Geistliche (Anstellung, Vorbildung).
vom 21. Alai 1874 Art. 2 — ES. 139; G.
vom 14. Juli 1880 Art. 5; G. vom 11. Juli
1883 Art. 3; G. vom 29. April 1887 Art. 2).
II. Kirchliche Erfordernisse der Vor-
bildung in der ev. Kirche. Das G. vom
11. Mai 1873 hatte seine wesentliche Bedeu-
tung für die kath. Kirche. War doch von
vornherein auf das Einspruchsrecht gegenüber
der Anstellung durch Behörden verzichtet, deren
Mitglieder sämtlich vom Könige ernannt wer-
den ( 28 des G.), d. h. gegenüber den ev.
Landeskirchen. Denn bei diesen war von
jeher die Vorbildung der G. im Sinne dieses
Gesetzes geregelt. — Für die älteren Provinzen
ist das KirchG. vom 15. Aug. 1898 (KGVBl.
137) ergangen. Anstellungsfähig im geist-
lichen Amte der ev. Landeskirche ist danach
seder ev. Deutsche, welcher 25 Jahre alt,
sittlich unbescholten, geistig gesund und frei
von solchen Rkörperlichen Gebrechen ist, welche
die Ausübung des Amtes hindern, wenn er
die Befähigung zur Verwaltung des geist-
lichen Amtes nach den Bestimmungen dieses
Gesetzes nachgewiesen hat (§ 1). Der Tach-
weis der Befähigung zur Verwaltung des
geistlichen Amtes wird durch Ablegung von
wei theologischen Prüfungen geführt
8 2). Der ersten Prüfung muß ein ord-
nungsmäßiges Studium der ev. Theologie von
mindestens sechs Semestern auf einer deutschen
Universität nach Ablegung der Reifeprüfung
auf einem deutschen Gymnasium vorangehen.
Von diesem Zeitraum sind mindestens drei
Semester dem Studium auf einer preuß. Uni-
versität zu widmen. Enthält das Neifezeugnis
nicht den Nachweis der Reife in der hebräi-
schen Sprache, so hat der Studierende sich
einer Nachprüfung vor der hierzu verordneten
Behörde zu unterziehen und nach Ablegung
der Reifeprüfung das Studium noch minde-
stens sechs Semester fortzusetzen (§ 3). Der
Zweck der ersten Prüfung ist, durch schrift-
liche und mündliche Proben zu ermitteln, ob
der zu Prüfende durch das Studium auf der
Universität diejenige theologische Bildung sich
erworben hat und überhaupt diesenige äußere
und innere Befähigung besitzt, welche seiner-
geit eine wirksame Ausübung des geistlichen
mtes erwarten lassen. Auf Grund der be-
standenen ersten Prüfung entscheidet das Kon-
sistorium über die Zulassung des Kandidaten
der Theologie zur Vornahme geistlicher
Amtshandlungen mit Ausnahme der Ver-
waltung der Sakramente (einschließlich der
Beichte), der Trauung und der Konfirmation
6G 5). Jeder Kandidat ist seitens des Kon-
sistoriums einem G. einer Kirchengemeinde
als Lehrvikar zu überweisen. Die Dauer
des Lehrvikariats beträgt ein Jahr. Das-
selbe fällt in der Regel in die Zeit vor der
zweiten Prüfung (§ 6). Zur Vorbereitung
auf das geistliche Amt kann dem Kandidaten
der Eintritt in ein Predigerseminar vor
oder nach der zweiten Prüfung gestattet werden.
Hat ein Kandidat das Predigerseminar minde-
stens ein Jahr besucht, so wird er von der Ver-
pflichtung zum Lehrvihariat befreit (8 7). Eine
mindestens einjährige praktische Beschäfti-
gung auf dem Gebiet des Unterrichts oder
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im Dienst eines innerhalb der Landestkirche
mit Korporationsrechten versehenen Vereins
der äußeren oder inneren Mission kann in
besonderen Fällen als teilweiser Ersatz für das
Lehrvikariat behandelt und eine Verkürzung
desselben bis höchstens auf ein halbes Sabe
gewährt werden. Langsährige Arbeit in solchem
Dienst Kann ausnahmsweise nach Befinden des
Ev. Oberkirchenrats als völliger Ersatz in An-
rechnung gebracht werden (§ 9). Der Zweckh
der zweiten Prüfung ist, durch schriftliche
oder mündliche Proben festzustellen, ob die
Kandidaten in Vertiefung und Ergänzung der
auf der Universität erworbenen theologischen
Bildung wissenschaftlich und Prahtisch sich weiter
gefördert haben und für Ubertragung eines
geistlichen Amtes reif sind. Auf Grund der
bestandenen zweiten Prüfung befindet das
Konsistorium über die Befähigung des Kan-
didaten des Pfarramtes zur Anstellung im
geistlichen Amte (§ 11). Bei dem Ulbertritt
eines im geistlichen Amte einer anderen
deutschen Landestkirche angestellten Geist-
lichen hat das Ronsistorium durch ein Kollo-
quium festzustellen, daß er für den Dienst in
der Landeskirche geeignet ist, falls es nicht
hierüber anderweitig ausreichend unterrichtet
ist. Theologen aus anderen ev. Kirchengemein-
schaften, sowie Theologen, welche aus einer
nicht ev. Kirchengemeinschaft zum ev. Bekennt-
nis übergetreten sind, können vom Eov. Ober-
kirchenrat zur Prüfung bzw. zur Anstellung im
geistlichen Amte nach abgelegtem Kolloquium
zugelassen werden (§ 12). Der Ev. Oberkirchen-
rat ist ferner ermächtigt, ordinierte Missionare,
deren Gewinnung für das geistliche Amt mit
Rüchsicht auf langjährige anerkannt tüchtige
Leistungen im Missionsdienste im kirchlichen
Interesse erwünscht erscheint, behufs Erlan-
gung der Fähigkeit der Anstellung im geist-
lichen Amte zum Kolloquium bei einem Kon-
sistorium zuzulassen (§ 13). Die Aufsicht und
Leitung der Kandidaten erstreckt sich auf
ihre wissenschaftliche Fortbildung, ihre kirch-
liche und praktische Tüchtigkeit und ihren
Wandel. Die Leitung der Kandidaten und
ihrer Vorbereitung gehört zu den besonderen
Obliegenheiten des Generalsuperintendenten.
Die spezielle Aufsicht und Leitung wird durch
densenigen Superintendenten wahrgenommen,
in dessen Diözese der Kandidat seinen Wohn-
sitz oder längeren Aufenthalt nimmt (8 14).
Kandidaten, welche der kirchlichen Aufsicht sich
nicht fügen, ihre wissenschaftliche oder prak-
tische Ausbildung vernachlässigen oder ein für
einen künftigen Diener der Kirche unwürdiges
Verhalten bezeigen, sind bei milderen Verstößen
durch eine Mahnung zu erinnern, in schwe-
reren Fällen mit einem Verweise zu belegen
oder aus dem Kandidatenstande zu entfernen.
Die Entscheidung erfolgt nach Anhörung des
Kandidaten durch das Konsistorium, im Be-
schwerdefalle durch den Ev. Oberkirchenrat.
Lautet die Entscheidung auf Entfernung aus
dem Kandidatenstande, so muß in derselben
außer der Angabe der GEründe eine ange-
messene Frist bezeichnet sein, innerhalb welcher,
vom Tage der Zustellung ab gerechnet, die
Beschwerde an den Ev. Oberkirchenrat zulässig