaft, sowie jede Form 
der Hörigkeit oder der mit dem Besitze eines 
Grundstückhs verknüpften Gutsuntertänigkeit 
(aufgehoben durch Edikt vom 9. Okt. 1807 
— GS. 1806—1810, 170). Verletzungen der 
persönlichen F. durch Privatpersonen sind als 
Menschenraub, RKinderraub, Freiheitsberau- 
bung strafbar (StEB. 88 234—241; vgl. auch 
G. vom 28. Juli 1895, betr. die Bestrafung 
des Sklavenraubes und des Sklavenhandels 
— Rl. 425) und verpflichten zum Schadens- 
ersatz (§ 823 BE.). Die Anerkennung des 
staatsbürgerlichen Grundrechts der persönlichen 
F. enthält ferner das Verbot vom Staate 
selbst ausgehender Freiheitsentziehungen unter 
anderen als den vom Gesetze festgestellten 
Voraussetzungen und Formen. Der Beamte, 
der vorsätzlich eine unberechtigte Freiheitsbe= 
schränkung anordnet oder vornimmt, wird ge- 
mäß 8§ 341 StE. bestraft, die Schadensersatz- 
pflicht regelt § 823 BGB. Eine Entschädigung 
aus Staatsmitteln für unschuldig erlittene 
Untersuchungshaft gewährt das G. vom 14. Julie 
1904 (Roa#l. 321). S. Entschädigung für 
Straf= und Untersuchungshaft. 
II. Die Freiheitsentziehung zum Zwecke 
der Strafverfolgung regelt sich nach den 
Vorschriften der St PO., welche an Stelle der 
§§ 1—5 des G. zum Schutze der persönlichen 
F. vom 12. JFebr. 1850 (GS. 45) getreten sind. 
a) Den Regelfall bildet nach der Absicht des 
Gesetzes die Verhaftung auf Grund eines 
schriftlichen Haftbefehls des Bichters (St PO. 
§ 114). Voraussetzungen des Haftbefehls, der 
eine Untersuchungshaft anordnet, sind dringen- 
der Tatverdacht und Fluchtverdacht oder Ver- 
dunkelungsgefahr. Der Verdacht der Flucht 
bedarf keiner weiteren Begründung: 1. wenn 
ein Verbrechen den Gegenstand der Unter- 
suchung bildet, 2. wenn der Angeschuldigte ein 
Heimatloser oder Landstreicher oder nicht im- 
stande ist, sich über seine Person auszuweisen, 
3. wenn der Angeschuldigte ein Ausländer ist 
und gegründeter Zweifel besteht, daß er sich 
auf Ladung vor Gericht stellen und dem Ur- 
teil Folge leisten werde (8 112). Ist die Tat 
nur mit Haft oder mit Geldstrafe bedroht, so 
darf die Untersuchungshaft nur wegen Flucht-
	        
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