Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

614 
treten zu lassen (§ 53). Das Teilnahmerecht 
der Gemeindeangehörigen kann durch Her- 
kommen bestimmt sein (OV. 42, 139) und 
auch durch Bildung eines neuen Herkommens 
abgeändert werden (OV. 38, 52). — Auch in 
den Landgemeinden der Rheinprovinz ist 
durch die Gem O. vom 23. Juli 1845 das ältere 
Teilnahmerecht aufrechterhalten worden (8 17), 
das dort ebenfalls meist auf Herkommen be- 
ruht. Uber die Art der Autzung und die 
Teilnahme hieran beschließt der Gemeinderat, 
dessen Beschlüsse, soweit sie Anderungen des 
bisherigen Rechtes herbeiführen sollen, der Ge- 
nehmigung des Kr A. unterliegen (OV#.35, 150; 
OV. vom 14. Febr. 1902 — Pr VBl. 24, 87). 
uagn der Prov. Hannover besteht nach der 
LöO. vom 28. April 1859 Gemeindevermögen, 
bei dem das Verfügungsrecht durch BRechte der 
Gemeindeglieder beschränkt ist § 60). Es fehlt 
aber an weiteren Vorschriften über die 
Autzungsrechte der Gemeindeangehörigen am 
Gemeindevermögen. Dies erklärt sich daraus, 
daß dort das Eigentum an dem gemeinschaft- 
lichen Grundbesitze der alten Landgemeinde 
den angesessenen Hofbesitzern zustand und nach 
der dortigen Rechtsentwickhlung nicht auf die 
neue politische Gemeinde übergegangen ist, 
sondern jenen, die jetzt die Realgemeinde (s. d.) 
bilden, als Interessentenvermögen (s. d.) verblie- 
ben ist. Dieses Genossenschaftsvermögen der 
Realgemeinde ist bisweilen mit Leistungen zu 
Gemeindezwecken belastet ([s. Gemeinde- 
vermögen II). — In den Gemeinden der 
Hohenzollernschen Lande, wo das G. 
Allmandgut genannt wird, sind durch die 
LöO. vom 2. Juli 1900 besondere Bestim- 
mungen über die Teilnahme an den Allmand- 
nutzungen und den Erwerb des Allmandrechts 
erlassen worden (s. Allmandgut). Die Ge- 
meinden sind in den meisten Rechtsgebieten 
befugt, die Teilnahme an den Gemeinde- 
nutzungen von der Entrichtung eines Ein- 
Raufsgeldes, anstatt oder neben einer jähr- 
lichen Abgabe, abhängig zu machen (s. Ein- 
Raufsgelder). 
Gemeindegrenzen s. Gemeindebezirke. 
Gemeindegrundsteuer. Das K2. (88 25 
bis 27) läßt den Gemeinden die Wahl zwischen 
der Einführung besonderer Gemeindesteuern 
vom Grundbesitz und der Erhebung von Pro- 
zenten der staatlich veranlagten Grund= und 
Gebäudesteuer. Schon indem das &2#. die 
besonderen Steuern zuerst nennt, weist es 
darauf hin, daß sie vor den Prozenten der 
Staatssteuern den Vorzug verdienen. Dies 
ist auch in den Materialien des KA., bei 
dessen Beratung und später im Landtag und 
in Ministerialerlassen wiederholt betont. Denn 
namentlich in rasch sich entwickelnden Gemein- 
den eignen sich weder die Grund= noch die 
Gebäudesteuer nach dem G. vom 21. Alai 1861 
zur Grundlage der Gemeindebesteuerung des 
Grundbesitzes. Zunächst schon wegen des un- 
gleichen Steuermaßstabes, sodann wegen der 
absoluten Unbeweglichkeit der Grundsteuer und 
ihrer Basierung auf viele Jahrzehnte zurück- 
liegenden Verhältnissen, die Gebäudesteuer 
wegen ihrer 15jährigen Veranlagungsperioden. 
Ferner führt das System des Parzellar= 
  
Gemeindegrenzen — Gemeindegrundsteuer. 
katasters zu einer Benachteiligung des grö- 
dern gegenüber dem kleinern Grunddbesitz. 
Vor allem aber hindert die Besteuerung nach 
dem land= und forstwirtschaftlichen Ertrage eine 
auch nur einigermaßen angemessene Heran- 
ziehung des, zum großen Teil dank der Ent- 
wichlung der Gemeinde, hochwertigen Bau- 
geländes. Die Gebäudesteuer nach dem Brutto- 
nutzungswert benachteiligt die einer höhern 
Abnutzung unterworfenen, häufigere Miets- 
ausfälle tragenden Wohngebäude für die min- 
der bemittelten Klassen. Das KV6. spricht 
nur von „besonderen Steuern vom Grund- 
besitz“, nicht von besonderen Grund= und be- 
sonderen Gebäudesteuern. Hieraus haben manche 
gefolgert, daß es nur eine einheitliche Be- 
steuerung des bebauten und unbebauten Grund- 
besitzes zulassen wolle, indes zu Unrecht; auch 
O. 33, 205 bezeichnet eine solche einheitliche 
Besteuerung nur als „zulässig“., Das K2. 
(§ 27) verlangt für besondere G. wie für Pro- 
zente der staatlichen Steuern Umlegung „nach 
gleichen Normen und Sätzen“ (wegen der 
Bauplatzsteuer s. den besond. Artikel); hierin 
1 nach der — bestrittenen und vom O#. 
(Pr VWBl. 27, 64) reprobierten — Ansicht der 
Ressortminister nur das Verbot individueller 
Verschiedenheiten der Normen und Sältze ent- 
halten. Als Maßstäbe besonderer G. nennt es 
(§25 Abs. 2), aber nur als Beispiele, den Rein- 
ertrag bzw. Autzungswert eines oder mehrerer 
Jahre, den Pacht= bzw. Mietswert, den ge- 
meinen Wert, die in der Gemeinde stattfinden- 
den Abstufungen des Grundbesitzes (3. B. in 
Vollbauern, Halbbauern, Kossäten usw.) und 
Verbindungen mehrerer dieser Maßstäbe. Der 
AusfAnw. zum KRV. ist das Muluster einer 
Steuerordnung für eine G. nach dem Ertrage, 
welcher für den gemeingewöhnlichen Gebrauch 
oder die gemeingewöhnliche Autzung im Durch- 
schnitt der drei letzten Jahre aufgekommen oder 
durch Schätzung ermittelt ist, beigefügt. Später, 
durch Erl. vom 2. Okt. 1899 (MBl. 160), ist den 
Gemeinden insbesondere der gemeine Wert 
als Maßstab empfohlen und das Muster einer 
entsprechenden Steuerordnung mitgeteilt. Die- 
ses sieht die Besteuerung aller bebauten und 
unbebauten Grundstüche mit einem jährlich 
festzustellenden Satze von jedem Tausend des 
gemeinen Werts vor, jedoch für Gebäude 
1. solcher Aktiengesellschaften, Genossenschaften 
und Gesellschaften m. b. H., deren statutarischer 
Zweck ausschließlich in der wohlfeilen Schaf- 
fung gesunder und zwechmäßig eingerichteter 
Wohnungen für unbemittelte oder minder- 
bemittelte Familien in eigens erbauten oder 
angekauften Häusern besteht, und deren Statut 
Dividenden von mehr als 4% und bei Auf- 
lösung eine Verteilung des den Nennwert der 
Aktien usw. übersteigenden Vermögens an die 
Aktionäre ausschließt; 2. der Arbeiter, Hand- 
werker und diesen wirtschaftlich gleichzustellen- 
den Personen, wenn die Gebäude zur Woh- 
nung nur für sie selbst und höchstens zwei 
andere Familien dieser Stände bestimmt sind, 
eine Besteuerung nur mit 84 oder ½/ des ge- 
meinen Werts. Diese Winderbelastungen sind je- 
doch nach OV. a. a. O. nicht zulässig. Die Fest- 
stellung des gemeinen Werts erfolgt alljährlich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.