Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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meindeordnungen geregelt ist. Als ihre Organe 
sind in den Städten der Magistrat, der Bür- 
germeister und die Stadtverordneten, in den 
andgemeinden der Gemeindevorstand, der Ge- 
meindevorsteher und die Gemeindevertretung 
tätig. Ihre Geschäfte werden durch Gemeinde- 
beamte geführt. Die G. sind nach § 89 BeE. 
für den Schaden haftbar, den einer ihrer ver- 
fassungsmäßigen Bertreter in Ausführung der 
ihm zustehenden Verrichtungen einem Dritten 
zufügt. Sie können eigenes Vermögen besitzen 
und zur Beschaffung der Geldmittel, deren sie 
zur Erfüllung der Gemeindezwecke bedürfen, 
Gemeindeabgaben erheben und Naturaldienste 
verlangen. Ihre Angehörigen und die Ge- 
meindeforensen haben nach Maßgabe der hier- 
über bestehenden Vorschriften die Gemeinde- 
lasten zu tragen. Sie sind, soweit ihnen das 
Gemeinderecht zusteht, berechtigt, das Stimm- 
und Wahlrecht in der G. auszuüben, und ver- 
pflichtet, Gemeindeämter zu übernehmen. Die 
wirtschaftliche Verwaltung der G. erfolgt nach 
Maßgabe des Gemeindehaushalts, über dessen 
Ausführung nach Schluß des Jahres BRech- 
nung zu legen ist (s. hierzu die betreffenden 
Spezialartikel). 
Gemeinde als Träger der Wegebaulast. 
Die G. (Gutsbezirke) sind überwiegend Träger 
der Wegebaulast hinsichtlich der Kommuni- 
kationswege. Wo dies der Fall ist, er- 
strecht sich die Wegebaulast in der Regel 
nur auf die ganz oder zum Teil innerhalb 
der kommunalen Grenzen der G. belegenen 
Wege (OV. 37, 242), nicht auch auf solche, 
die außerhalb dieser Grenzen liegen, au 
wenn sie daran entlang gehen (O. 36, 251). 
Die Unterhaltung solcher Wege liegt ihnen 
nur insoweit ob, als es etwa augdrüchklich 
gesehlich vorgeschrieben oder durch besondere 
itel begründet ist. S. Wegebaulast I. 
Gemeindeabgaben sind die von den Ge- 
meinden auferlegten Abgaben (s. Abgaben). 
Das Unterscheidungsmerkmal zwischen den 
Staats-, Provinzial-, Kreis-, Gemeinde= usw. 
Abgaben liegt also in der Person des auf Grund 
ausdrücklicher oder abgeleiteter Finanzhoheit 
die Abgabe Auflegenden (Ausschreibenden), nicht 
in der Person des die Einnahme Beziehenden: 
die Wanderlagersteuer ist keine Gemeinde-, 
sondern eine Staatssteuer, die sich von ande- 
ren Staatssteuern nur dadurch unterscheidet, 
daß ihr Aufkommen nicht dem auflegenden 
Staate, sondern einem anderen Gemeinwesen 
zustiebte anders ist die Warenhaussteuer (s. 
arenhäuser und Warenhaussteuer) 
zu beurteilen, da es den Gemeinden über- 
lassen bleibt, ob sie diese oder eine autonome 
Steuer von einschließlich gleicher Höhe er- 
hebeen wollen. Die durch das Aufhebungs- 
gesetz (ogl. Aufhebung direkter Staats- 
steuern) der Staatskasse gegenüber außer 
gebung gesetzten, aber für die Zwecke der 
ommunalbesteuerung weiter veranlagten 
Grund-, Gebäude= und Gewerbesteuern sind 
genau genommen weder Staats= noch Ge- 
meindesteuern, sondern überhaupt keine Ab- 
gaben. Denn durch die Fortführung ihrer 
eranlagung wird Rheine Leistung von Geld 
oder Geldeswert auferlegt, sondern nur die 
  
Gemeinde als Träger der Wegebaulast — Gemeinde (Kommunal= ämter. 
Grundlage für die Auferlegung einer Abgabe, 
nämlich der von den kommunalen Verbänden 
ausgeschriebenen Prozente der staatlich veran- 
lagten BRealsteuern, geschaffen: erst diese Pro- 
zente sind Abgaben, erst ihre Ausschreibung 
eine Steuerveranlagung, die staatliche Veran- 
lagung in Wahrheit eine mit selbständigen 
Rechtsmitteln anfechtbare, für die spätere 
Heranziehung bindende Vorbereitung der letz- 
teren, ebenso wie die fingierte Einkommen- 
steuerveranlagung der Personen mit Einkommen 
nicht mehr als 900 M. Die G. bestehen in 
Gebühren, Beiträgen, indirekten und direkten 
Steuern (vgl. Gebühren, Beiträge für Ge- 
meindeveranstaltungen, Indirekte und 
Direkte Steuern). Nach §2 RAb#. dürfen 
die Gemeinden Steuern nur erheben, soweit sie 
nicht ihre Ausgaben durch Gebühren und Bei- 
träge decken können, und direkte Steuern nur 
zur Dechung des nach Abzug des Aufkommens 
der indirekten verbleibenden Bedarfs (ogl. 
Kommunalabgabengesetz). Gemeinsam ist 
allen Arten von G. die Regelung der Rechts- 
mittel chen die Heranziehung (& AG. 88 69, 
70,. 75; 8§# 18, 34): Einspruch (s. Einspruch 
in Steuerangelegenheiten) und gegen den 
auf den Einspruch ergehenden Beschluß binnen 
einer mit dem ersten Tage nach der Zustellung 
beginnenden Frist von zwei Wochen Rlage im 
Verwaltungsstreitverfahren; gegen die erst- 
instanzliche Entscheidung im Verwaltungs- 
streitverfahren findet bei Stadtgemeinden nur 
Revision, bei Landgemeinden Berufung und 
gegen das Berufungsurteil Revision statt; 
ch weder Einspruch noch Klage noch Berufung 
noch Revision haben aufschiebende Wirkung. 
Vgl. Verwaltungsstreitverfahren. 
Gemeindeälteste s. Stadtälteste. 
Gemeinde (tommunal= ämter. I. Die Ver- 
pflichtung zur Ubernahme und Ver- 
waltung unbesoldeter G. liegt den Gemeinde- 
gliedern (Bürgern) nach Maßgabe der Ge— 
meindeverfassungsgesetze ob. 
a) In den Stadtgemeinden bestand eine 
solche Verpflichtung schon nach dem ALR. und 
ist in den StO. weiter ausgebildet worden. 
iernach ist, abgesehen von Hannover 
s. u.), in allen Provinzen (StO. f. d. ö. Pr. 
74, für Westfalen § 74, für die Rheinpro-= 
vinz § 79, für Frankfurt 88 17, 18, für 
Schleswig-Holstein § 10, für Hessen-Aassau 
§ 85; Hohenzoll S#em O. § 360) jeder stimmfähige 
Bürger verpflichtet, eine unbesoldete Stelle in 
der Gemeindeverwaltung oder Vertretung an- 
zunehmen, sowie eine angenommene Stelle 
mindestens drei Jahre (in Schleswig-Holstein 
sechs Jahre) lang zu versehen. Zur Ablehnung 
oder zur früheren Aiederlegung einer solchen 
Stelle berechtigten nur folgende Enschuldi- 
gungsgründe: 1. anhaltende Krantheit, 2. Ge- 
schäfte, die eine häufige oder lange dauernde 
Abwesenheit mit sich bringen, 3. ein Alter 
über 60 Jahre, 4. die früher stattgehabte 
Verwaltung einer unbesoldeten Stelle für die 
nächsten drei Jahre (in Schleswig-Holstein 
nur, wenn sie sechs Jahre gedauert hat, für 
die nächsten sechs Jahre, in Frankfurt nur, 
wenn sie drei Jahre gedauert hat, in bessen 
Aassau und in Hohenzollern, wenn das Amt
	        
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