Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Freizügigkeit. 
mundes, b) von der obrigtkeitlichen Beschei- 
nigung, daß der zum freiwilligen Eintritt sich 
Meldende durch Zivilverhältnisse nicht gebun- 
den ist und sich untadelhaft geführt hat. Uber 
freiwillige Meldung zur Aushebung im Muste- 
rungstermine s. § 63, Ziff. 8 WO. Auch die 
Einstellung bzw. Annahme von Ersatzreser- 
visten zu einjährig-, zweijährig= oder vier- 
jährig-freiweilligem Dienste ist zulässig. Die 
erteilten Meldescheine haben nur bis zum näch- 
sten 1. April Gültigkeit. Den mit Meldescheinen 
versehenen jungen Leuten steht die Wahl des 
Truppenteils, bei welchem sie dienen wollen, 
frei und haben sie sich behufs Annahme unter 
Vorlegung des Meldescheines an den Komman- 
deur des betreffenden Truppenteils zu wenden. 
Die Annahme erfolgt durch Erteilung eines 
Annahmescheines. Bis zur Einstellung werden 
sie vorläufig in die Heimat beurlaubt (s. Be- 
urlaubtenstand). Von der Einstellung Frei- 
williger hat der Truppenteil dem Zivilvorsitzen- 
den, welcher den Mieldeschein erteilt hat, un- 
mittelbar nach der Einstellung zu benachrich- 
tigen; die Freiwilligen werden in den Grund- 
listen (s. Militärersatzwesen) gestrichen 
(WO. 8S§ 84—80). 
II. Wegen der Freiwilligen für die Marine 
und die Marinetruppen s. § 13 Ziff. 2b u. c 
des Wehrgesetzes. 
II. Wegen der Einjährig-Freiwilligends. d. 
Freizügigkeit. I. Das Recht auf freie Wahl 
des Wohnsitzes und Aufenthalts war dem 
älterem preuß. Rechte Gremd, Erst durch die 
Stein-Hardenbergsche Gesetzgebung, insbeson- 
dere durch die Aufhebung der Untertänigkeit 
im Edikt vom 9. Okt. 1807 wurde die Nieder- 
lassungsfreiheit angebahnt. Die politischen 
Verwichlungen der folgenden Zeit und die 
großen Ungleichheiten der verschiedenen zur 
preuß. Monarchie gehörigen Landesteile auf 
kommunalem und wirtschaftlichem Gebiete ver- 
hinderten aber die Verwirklichung jener gesetz- 
goberischen Gedanken. Erst dem G. vom 31. Dez. 
1842 (GS. 1843, 5) über die Aufnahme neu- 
anziehender Personen war es vorbehalten, den 
Grundsatz der F. zur Durchführung zu brin- 
gen. Nach § 1 dieses G. durfte Reinem selb- 
ständigen preuß. Untertan an dem Orte, wo er 
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen 
sich selbst zu verschaffen imstande ist, der Aufent- 
halt verweigert oder durch lästige Bedingungen 
erschwert werden. Nach der Errichtung des 
Aorddeutschen Bundes wurde es als eine der 
ersten gesetzgeberischen Aufgaben angesehen, das 
in Preußen bereits geltende Recht der F. im 
Bundesgebiete einzuführen und weiter aus- 
zubauen. Dies geschah durch Art. 3 der Ver- 
fassung des Norddeutschen Bundes, dessen Be- 
stimmungen demnächst in die RV. übergingen, 
und durch das Freizüg G. vom 1. Nov. 1867 
(Bel. 55), dessen Gültigkeit später auf das 
ganze Reichsgebiet, einschließlich Elsaß-Loth= 
ringens ausgedehnt ist. Art. 3 RV. begründet 
ür ganz Deutschland ein gemeinsames Indi- 
genat mit der Wirkung, daß die Angehörigen 
eines jeden Bundesstaates in sedem andern 
Bundesstaate als Sagie zu behandeln 
sind. Die F. wird hierdurch noch nicht ge- 
schaffen, sondern nur das Recht der An- 
  
563 
gehörigen eines jeden Bundesstaates, in 
sedem anderen Bundesstaate zum festen Wohn- 
sitz, zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen Am- 
tern, zur Erwerbung von Grundstüchen, zur 
Erlangung des Staatsbürgerrechtes und zum 
Genusse aller sonstigen bürgerlichen Bechte 
unter denselben Voraussetzungen wie die 
Einheimischen zugelassen zu werden. Dabei 
sind die Verträge ausdrücklich in Kraft be- 
lassen, welche zwischen den einzelnen Bundes- 
staaten in Beziehung auf die Ubernahme von 
Auszuweisenden, die Verpflegung erkrankter 
und die Beerdigung verstorbener Staatsange- 
höriger bestehen (Art. 3). Näheres s. Gothaer 
Vertrag, Eisenacher Konvention. Durch 
Art. 3 zit. ist also nur der Satz aufgestellt, 
daß Rhein Deutscher in rechtlicher Beziehung 
ungünstiger behandelt werden darf als der 
Angehörige des eigenen Staates (Laband, 
Staatsrecht 1, 168). 
Erst durch das Freizügigkeitsgesetz 
wurden die in den verschiedenen Bundesstaaten 
noch vorhandenen Aufenthaltsbeschränkungen 
auf ein einheitliches Maß gebracht, und den 
Reichsangehörigen im übrigen das Recht, im 
ganzen Bundesgebiete sich aufzuhalten und 
niederzulassen, gewährleistet. Nach der Begrün- 
dung des Gesetzes sollte es sich auf die gleich- 
mäßige Einführung der persönlichen F. für 
das ganze Bundesgebiet beschränken. Andere 
Verhältnisse, welche mit der F. in nahem Zu- 
sammenhange stehen, namentlich das Heimats- 
recht, das Gemeinde= und Staatsbürgerrecht, 
sowie den Gewerbetrieb sollte es unberührt 
lassen. Infolge der Verhandlungen im Rx. 
wurden indessen auch wichtige Bestimmungen 
über die wirtschaftliche F. in das Gesetz auf- 
genommen, welche hier, soweit es der Zusammen- 
hang erfordert, mit erwähnt werden sollen. 
II. 8 1 FreizügG. bestimmt als Grundsatz: 
Jeder Reichsangehörige hat das Recht, inner- 
halb des Reichsgebietes 1. an jedem Orte sich 
aufzuhalten oder niederzulassen, wo er eine 
eigene Wohnung oder ein Unterkommen sich 
8 verschaffen imstande ist; 2. an jedem 
rte Grundeigentum aller Art zu erwerben; 
3. umherziehend oder an dem Orte des Aufent- 
halts, bzw. der Niederlassung, Gewerbe aller 
Art zu betreiben, unter dem für Einheimische 
geltenden gesetzlichen Bestimmungen. In der 
Ausübung dieser Befugnisse darf der Reichs- 
angehörige, soweit das Gesetz nicht selbst Aus- 
nahmen zuläßt, weder durch die Obrigkeit 
seiner Heimat, noch durch die Obrigkeit des 
Ortes, in welchem er sich aufhalten oder nieder- 
lassen will, gehindert oder durch lästige Be- 
dingungen beschränkt werden. Dieses BRecht 
der F. ist durch das Gesetz allen Reichsange- 
hörigen ohne Unterschied des Glaubensbekennt- 
nisses gewährleistet, und damit sind alle landes- 
esetzlichen Bestimmungen beseitigt, welche den 
uden Beschränkungen in bezug auf die Nieder- 
lassungs= oder Aufenthaltsbefugnis auferlegten. 
In Preußen bestanden derartige Beschränkun- 
gen bei dem Erlasse des Gesetzes nicht mehr. 
S. Juden. 
III. Von dem Bechte der allgemeinen F. macht 
das Gesetz zwei Ausnahmen, nämlich ein- 
mal aus polizeilichen BRüchsichten (8 3) 
36“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.