Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gemeinde. 
Vorschrift im § 22 der dem Grundsteuergesetz 
vom 21. Mai# 1861 (GS. 253) beigefügten „Anw. 
für das Verfahren bei Ermittlung des Rein- 
ertrages der Liegenschaften behufs anderweiter 
Regelung der Grundsteuer“ in den östlichen 
und neuen Provinzen für jede, in der Regel 
die sämtlichen Grundstücke eines Gemeinde- 
oder Gutsbezirks umfassende Gemarkung für 
die Grundsteuerveranlagung hergestellt wor- 
den, sofern nicht ein brauchbares Exemplar 
der im Auftrage der Auseinandersetzungsbehör- 
den oder Kreditinstitute gefertigten Karten 
dauernd zur Verfügung gestellt werden konnte. 
Das Verfahren bei Herstellung ist durch eine 
der oben gedachten als Anlage A beigefügte 
besondere Anweisung geregelt. Nach dieser 
sollte die Herstellung der G., soweit irgend 
möglich, durch Kopierung vorhandener Karten, 
zu deren zeitweisen Uberlassung alle Behörden 
und Privatpersonen durch § 20 der zuerst ge- 
dachten Anw. verpflichtet wurden, und zwar 
der egel nach im Maßstabe des Originals 
erfolgen; neue Aufnahmen erfolgten nur in 
den dringendsten Fällen und dann je nach den 
Verhältnissen im Maßstabe von 1:2500 bis 
1:5000 und in einem oder mehreren Blättern. 
In die G. waren einzutragen: 1. die Grenzen 
der Gemarkung und, sofern sie von diesen ab- 
weichen, die des Gemeinde (Guts- bezirks; 2. die 
Grenzen der Kulturarten; 3. alle Wege, Eisen- 
bahnen, Bäche, Flüsse und eine möglichst große 
Zahl solcher Punkte und Linien (Meilensteine, 
Brückhen, ausgezeichnete Bäume, Hecken usw.), 
welche geeignet waren, für die bei der Ein- 
schätzung notwendige Eintragung der Klassen- 
grenzen als Anhalt zu dienen ferner 4. die Eigen- 
tumsgrenzen der bisher von der Grundsteuer 
befreiten oder hinsichtlich ihrer bevorzugten, 
künftig aber steuerpflichtigen Grundstüche; 5. die 
Grenzen der auch künftig steuerfreien und der 
der Gebäudesteuer unterliegenden Grundstückhe, 
aber die letzte Kategorie von Grundstücken 
nur nach ihrem Gesamtumfange; andere Eigen- 
mumegrenzen wurden nur bei Herstellung der 
G. durch Kopie aus der kopierten Karte über- 
nommen. Sodann wurden bei Ausführung 
der Einschätzung die zum Zwecke der letzteren 
für jede Bonitätsklasse einer jeden Kulturart 
ausgewählten Musterstüche und die Grenzen 
der Bonitätsklassen eingetragen. Jede durch 
die Grenzen der Kulturarten, Bonitätsklassen, 
der bisher befreiten oder bevorzugten, künftig 
aber steuerpflichtigen Grundstücke, der auch 
fernerhin steuerfreien und der gebäudesteuer- 
pflichtigen Grundstüche sowie durch die Gren- 
zen von Enklaven oder zungenförmiger Ein- 
sprünge anderer Gemeinde (Guts= bezirke um- 
schlossene Figur der Karte bildet einen Flächen- 
abschnitt mit fortlaufender Nummer, dessen 
Flächeninhalt nach Morgen und Dezimalteilen 
eines Morgens festgestellt und mit der Mum- 
mer, Kulturart und Klasse in das Einschätzungs- 
register eingetragen wurde. Die Eigentums- 
grenzen wurden, soweit sie nicht nach vor- 
stehendem schon bei Herstellung der G. ein- 
getragen waren, erst bei der Unterverteilung 
der Grundsteuer unter Zuzlehung der Inter- 
essenten festgestellt und in die G. eingetragen; 
ebenso wurden die Veränderungen, die gegen 
  
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die bei Herstellung der G. bereits eingetragenen 
Eigentumsgrenzen eingetreten waren, festgestellt 
und nachgetragen; soweit sich hierbei eine An- 
derung der Aumerierung der Flächenabschnitte 
ergab, erhielt der Abschnitt eine Mummer in 
Form eines Bruches, dessen N-enner die frühere 
und dessen Zähler die neue Nummer angibt. 
In den beiden alten westlichen Provinzen 
wurden G. nicht hergestellt, sondern die vor- 
handenen Katasterkarten unmittelbar als solche 
benutzt. Bgl. die Artikel Grundsteuer und 
Kataster. Wegen der Erhaltung der G. bei 
der Gegenwart s. den Artikel Fortschreibung. 
Ihre gänzliche oder teilweise Erneuerung er- 
folgt a) mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit, 
b) wenn infolge eines Auseinandersetzungs- 
verfahrens oder der Errichtung von Renten— 
gütern oder Ansiedelungsgütern fast sämtliche 
Eintragungen in der G. oder einem Teile der- 
selben berichtigt werden müßten, zu a stets, 
zu b, wenn Neuvermessungen nötig sind, nur 
mit Genehmigung des FM. (Anw. VIII des 
JIM. vom 25. Okt. 1881 für das Verfahren 
bei Erneuerung der Karten und Bücher des 
Grundsteuerkatasters). 
Gemeinde. G. (Ortsgemeinden, poli- 
tische Gemeindeng sind örtliche ommunal-= 
verbände, welche die Bewohner eines 
bestimmt begrenzten Teils des Staatsgebiets 
umfassen und dazu bestimmt sind, gewisse öffent- 
liche Aufgaben zu erfüllen, die teils dem Be- 
reiche der Staatsverwaltung begrifflich ange- 
hören (obrigkeitliche Angelegenheiten), teils die 
Wahrnehmung gemeinschaftlicher oder geistiger 
Interessen der durch ihren Wohnsitz räumlich 
verbundenen Gemeindeangehörigen betreffen. 
Den G. steht die Selbstverwaltung ihrer An- 
gelegenheiten unter der Aufsicht des Staates zu 
KeKommunalauslicht) Sie sind öffentliche 
örperschaften und als solche juristische Personen, 
die auch Träger privatrechtlicher Befugnisse 
und Pflichten sein Kkönnen. Die ihnen durch die 
Gesetzgebung auferletten Lasten bestehen haupt- 
sächlich in Kosten der Ortsverwaltung, der Orts- 
polizeiverwaltung, der Armenpflege, Standes- 
amtsunterhaltung, Schulunterhaltung, Kran- 
kenversicherung, Wegeunterhaltung, gewissen 
Leistungen für die bewaffnete Macht und Mili- 
tärverwaltung. Während der Kreis der ihnen 
zugewiesenen öffentlichen Aufgaben aber gesetz- 
lich fest begrenzt ist, sind sie auf dem Gebiete 
der Wohlfahrtspflege berechtigt, alles in den 
Bereich ihrer Wirksamkeit zu ziehen, was die 
materielle Wohlfahrt und geistige Entwicklung 
ihrer Angehörigen zu fördern geeignet ist. 
Ihre Autonomie ist hierin nur durch das 
staatliche Aufsichtsrecht beschränkt. Die G. 
sind daher befugt, den bezeichneten Zwecken 
dienende Anstalten zu errichten, zu übernehmen, 
zu unterhalten oder zu unterstützen, sowie Schul- 
lasten und Kirchenlasten ihrer Angehörigen zu 
übernehmen (O. 2, 190; 12, 158). Ihnen 
steht auch das Petitionsrecht hinsichtlich ihrer 
Gemeindeangelegenheiten zu. Ihre Verfassung 
ist teils durch Gesetze, teils durch autonomische 
Satzungen, teils durch Gewohnheitsrecht be- 
stimmt. Hiernach sind die G. entweder Stadt- 
gemeinden oder Landgemeinden, deren Ver- 
fassung durch Städteordnungen oder Landge- 
38“
	        
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