Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Geburtshelfer — Geburtsscheine. 
vom 6. Febr. 1875 — RGBl. 23 — 8 17). 
Die Geburt ist hierbei mit dem völligen 
Austritt der Leibesfrucht aus dem Mutter— 
leibe als beendet anzusehen (R#St. 33, 437). 
Wegen der Geburten auf deutschen Seeschiffen 
während der Reise s. die §8§ 61—64 PStb. und 
wegen der auf Binnenschiffen s. Erl. vom 
16. Jan. 1902 (MMBl. 27). Zur Anzeige sind 
in nachstehender Reihenfolge, so daß die Ver- 
pflichtung der späteren Person erst dann ein- 
tritt, wenn eine früher verpflichtete nicht vor- 
handen oder an der Erstattung der Anzeige 
verhindert ist, verpflichtet: der eheliche Vater, 
die bei der Niederkunft zugegen gewesene 
Hebamme, der dabei zugegen gewesene Arzt, 
sede andere dabei zugegen gewesene Person 
und die Mutter, sobald sie dazu imstande ist. 
Auch ein hiernach nicht Verpflichteter kann 
die Anzeige erstatten, wenn er aus eigener 
Wissenschaft unterrichtet ist. Bei Geburten, 
welche sich in öffentlichen Entbindungs-, Heb- 
ammen-, Kranken-, Gefangenen= und ähn- 
lichen Anstalten, auch solchen hirchlicher Kor- 
porationen und juristischer Personen (Erl. 
vom 20. Jan. 1875 — UM.l. 34), sowie in 
Kasernen ereignen, trifft die Verpflichtung zur 
Anzeige ausschließlich den Vorsteher der An- 
stalt oder den von der zuständigen Behörde 
ermächtigten Beamten. In diesem Falle ge- 
nügt eine schriftliche Anzeige in amtlicher 
Form. Sonst ist die Anzeige stets, insbesondere 
auch von Arzten (Erl. vom 27. April 1878 — 
MBl. 78), mündlich zu erstatten (8§ 18—20). 
Wer ein neugebornes Kind findet, ist ver- 
pflichtet, hiervon spätestens am nächstfolgenden 
Tage Anzeige bei der Ortspolizeibehörde zu 
machen (s. Findelkinder). Die letztere hat 
die erforderlichen Ermittelungen vorzunehmen 
und dem Standesbeamten des Bezirks von 
ihren Ergebnissen behufs Eintragung in das 
Geburtsregister mündlich oder schriftlich An- 
zeige zu machen (6 24). Wer der ihm ob- 
liegenden Anzeigepflicht nicht genügt, wird 
mit Geldstrafe bis 150 M. oder mit Haft be- 
straft, jedoch tritt die Strafverfolgung nicht 
ein, wenn die Anzeige, obwohl nicht von dem 
zunächst Verpflichteten, doch rechtzeitig gemacht 
worden ist (6 68 Abs. 1). Wegen des Rechtes der 
Standesbeamten, den Verpflichteten zu der An- 
zeige anzuhalten, gilt das, was hierüber all- 
gemein bestimmt ist ((Standesämter und 
Standesbeamte V). Wird die Anzeige eines 
Geburtsfalls über 3 Monate verzögert, so darf 
die Eintragung nur mit Genehmigung der Auf- 
sichtsbehörde, also in den Landgemeinden und 
Gutsbezirken des Landrats als Vorsitzenden 
des Kr A., in den Stadtgemeinden des Regie- 
rungspräsidenten und im Stadtkreise Berlin 
des Oberpräsidenten (30. FJ§ 154 Abs. 1), nach 
Ermittelung des Sachverhalts erfolgen. Die 
Kosten der Ermittelung sind von demsenigen 
einzuziehen, welcher die rechtzeitige Anzeige 
versäumt hat (PSte. 8§ 27). Von der ihm 
angezeigten Geburt eines ehelichen Kindes 
nach dem Tode des Vaters, d. h. eines inner- 
halb 302 Tagen nach dem Tode des Vaters 
geborenen Kindes (BE. 88 1591, 1592), oder 
der Geburt eines unehelichen Kindes (ogl. BS. 
88 1707, 1773) oder der Auffindung eines 
  
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Minderjährigen, dessen Familienstand nicht 
zu ermitteln ist (BGB. 8 1778 Abs. 2), hat 
der Standesbeamte dem Vormundschaftsgericht 
Anzeige zu machen (FGG. 8 48; Vf. vom 
27. Jan. 1904 — MBl. 30). 
II. Standen zur Zeit der Anzeige die Vor- 
namen des Kindes noch nicht fest, so sind sie 
nachträglich und längstens binnen 2 Monaten 
nach der Geburt anzuzeigen. Ihre Eintragung 
erfolgt am Rande der ersten Eintragung (§ 22 
Abs. 3). Eine Versäumung der #2monatigen 
Frist macht zwar den zur Anzeige Verpflichte- 
ten strafbar, die spätere Eintragung gilt aber 
nicht als eine Berichtigung (s. d.) und kann 
daher auch nach Ablauf von 2 Monaten ohne 
Mitwirkung des Gerichts erfolgen (Erl. vom 
5. Febr. 1880 — M.Ll. 50). Die nachträgliche 
Anzeige der Vornamen ist mündlich und nur 
bei Geburten in Anstalten schriftlich zu er- 
statten (Erl. vom 18. Mai 1880 — M.)Ul. 164; 
vom 22. Mai 1885 — M.h. 101). 
III. Wegen der Anzeige von Totgeburten 
s. d. und wegen späterer Anderung der Vor- 
namen Aamensänderungen. Vgl. auch 
Geburten. 
Geburtshelfer. Für Männer ist die Aus- 
übung der Geburtshilfe, auch die gewerbs- 
mäßige, an heine Beschränkung gebunden, so- 
fern sie sich nicht als „Geburtshelfer" oder mit 
leichbedeutenden Titeln bezeichnen (GewO. 
29), während für weibliche Personen die ge- 
werbsmäßige Ausübung der Geburtshilfe durch 
die Erlangung eines Prüfungszeugnisses als 
Hebamme bedingt ist (GewO. 8§ 30 Abfs. 3). 
Die gewerbsmäßige Ausübung der Geburts- 
hilfe durch Männer würde, sofern sie vor- 
kommt, unter den Begriff der Kurpfuscherei 
fallen und auf sie die für diese geltenden Vor- 
schriften anzuwenden sein. S. unter Kur- 
pfuscherei, auch § 46 der Dienstanw. f. d. 
Kreisärzte vom 23. März 1901 (MM.Bl. 2). 
Geburtslisten ist die Bezeichnung für Aus- 
züge, welche die mit der Führung des Personen- 
standesregisters betrauten Behörden zum Zwecke 
der Aufstellung der Rekrutierungsstamm- 
rolle (s. d.) bis zum 15. Jan. jedes Jahres 
den Vorstehern der Gemeinden oder gleich- 
artigen Verbände aus dem Geburtsregister 
bezüglich aller Eintragungen der Geburtsfälle 
von Kindern männlichen Geschlechts innerhalb 
der Gemeinde oder des gleichartigen Verbandes 
aus dem um 17 Jahre zurückliegenden Kalen- 
derjahre unentgeltlich zu übersenden haben. 
Zugleich übersenden die eingangs benannten 
Behörden dem Zivilvorsitzenden der Ersatz- 
kommission des Bezirks einen Auszug aus 
dem Sterberegister des letztverflossenen Kalen- 
derjahres, enthaltend die Eintragungen von 
Todesfällen männlicher Personen, welche das 
25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten 
(W0O. 8 46 Ziff. 7 und MMil . 8 32). Uber 
die Formulare für diese Auszüge vgl. Erl. 
vom 1. Jan. 1893 und 5. Febr. 1895 (MIl. 36 
bzw. 38). S. auch Auszüge aus Standes- 
registern. 
eburtsregister s. Personenstandsre- 
gister. 
Geburtsscheine. Um die Härten tunlichst zur 
beseitigen, welche sich daraus ergeben können, daß 
37“
	        
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