Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Freiheitsstrafen — Freilegung der Uberschwemmungsgebiete. 
die Unterbringung mißhandelter oder verwahr- 
loster Kinder bis zum Erl. vormundschaftsgericht- 
licher Anordnungen aus §§ 1666, 1838 BE. 
oder auf Grund des Fürsorgeerziehungsgesetzes 
((s. Fürsorgeerziehung), dieerste Unterkunfts- 
beschaffung für Obdachlose (s. Armenpolizei). 
Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sitt- 
lichkeit, Sicherheit und Ruhe rechtfertigt die 
polizeiliche Verwahrung, insbesondere zur 
Verhütung von strafbaren Handlungen und 
anderen Ordnungswidrigkeiten wie Belästigung 
der Straßenpassanten, Störung Arbeitswilliger, 
hartnächiger Ungehorsam gegen polizeiliche 
Verkehrsanordnungen usw. Die polizeilich in 
Verwahrung genommenen Personen müssen 
bei Fortfall des Anlasses, spätestens im Laufe 
des folgenden Tages in F. gesetzt oder der 
zuständigen Behörde (Staatsanwaltschaft, Vor- 
mundschaftsrichter, Armenverwaltung) über- 
wiesen werden (§ 6 des G. vom 12. Febr. 
1850). Der festnehmende Beamte ist selbst zur 
Freilassung befugt, wenn er erkennt, daß die 
Aotwendigkeit der Festhaltung nicht mehr vor- 
liegt oder daß die Freiheitsentziehung von 
vornherein auf einem tatsächlichen oder recht- 
lichen Mißverständnisse beruhte (Rechtspr. 
des R. in Strafsachen 9, 455). Durch An- 
ordnung der polizeilichen Verwahrung ent- 
tehen unmittelbare Polizeikosten (s. d. und F 
Vö. 35, 101). Eine besondere Befugnis 
ur Festhaltung HPerpährt § 162 St PO. den 
eamten, welche Amtshandlungen an Ort und 
Stelle leiten, gegenüber Personen, welche die 
amtliche Tätigkeit vorsätzlich stören oder sich 
den zuständigen Anordnungen widersetzen; die 
Festhaltung darf nicht über den nächstfolgen- 
den Tag hinaus ausgedehnt werden. 
b) Die Zwangsgestellung (Sistierung) 
ist das äußerste Machtmittel zur Durchführung 
der den Behörden beigelegten Exekutivgewalt 
(R St. 1, 331). Insbesondere kann die Be- 
folgung der staatsbürgerlichen Verpflichtung 
zur Auskunftserteilung vor der Polizei gleich 
anderen polizeilichen Uslagen gemäß § 132 
LVG. erzwungen werden (OV. 15, 425). Ein 
Anspruch auf Zeugengebühr besteht nicht. Ver- 
nehmungen in den Amtslokalen sind wegen 
der damit verbundenen Belästigung des Publi- 
kums tunlichst einzuschränken (Erl. vom 
7. Dez. 1899 — AlBl. 1900, 57). Die An- 
wendung des unmittelbaren Zwanges gegen 
ausbleibende Auskunftspersonen (LV. ⅛ 132 
Ziff. 3) erfolgt durch Zwangsgestellung. Auf 
§ 161 St PO. beruht die polizeiliche Befugnis, 
Augenzeugen einer strafbaren Handlung zur 
Feststellung der Persönlichkeit, falls kein an- 
deres Mittel zu Gebote steht, vor die Be- 
hörde zu führen (Rs t. 13, 430). Auf 
die Festhaltung Beschuldigter finden diese 
Vorschriften keine Anwendung, da hierüber 
§ 170 St PO. (o. zu Ib) erschöpfende Bestim- 
mungen trifft (Re St. 32, 269). Die der Po- 
lizei übertragene Verhängung der sittenpoli- 
gellichen Aufsicht über Profkituterte (StGB. 
261 Ziff. 6 — s. Gewerbsmäßige Un— 
zucht. Sittenpolizeig setzt die Berechtigung 
voraus, verdächtige weibliche Personen zu 
sistieren, um untersuchen und prüfen zu kön= 
nen, ob Grund zur Anordnung der Sitten- 
  
v. Bitter, Handwörterbuch der preuhischen Verwaltung. 
  
  
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kontrolle gegeben ist (Rechtspr. des R. in 
Strafsachen 3, 185). 
Freiheitsstrafen. Die Umwandlung der 
auf Grund der Bestimmungen des Erb t. 
und des LSt. festgesetzten Geldstrafen, zu 
deren Zahlung die Verpflichteten unvermögend 
sind, in F. findet nicht statt (Erb St G. 5 47 
und LStco#. 8§ 22). S. im übrigen Strafen II 
und Umwandlung von Strafen. 
Freikuxgelderfonds. Nach den schles. Berg- 
ordnungen werden zwei Freikuxe für den 
Grundherrn, zwei für die Knappschafts- und 
Armenkasse, zwei für Kirche und Schule ge- 
baut. Die Freikuxe sind öffentliche Abgaben. 
Das Berggesetz vom 24. Juni 1865 (GS. 705) 
95224 hat sie für neuere Bergwerke aufgehoben. 
ber die Verwaltung des aus den Freikuxen 
für Kirche und Schule in Schlesien gebildeten 
Fonds s. das Regul. vom 24. März 1868 (MBil. 
134). Der Fonds wird vom Oberpräsidenten 
verwaltet und hauptsächlich zur Unterstützung 
von Kirchen und Schulgemeinden verwendet. 
S. auch Kupxe. 
Freilegung der Uberschwemmungsgebiete. 
Gegen die Neuausführung von Anlagen, 
die für die Hochwasserabführung nachteilig 
sind, richtet sich das G. zur Verhütung von 
Hochwassergefahren vom 16. Aug. 1905 ((. 
reihaltung der Uberschwemmungs- 
gebiete). Scharf zu unterscheiden davon sind 
die Maßnahmen zur Beseitigung rechtmäßig 
bestehender Anlagen aus früherer Zeit, die 
Freilegung der Ulberschwemmungsgebiete. 
Sie kann nach allgemeinen Grundsätzen nur 
gegen Entschädigung der beteiligten Grund- 
eigentümer in der Art der Enteignung er- 
folgen, und zur Tragung der dadurch er- 
wachsenden Kosten werden in erster Linie die- 
jenigen heranzuziehen sein, die von den Maß-= 
nahmen Vorteil haben, nur aus besonderen 
Gründen Rhann die Inanspruchnahme öffent- 
licher Mittel sich rechtfertigen (ogl. Wasserge 
setzentwurf von 1893 §§ 171 f. und die Be- 
gründung dazu). Sind die nötigen Geldmittel 
vorhanden, so wird die Maßnahme gewöhn- 
lich überhaupt keine großen Schwierigkeiten 
bieten und ein Einschreiten der Gesetzgebung 
nicht erforderlich machen. Die Gesetzgebung 
hat sich daher hier auf ein Vorgehen von Fall 
zu Fall beschränkt. An der Weichsel sind 
auf Grund der G. vom 20. Juni 1888 (GS. 
251) und 25. Juni 1900 (GS. 249) die Strom- 
verhältnisse und das Hochwasserprofil mit 
einer anschlagsmäßigen Kostensumme von 
rund 29 Mill. M. umfassend reguliert worden. 
Fast zwei Drittel der Kosten hat der Staat 
übernommen, das übrige die beteiligten oder 
neuzubildenden Deichverbände. Bedeutend ein- 
gehender und zum Teil in die Behördenorga- 
nisation eingreifend sind die Bestimmungen 
des für das Hochwasserprofil der Oder von 
der österr. Grenze bis zum Eintritt in die 
Prov. Pommern ergangenen G. vom 12. Aug. 
1905 (GS. 335). Die aufzuwendenden Ge- 
samtkosten sind im § 1 auf höchstens 60 Mill. M. 
festgelegt. r den Kosten werden in dem 
durch das G. geordneten Verfahren die be- 
teiligten öffentlichen Verbände und Korpo- 
rationen nach Maßgabe ihres Vorteils und 
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