Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Fremdenführer — Fristen. 
den Verurteilung eines wegen dergleichen 
Straftat bereits vorbestraften Angehörigen 
eines anderen Bundesstaates alsbald nach er- 
gangener Entscheidung Mitteilung zu machen. 
IV. Zur Wahrung kommunaler Interessen 
wird die F. durch die Bestimmungen der §8§ 4 
u. 5 Freizüg G. in folgender Weise beschränkt. 
a) Die Gemeinde ist zur Abweisung eines Aeu- 
anziehenden befugt, wenn sie nachweisen kann, 
daß derselbe nicht hinreichende Kräfte besitzt, 
um sich und seinen arbeitsfähigen Angehörigen 
den notdürftigen Lebensunterhalt zu ver- 
schaffen, und wenn er solchen weder aus eigenem 
Vermögen bestreiten kann, noch von einem 
dazu verpflichteten Verwandten erhält. Den 
Landesgesetzen bleibt vorbehalten, diese Be- 
fugnis der Gemeinden zu beschränken. Die 
Besorgnis vor künftiger Verarmung berech- 
tigt den Gemeindevorstand nicht zur Zurüchk- 
weisung (8§ 4). b) Offenbart sich nach dem 
Anzuge die Notwendigkeit einer öffentlichen 
Unterstützung, bevor der Neuanziehende an 
dem Aufenthaltsorte einen UW. (Heimatsrecht) 
erworben hat, und weist die Gemeinde nach, 
daß die Unterstützung aus anderen Gründen 
als wegen einer nur vorübergehenden Arbeits- 
unfähigbeit notwendig geworden ist, so kann 
die Fortsetzung des Aufenthalts versagt wer- 
den (§ 5). Als Aeuanziehende im Sinne dieser 
Bestimmungen sind nach O0#. 12, 409 rechts- 
begrifflich Personen anzusehen, die einen Wohn- 
sitz oder dauernden Aufenthalt an einem Orte 
nehmen wollen, an dem sie ihn nicht haben. 
Die Abweisung Neuanziehender ist kein Akt 
polizeilicher Tätigkeit, sondern eine Gemeinde- 
verwaltungsmaßregel. Erst wenn es zur Durch- 
führung der Anordnung erforderlich wird, hat 
die Polizeibehörde auf Ansuchen in Tätigkeit 
zu treten (Erl. vom 10. Jan. 1890 — M Bl. 35). 
S. im übrigen wegen der Handhabung der 
Bestimmungen § 5, sowie wegen des Ver- 
fahrens bei Ausweisung Ubernahme (Ar- 
menrecht) 1; Erstattungsansprüche lV. 
Erwähnt mag hier noch werden, daß sich 
das Abweisungs= und Ubernahmeverfahren in 
den nicht zum Geltungsbereiche des UW. ge- 
hörigen Gebieten: Bayern und Elsaß-Lothrin= 
gen gegenüber nach den Bestimmungen des 
Gothaer Vertrages vom 15. Juni 1851 mit 
der Maßgabe regelt, daß ein Ersatz für die 
aufgewendeten Kosten von dem Heimatsstaate 
des Abzuweisenden nur insoweit gefordert! 
werden kann, als die Fürsorge länger als drei 
Wonate gedauert hat. 
V. Nach § 8 Freizüg. sind die Gemeinden 
und nach § 9 auch die AV. und Gutsherrschaf- 
ten nicht befugt, von Reuanziehenden wegen des 
Anzuges Abgaben zu erheben. Dagegen 
hönnen sie dieselben gleich den übrigen Ge- 
meindeeinwohnern zu den Gemeindelasten 
heranziehen, letzteres jedoch nur dann, wenn 
der Aufenthalt die Dauer von 3 Monaten 
übersteigt s. Anzugsgeld und Kommunal- 
abgabengesetz). « 
VI. Nach § 10 bleibt die Regelung des po- 
lizeilichen Meldewesens den Landesgesetzen 
vorbehalten (s. Meldewesen). 
remdenführer s. Straßengewerbe V. 
remdenpolizei ist dersenige Zweig der 
  
  
  
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Sicherheitspolizei, welcher die Uberwachung 
und Beaufsichtigung des Fremdenverkehrs 
zum Gegenstande hat. Den Zwecken der F. 
dienen namentlich zwei Verwaltungseinrichtun- 
gen: das Paßwesen (s. d.) und das Melde- 
wesen (s. d.). Daneben sind noch diesenigen 
staatlichen Maßnahmen hierher zu rechnen, 
welche die Entfernung und Fernhaltung von 
Ausländern bezwecken (s. Ausweisungen). 
Die F. unterliegt nach Art. 4 Ziff. 1 R. der 
Beaussichtigung und Gesetzgebung des Reiches, 
doch hat dasselbe bis jetzt von dieser Befugnis 
im wesentlichen nur hinsichtlich des Paßwesens 
Gebrauch gemacht, während im übrigen die 
fremdenpolizeilichen Befugnisse der Einzel- 
staaten nicht eingeschränkt sind. 
Friedenspräsenzstärke des stehenden Heeres, 
ursprünglich durch Art. 60 RV. auf ein Prozent 
der Bevölkerung von 1867 normiert, ist — 
ausschließlich der Offiziers-, Arzte= und Be- 
amtenstellen, sowie der Unteroffiziersstellen 
(RMil S. § 4 und G. vom 3. Aug. 1893 Art. 1 
§ 1) — durch G. vom 15. April 1905 (REl. 
247) vom 1. April 1905 ab derart festgesetzt, 
daß die Jahresdurchschnktrestärke am 1. Okt. 
1910 an Gemeinen, Gefreiten und Ober- 
gefreiten 505839 Mann erreichen wird. Die 
Einjährig-Freiwilligen kommen hierbei nicht 
in Anrechnung. Zugleich ist durch das ge- 
nannte Gesetz die Zahl der untersten taktischen 
Einheiten bei der Infanterie auf 633 Batail- 
lone, bei der Kavallerie auf 510 Eskadrons, 
bei der Feldartillerie auf 574 Batterien, bei 
der Fußartillerie auf 40 Bataillone, bei den 
Pionieren auf 29 Bataillone, bei den Ver- 
Rkehrstruppen auf 12 Bataillone, beim Train 
auf 23 Bataillone festgestellt (s. auch Heeres- 
verfassung). 
Friedensübungen s. Militärische Ubun- 
gen und Familienunterstützungen. 
Friedhe s. Begräbnisplätze. 
riedrich-Wilhelms-Institut s. Kaiser- 
Wilhelm-Akademie. 
Fristen. I. F., d. i. Zeiträume, innerhalb 
welcher eine Handlung vorzunehmen ist, 
kommen auf dem Rechtsgebiete häufig und 
in sehr verschiedener Weise vor. Es gibt solche 
für die Behörden, namentlich die Gerichte 
und Gerichtspersonen, zur Vornahme ihrer 
Handlungen, und für die an dem Verfahren 
vor einer Behörde Beteiligten. Die letzteren 
F., die sog. eigentlichen Fristen, zerfallen 
in gesetzliche, d. i. diejenigen, welche sich 
nach Art und Dauer aus dem Gesetz er- 
geben, und in richterliche oder behörd- 
liche, d. i. solche, deren Beginn und Dauer 
von dem Richter oder der sonstigen Behörde 
im einzelnen Falle bestimmt werden. Der 
Unterschied ist von Bedeutung für die Zu- 
lässigkeit einer Verkürzung oder Verlänge- 
rung. Ferner hat man präklusivische und 
nicht präklusivische F. zu unterscheiden, 
je nachdem der Ablauf der F. den Verlust 
der Befugnis zur Vornahme einer Rechts- 
handlung zur Folge hat oder nicht. Unter 
den. gesehlichen F. bilden eine besondere Gruppe 
die Notfristen, deren Eigenart darin besteht, 
daß sie in den Gerichtsferien weiter laufen 
und durch Vereinbarung der Beteiligten nicht
	        
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