Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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Verwaltungsausgaben der Gemeinden hinaus 
und dient sie mehr oder minder Luxusbedürf- 
nissen, wie z. B. die Erbauung von Theatern, 
Ratskellern u. dgl., so soll die Anleihe nur 
genehmigt werden, wenn Verzinsung und 
ilgung entweder durch die Erträgnisse der 
Anlage gedecht erscheint oder die Finanzlage 
der Gemeinde und die Steuerkraft ihrer Be- 
wohner nicht gefährdet wird, ebenso eine An- 
leihe für an und für sich nützliche, aber ertrag- 
lose Herstellungen, wie Straßendurchbrüche und 
verbreiterungen nur, wenn der Aufwand in 
angemessenem Verhältnis zur Leistungsfähig- 
keit der Gemeinde steht oder die Herstellung 
zur Beseitigung gesundheitswidriger Zustände 
oder im Interesse der Verkehrssicherheit ge- 
boten ist. Einmalige Ausgaben für minder 
erhebliche Bauausführungen und Beschaffungen, 
wie sie in größeren Städten regelmäßig wieder- 
kehren, sind, insbesondere wenn ihnen keine 
Rücheinnahmen gegenüberstehen, nicht durch 
Anleihe, sondern aus laufenden Einnahmen 
unter tunlichst gleichmäßiger Verteilung auf 
die einzelnen Jahre zu bestreiten (Erl. der 
M-inister des Innern und der Finanzen vom 
6. Aug. 1892 — MBl. 321). 
III. Die G. Rhönnen wie die Anleihen von 
Privaten durch hypothekarische Belastung 
des Grundeigentums der Gemeinde oder gegen 
Schuldschein von privaten Geldgebern oder 
Banken aufgenommen werden. Die Regel 
bildet aber, wenigstens bei größern und 
mittlern Gemeinden und bei größerem Be- 
Anderung den Gläubigern, die sich ihnen nicht 
darf die Aufnahme einer Anleihe bei einer, 
insbesondere bei der von der geldbedürftigen 
Gemeinde selbst unterhaltenen Sparkasse 
und vor allem die Ausgabe von Schuld- 
verschreibungen auf den Inhaber. Die 
Entnahme von Darlehnen aus dereigenen 
Sparkasse seitens der Gemeinde bedarf in- 
des der Genehmigung des Regierungspräsi- 
denten, der diese aber nur mit Zustimmung 
des BezA. versagen kann, und es darf in 
dieser Weise nicht mehr als ein bestimmter 
Prozentsatz der Sparkassenbestände, nach Erl. 
vom 5. Nov. 1902 (Ml. 190) 25% für die 
Garantiegemeinden und weitere 25% für 
andere kommunale Verbände, angelegt werden 
(ogl. Sparkassen). Zur Ausgabe von 
Schuldverschreibungen an den Inhaber durch 
Gemeinden bedurfte es, wie überhaupt zur 
Ausgabe von Inhaberpapieren bis zum In- 
krafttreten des BöB., eines kgl. Privile- 
giums, während jetzt nach der AusfB. zum 
GB. vom 16. Nov. 1899 (GS. 532) Art. 8 
die Genehmigung auf Grund kgl. Ermäch- 
tigung von dem MdJ. und dem FM.. erteilt 
wird, bei denen sie nach Genehmigung der An- 
leihe seitens der zuständigen Beschlußbehörde 
(l. o. im Eingang) durch Vermittlung des Regie- 
rungspräsidenten zu beantragen ist. Bei Vor- 
legung des Antrags ist anzugeben, ob nach 
Auffassung der Bezirksregierung durch die mit 
der Verzinsung und Tilgung der Anleihe ver- 
bundene Miehrbelastung der Angehörigen der 
Gemeinde die Einziehbarkeit der Staatssteuern 
etwa gefährdet würde. Selbstredend darf die 
Gemeinde vor Erteilung der ministeriellen Ge- 
nehmigung nicht etwa unter stillschweigender 
  
  
Gemeindeanstalten. 
Voraussetzung derselben mit Beziehung auf 
die Anleihe bereits bindende Verpflichtungen 
eingehen. Die Genehmigung soll nur erteilt 
werden, wenn es sich um einen größern Be- 
trag handelt, welcher anderweitig und unter 
gleich günstigen Bedingungen wie durch Aus- 
gabe von Inhaberpapieren nicht zu beschaffen 
wäre. Um prüfen zu hönnen, ob die Mittel 
der Anleihe für die angegebenen Verwendungs- 
zwecke einerseits erforderlich, andererseits auch 
ausreichend sind, brauchen zwar heine detail- 
lierten Kostenanschläge vorgelegt zu werden, 
wohl aber Kostenüberschläge, die übrigens 
schon als Grundlage für die Beschlußfassung 
der Gemeinde und der zur Genehmigung der 
Anleihe berufenen Beschlußbehörde nicht zu 
entbehren sind (vgl. den obenerwähnten Erl. 
vom 1. Juni 1891). Für die Schuldverschrei- 
bungen, die Zinsscheine (Coupons) und Er- 
neuerungsscheine (Talons) sowie die Geneh- 
migungsurkunde sind durch Erl. der gedachten 
beiden Minister vom 31. Jan. 1900 (MBl. 81) 
bestimmte Muster vorgeschrieben, von denen 
nicht ohne Grund abgewichen werden soll. 
Den Schuldverschreibungen können Zinsscheine 
für fünf bis zehn Jahre beigefügt werden. 
Die Erteilung und die Bedingungen der Ge- 
nehmigung müssen jetzt nach § 795 Abs. 2 B . 
im „Deutschen Reichs= und Preuß. Staats- 
anzeiger“ bekanntgemacht werden. Abände- 
rungen der Bedingungen der erteilten Ge- 
nehmigung sind an dieselben Vorschriften ge- 
bunden, und es muß im Falle einer solchen 
unterwerfen wollen, durch Kündigung die 
Rüchzahlung angeboten werden. Eine Ande- 
rung der — in der Schuldverschreibung nicht 
angegebenen — Verwendungszwecke bedarf 
der ministeriellen Genehmigung auf Grund 
kgl. Ermächtigung (ogl. den mehrerwähnten 
Erl. vom 1. Juni 1891). Die Ausgabe von 
Inhaberpapieren mit Prämien ist den Ge- 
meinden durch § 1 des G. vom 8. Juni 1871 
(Röl. 210) verwehrt. Vgl. im übrigen In- 
haberpapiere. 
Gemeindeanstalten. Die G. zerfallen nach 
ihrem rechtlichen und wirtschaftlichen Charak-= 
ter in öffentliche und private (gewerb- 
liche). Offentliche G. sind diejenigen, welche 
dem allgemeinen Interesse der Gemeinde zu 
dienen bestimmt sind und entweder der all- 
gemeinen Benutzung durch alle Einwohner 
oder durch gewisse Klassen derselben unterliegen. 
Unter privaten G. werden diejenigen fort- 
dauernden gewerblichen Unternehmungen ver- 
standen, deren Betrieb als solcher auf die Er- 
zielung von Gewinn gerichtet ist und den 
Gemeindemitgliedern eine Mötigung zu ihrer 
Benutzung nicht auferlegt (AusfAnw. z. KAG. 
vom 10. Mai 1894 Art. 3 Ziff. 1 Abs. 2). 
Die Grenzen zwischen beiden Kategorien 
sind flüssig, auch gewerbliche Anstalten können 
dem Allgemeininteresse dienstbar sein, es 
bleibt daher Sache der tatsächlichen Prüfung, 
im Einzelfalle festzustellen, welcher Zweck 
der vorherrschende ist. Als öffentliche An- 
stalten sind regelmäßig diejenigen zu erachten. 
für deren Benutzung ein Zwang besteht (O. 
17, 249). Die Errichtung und Unterhaltung
	        
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